StudiVZ, Xing & Co.:
Die
freiwillige Entblößung
Text und Illustration:
Kristina Schneider
StudiVZ, Myspace,
Xing und andere Social Networking-Plattformen erleichtern die
Beziehungspflege, ob beruflich, für die Uni oder privat. Über die Hälfte
jugendlicher Internetnutzer macht es sich in den Online-Netzwerken gemütlich
und stattet, oft auf mehreren Plattformen zugleich, Profile mit bunten
Schnappschüssen, Details über den eigenen Geschmack und Links zu den
Profilen von Freunden aus. Welche Konsequenzen ein sorgloser Umgang mit
empfindlichen Daten außerhalb der kuscheligen Netzgemeinschaften nach sich
ziehen kann, scheint vielen dabei nicht bewusst zu sein.
„Finde andere Studenten an Deiner Hochschule! Finde alte Freunde wieder!
Finde heraus, wer wen, über wen kennt!“ So lockt das
StudiVZ, die größte deutschsprachige Studenten-Community im Netz,
auf ihrer Startseite neue Nutzer. Rund 3,6 Millionen Studenten haben sich
dort eine Profilseite eingerichtet. Genutzt wird das Portal, um Lerngruppen
zu gründen oder Klausuren auszutauschen – vor allem aber, um Kommilitonen
hinterherzuklicken, was das Zeug hält. Ist der Referatspartner vergeben oder
gar schwul? Mag er anspruchsvolle Filme, hört er die richtige Musik, oder
hat er außer peinlichen Sprüchen nichts zu bieten? Und wie sieht eigentlich
die Grundschulfreundin mittlerweile aus?
Meist reicht eine Suchanfrage, um Auskunft zu bekommen. StudiVZ arbeitet mit
Realnamen: Die Regeln verlangen eine Anmeldung unter korrektem Vor- und
Nachnamen. Schließlich handele es sich um ein Verzeichnis – wer mitmachen
will, soll schnell identifizierbar sein. Tatsächlich haben die meisten
eingeloggten Studenten damit kein Problem. Ihre Profile sind angefüttert mit
privaten Fotos und Auskünften über politische Einstellung, Studienfach und
Beziehungsstatus. Da wird mit Trinkfestigkeit geprahlt und in ganzen
Fotoserien gezeigt, wie lustig Eimersaufen und Bongbauen beim letzten
Mallorca-Urlaub war. Oder man präsentiert ungeniert die eigene
Attraktivität: Manche Nutzer pflegen in Fotoalben unter Titeln wie „Me,
Myself and I“ mit sinnlich-semiprofessionellen Schnappschüssen einen
hemmungslosen Exhibitionismus.
Die jungen User wähnen ihre Generation im Netz unter sich. Eltern und Lehrer
ahnen wohl kaum, wie umfangreich das außerfamiliäre Leben ihrer Schützlinge
in Text, Bild und Youtube-Videos dokumentiert und abrufbar ist. Von
mangelnder Medienkompetenz kann bei den Nutzern der Social Networks jedoch
keine Rede sein: Ganz selbstverständlich wird hier mit den Erwartungen der
angepeilten Besucher gespielt und mit Hilfe von Bildmanipulation,
Videoschnipseln und selbst angepassten Websites ein ausgefeiltes
virtuelles Ich
konstruiert.
Die Vorteile einer geschickten, auf die Altersgenossen optimierten
Selbstdarstellung liegen auf der Hand. Eine eindrucksvoll
zusammengeschusterte Online-Identität öffnet den Weg zu Bekanntschaften, die
man sonst womöglich nie gemacht hätte. Um die Aufmerksamkeit auf das eigene
Profil zu lenken, wird mit Übertreibungen, Peinlichkeiten und nackter Haut
nicht gegeizt. Das anvisierte Publikum – Freunde, potentielle Flirt-Partner,
alte Schulfreunde – kann ruhig sehen, was für ein toller Typ man eigentlich
ist.
Diese Flut selbstdarstellerischer Bilder zeitigt bedenkliche Phänomene.
Unlängst wurde von Bloggern eine StudiVZ-Gruppe angeprangert, die sich zum
Ziel gesetzt hatte, die attraktivsten weiblichen Profilfotos zu küren –
durch massenhaftes „gruscheln“ der ausgewählten Frauen. Derartige
Stalking-Attacken erscheinen zwar vergleichsweise harmlos neben der allzu
oft heraufbeschworenen
Horrorvision des Vergewaltigers aus dem
Internet. Doch wird deutlich, was bei der munteren Identitätsbastelei
offensichtlich unterschätzt wird: die Publika sind divers, die Anonymität
nur ein Trugschluss. Veröffentlichte private Informationen bleiben nicht dem
Freundeskreis vorbehalten, sondern werden auch von Neugierigen frequentiert
– oder von Entscheidungsträgern. Nicht nur Gleichgesinnte besuchen die
eigene Webpräsenz, vielleicht auch Professoren oder zukünftige Arbeitgeber.
