Magazin für Medienjournalismus. Ausgabe 63
Seit 1998 herausgegeben von Björn Brückerhoff
Text: Ellena Werning
Bild: DeepAI
Der Gartner Hype Cycle macht es deutlich: Seit 2018 ist Virtual Reality (VR) kein Hype mehr (Gartner 2018). So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Technologie immer mehr Einzug in Coachings und Trainings erhält. Virtual Reality wird heute bereits vielfach in Trainings eingesetzt. Insbesondere in Szenarien, wo ein bestimmter Ablauf oder der Umgang mit Systemen trainiert werden soll, bietet die Technologie beeindruckende Möglichkeiten. Die Entwicklung solcher, auf das Unternehmen und die jeweilige Situation angepasster Software, ist häufig jedoch noch teuer und amortisiert sich vor allem dann, wenn dasselbe Training einer Vielzahl von Personen angeboten werden soll. Mehrere Studien belegen mittlerweile die hohe Effizienz und Effektivität der VR-Nutzung. VR-Trainings reduzieren demnach die Trainingszeit, führen zu einem deutlich gesteigerten Lerntransfer der Inhalte, reduzieren bei einer Vielzahl von Teilnehmern die Kosten und können nachhaltig zur Qualitätsverbesserung beitragen. Zudem fühlen sich auch die Teilnehmer nach einem VR-Training deutlich selbstsicherer (Wang et al. 2018, Likens/Eckert 2021).
Zusammenarbeit in VR braucht mehr als die technische Umgebung
Eher seltener wird VR bisher im Kontext von Coachings, Softskilltrainings und der virtuellen Zusammenarbeit genutzt. Gerade dafür existieren jedoch bereits eine Vielzahl von Softwarelösungen. Einen guten Überblick bietet Torsten Fell (Institute for Immersive Learning 2021). Das Problem daran: Zwar ist die Software vorhanden, doch für Coaching- und Trainingszwecke oder auch für die virtuelle Zusammenarbeit müssen die virtuellen Umgebungen zum einen häufig „eingerichtet“ werden und sonst didaktische Methoden entsprechend angepasst oder adaptiert werden. Das heißt: Neben der technischen Lösung bedarf es zusätzlich an methodischer Kompetenz, um effizient Coachings, Training oder auch Teammoderationen in der virtuellen Umgebung durchführen zu können.
Beispielhafte Einsatzszenarien von VR im Coaching
Im Coaching bietet sich methodisch der Einsatz von Virtual Reality vor allem für die Aufstellungsarbeit und Visualisierungen an. Die Konfrontation des Klienten mit äußeren und inneren Systemen sowie der Visualisierung von Hürden wie auch Zielen wird durch den Einsatz von 3D-Modellen erlebbar und 'fühlbar'. Gerade die Nutzung von Avataren für Systemaufstellungen erweist sich in VR als höchst effektiv. Bei Systemaufstellung werden alle relevanten Akteure, die in einer Situation für den Klienten eine Rolle spielen, aufgestellt und so Nähe oder Distanzen der Akteure zueinander abgebildet. Der Vorteil der systemischen Aufstellungsarbeit in VR ist, dass das System aus verschiedenen Perspektiven heraus betrachtet werden kann, Repräsentanten in Form von Avataren in ihrer Größe skaliert und ein sogenanntes Embodiment durchgeführt werden kann. Dies bedeutet, dass der Klient sich in den Körper des Repräsentantenavatars begibt und die Situation aus seiner Perspektive heraus betrachtet. Dies führt zu einem verbesserten Einfühlen in andere Positionen und Sichtweisen (Werning 2021). Die meisten Softwarelösungen erfordern jedoch die Implementation von 3D-Objekten. Zwar gibt es bereits viele 3D-Bibliotheken und einzelne Objekte sind sogar kostenfrei erhältlich, allerdings ist für die Schaffung neutraler 3D-Repräsentanten häufig noch die Hilfe eines 3D-Modellierers notwendig oder die Einarbeitung des Anwenders in entsprechende Software wie zum Beispiel Blender. Einzelne Softwareanbieter wie Arthur oder RAUM verfügen jedoch bereits über umfangreiche Bibliotheken.
Eine weiterer Anwendungsfall ist die Platzierung von 3D-Objekten als Hürden auf dem Weg zu einem Wunschziel des Klienten. Auch hier kann je nach Wahrnehmung des Klienten das Hindernis unterschiedlich groß dargestellt werden und so können Lösungsstrategien erarbeitet werden, wie mit den einzelnen Hürden umgegangen wird.
Auch Methoden wie EMDR oder der Umgang mit Ängsten und Phobien können über eine Konfrontation in VR bearbeitet werden. Eine Metaanalyse neuseeländischer und chinesischer Forscher zu VR-Therapien macht deutlich, dass Virtual Reality in Kombination mit kognitiver Verhaltenstherapie eine hoch effektive Behandlung bei Angststörungen liefert (Oing/Prescott 2018).