Und wer stellt schon gerne jemanden ein, der Mitglied in der Gruppe „Wir
trinken Bier nur an Tagen die mit 'g' enden. Und Mittwochs“ ist? Gerade im
StudiVZ erstaunt es, wie wenige der Studierenden damit zu rechnen scheinen,
dass Personalchefs ihren Namen eingeben könnten,
um die makellose Bewerbung zu durchleuchten.
Gerade auf diese Möglichkeit hat es eine andere Plattform abgesehen:
Xing,
früher OpenBC, ist die seriös in grau-grün gehaltene Variante des Social
Networkings. Die in die Jahre gekommene erste Internetgeneration vertreibt
sich hier die Zeit und glänzt auf ihren Profilseiten mit Berufserfahrung,
Sprachkenntnissen und Auslandsaufenthalten. Professionelles Netzwerke
basteln ist angesagt, um die Karriereleiter möglichst schnell hochzusteigen
und Aufträge oder Jobs zu generieren. Dafür geben mittlerweile rund vier
Millionen Nutzer bereitwillig an, was sonst nur diskret als Lebenslauf auf
dem Tisch des Personalchefs landet.
Die Hemmschwelle, auch empfindliche persönliche Informationen im Netz
preiszugeben, ist niedrig. Von dem Bedürfnis der User, auf unterschiedlichen
Profilen zahlreichen Informationen über sich selbst einzustellen,
profitieren so genannte People-Suchmaschinen. So funktioniert das noch in
der Betaphase laufende Projekt
Spock.com wie eine Suchmaschine, hat sich allerdings auf die
Suche nach Menschen spezialisiert. Die Ergebnisseiten werden in Form von
Profilen dargestellt, die alle öffentlich verfügbaren Daten zu einer Person
bündeln. Die wichtigsten Quellen: Social Networks wie Myspace, Facebook oder
Xing. Zwar liefert die Suche bisher fast ausschließlich bei prominenten
Persönlichkeiten brauchbare Ergebnissen, aber das Ziel ist klar: Möglichst
umfassend private Informationen aus dem Netz zu sammeln, den richtigen
Personen zuzuordnen und diese auf einen Klick auffindbar zu machen.
Ergänzend zu den automatisch generierten Suchergebnissen sollen die Benutzer
helfen, die Ergebnisse zu optimieren: User können Informationen über
Personen hinzufügen und ihnen Schlagworte zuordnen.
Problematisch an Spock.com ist vor allem, dass hier Personenprofile ohne
Zutun und in den meisten Fällen ohne das Wissen der dargestellten Personen
entstehen. Während jemand ahnungslos in diversen Social Networks
Urlaubsfotos und berufliche Daten einträgt, verwertet Spock.com die
Informationen weiter, um ein umfassendes Bild der Person zu erstellen.
Denkbar wäre, dass andere User das Profil um diffamierende Schlagwörter oder
verleumderische Angaben zur betroffenen Person ergänzen: Digitaler Rufmord
leicht gemacht.
Spock.com versteht sich durchaus als Dienstleister. Es wird vorsorglich für
jeden goooglebaren Menschen eine eigene Profilseite erstellt – wenn der
Abgebildete sich dann wieder findet, umso besser: Er kann sich gleich
anmelden und Informationen beitragen. Natürlich kann auch die Löschung des
Profils beantragt werden, in erster Linie sei der Nutzer aber selbst dafür
verantwortlich: Man solle doch zunächst seine Profile auf anderen
Plattformen unzugänglich machen und damit Spock.com die Quelle abgraben, rät
die Seite. Das Konzept von Spock.com wirkt bedrohlich und vereinfacht
Missbrauch und schlechte Nachrede, ist aber nicht grundsätzlich neu.
Spock.com schöpft lediglich aus vorhandenen Daten, die bisher schon über
Google und andere Suchen zu erreichen waren. Immerhin führt Spock.com
eindrucksvoll vor, wie freiwillig gemachte Angaben zum Privatleben plötzlich
ohne Einwirken des Urhebers in neuen Kontexten durchs Netz kursieren.
Sicher schärfen Entwicklungen wie Personensuchmaschinen das Bewusstsein für
den angemessenen Umgang mit Privatem im Internet; nicht nur mit persönlichen
Daten, sondern auch mit spontanen emotionalen Ausbrüchen in Blogs oder
Foren. Prominentes Beispiel ist Thomas Hawk, Geschäftsführer des
Flickr-Konkurrenten
Zooomr,
der seine Glaubwürdigkeit mit polemischen Äußerungen und Bemerkungen
über seinen Alkoholkonsum im Forum des
Fotoportals in Frage stellte.
Zirkuliert eine unbedachte Äußerung erst im Netz, ist sie kaum wieder
einzufangen. |
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Ausgabe
53
Alles ist durchleuchtet
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Editorial von Björn Brückerhoff
Interview mit
Peter Glaser:
Datenschutz ist
ungeil
Auf der Suche nach dem
Online-Ich
Die Nadel im Heuhaufen
Verbraucher kommen zu kurz
Mündige Verbraucher verirrten
sich...
Die freiwillige Entblößung
Sicherheit = Datensicherheit?
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