Beispielhafter Einsatz von VR in Softskilltrainings
Im Softskilltraining bietet sich Virtual Reality unter anderem für das Einüben der Rede- und Präsentationsfähigkeiten an. Einzelne Softwarelösungen wie z. B. Virtualspeech bieten hier ein virtuelles Publikum an, welches sich auf unterschiedliche Art und Weise verhält, und somit der Umgang mit Redeangst geübt werden kann.
Virtual Reality bietet sich zudem auch für Teamtrainings von Remote Teams an. Gerade Teams auf Distanz leiden unter der fehlenden Nähe zueinander. In virtuellen Umgebungen können die einzelnen Teammitglieder als Avatare einen Raum betreten und in der Folge gemeinsam an Aufgaben arbeiten, so dass eine physische Umgebung simuliert wird. Gleichzeitig lassen sich Teamübungen die auf Bewegungen in einem Raum basieren oder auch Konstruktionsübungen beinhalten innerhalb einer VR-Umgebung gut umsetzen.
Das derzeit aktuelle Thema Agilität lässt sich ebenfalls sehr gut in virtuellen Umgebungen umsetzen. Zum einen erzeugt für die meisten ungeübten VR-Nutzer die neue Interaktion mit der VR-Brille bereits ein Unsicherheitsgefühl. Dieses Gefühl kann demnach im Training bewusst utilisiert werden. Auch lassen sich agile Übungen wie der agile Taschenrechner, Design Thinking Sessions oder auch andere agile Methoden in VR umsetzen. Gerade bei agilen Teams, die ansonsten Remote arbeiten, kann so ein Teamgefühl erzeugt werden und ein interaktiver Austausch gefördert werden.
VR für die Kollaboration
Die Kollaborationsmöglichkeiten der einzelnen VR-Kollaborationssoftwareanbieter sind vielfältig. Von Screensharing, virtuellen White- oder Kanbanboards, Post-its, die beschriftet werden können, Einbettung von 3D-Modellen, der Möglichkeit in 3D zu zeichnen oder auch der Einbindung von Messenger-Diensten ist eigentlich alles möglich. Nicht jeder Anbieter bietet alles an, weshalb vorher zu prüfen ist, für welche Zwecke der VR-Raum genutzt werden soll. Virtuelle Räume bietet damit die Möglichkeit, genauso wie in einem physischen Raum zusammenzuarbeiten.
Schöne neue Welt mit Hindernissen
Die virtuelle Welt bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, die in ihrem Umfang hier nicht vollständig aufgezeigt werden können. Allerdings besteht auch hier das Problem, dass nicht jedes System auf jeder VR-Brille funktioniert. Die meisten Systeme laufen bisher auf der Oculus Quest. Dies wird in vielen Unternehmen immer noch kritisch gesehen, da die Oculus Quest ein Facebook-Produkt ist. Jedoch optimieren immer mehr Anbieter ihre Systeme auch für andere Hardware wie z. B. PICO oder HTC Vive.
Die einzelnen Brillen müssen beschafft werden, was sich bei derzeitigen Lieferengpässen manchmal schwierig gestaltet. Jedoch ist es ebenso möglich, entsprechende Brillen auszuleihen.
Jede VR-Kollaborations- oder Softskilltrainings-App bietet sehr unterschiedliche Möglichkeiten an und weist ihre Vor- und Nachteile auf. Es bedarf also einer sorgfältigen Prüfung, welches System geeignet ist.
Zehn Vorteile der Nutzung von VR für Coachings, Trainings und virtuelle Kollaboration
Virtual Reality bietet trotz einiger derzeitiger Hindernisse, die sich vermutlich jedoch durch technische Weiterentwicklungen bald auflösen werden, zehn entscheidende Vorteile:
Fazit
Virtual Reality stellt eine echte Bereicherung für Coachings, Trainings und auch die Kollaboration in Unternehmen dar. Diese werden umso mehr genutzt werden, je weniger technische Hürden vorhanden sind und je eher auf Seiten der Hardware und Software ein Vertrauen in den Datenschutz aufgebaut werden kann.
Ellena Werning arbeitet zusätzlich zu ihrer Professur an der IU Internationalen Hochschule als freiberuflicher systemischer Coach (zertifiziert nach DBVC und IOBC) und Leadershiptrainerin. Ihr Fokus ist die Unterstützung von Führungskräften und Unternehmen in digitalen Transformationsprozessen. Als zertifizierter Scrum Master und Virtual Reality -Trainerin kombiniert sie innovative Technologien, das Wissen um agile Prozesse und Arbeitsweisen sowie ihre Coachingkompetenz, um nachhaltige Veränderungsprozesse in Unternehmen zu initiieren und in der Umsetzung zu begleiten. Als VR-Enthusiastin bietet sie seit 2022 ein qualifiziertes Methodentraining zur Nutzung von VR für Coaches an.
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