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Mündige Verbraucher verirrten sich im Wald...  
Text: Christian Schnorfeil     Bild: Kristina Schneider  

 

Hänsel und Gretel aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm machten es vor – mit Hilfe einer Fährte aus Brotkrumen markierten sie ihren Weg. So wollten sie, von den Eltern ausgesetzt, sicher wieder nach Hause finden.

Mittlerweile tun fast ein Drittel der Verbraucher in Deutschland dasselbe. Sie markieren ihre Fährte mit digitalen Brotkrumen und so lässt sich ihr Weg – zumindest theoretisch – schnell rekonstruieren. Der wesentliche Unterschied zu Hänsel und Gretel besteht lediglich darin, dass die Verbraucher sich dessen vielfach nicht bewusst sind. Denn die Brotkrumen unserer Zeit werden anders abgesondert – zum Beispiel durch die so genannten Payback-Karten.

Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2006 konnte in 32 Prozent aller deutschen Geldbörsen eine solche Karte vorgefunden werden. Hinter Payback steht das Münchener Unternehmen Loyalty Partner GmbH. Sie betreibt das hierzulande größte Rabattkarten-System, neben dem noch andere Anbieter existieren. Seit 2004 ist das Wort „Payback“ sogar im Duden gelistet. Dass Payback in der deutschen Übersetzung neben „Rückerstattung“ aber auch „Heimzahlen“ oder „Rache“ heißen kann, soll uns nicht weiter sauer aufstoßen.

Bei den Kunden- oder Rabattkarten handelt es sich um ein raffiniertes Kundenbindungsinstrument – das so neu gar nicht ist. Bis in die 1970er Jahre hatte man in Deutschland schon Lust auf Wertmarken in Form von kleinen Sammel- und Eintausch-Coupons, bis diese von anderen Werbeinstrumenten verdrängt wurden.

Doch jetzt sind sie wieder da, zumeist bunt, elektronisch und im Scheckkartenformat. Die Funktionsweise ist ganz einfach. Die Kundenkarten bekommt man beispielsweise direkt von Payback oder von den Partnerunternehmen aus allen möglichen Konsumbereichen. Das was der Kunde an der Kasse eines Unternehmens ausgegeben hat, wird bei Vorlage der Karte nun zu (Bonus-)Punkten, einer virtuellen Scheinwährung, umgerechnet. Dabei können unterschiedliche Schlüssel angewendet werden. Gängig ist die Vergabe eines Punktes pro ausgegebenen Euro.

Die Aussage ist klar: Wer mit der Karte einkauft, der hat einen Vorteil und damit Zugang zu einem exklusiven Kreis von privilegierten Sparfüchsen. Denn die angesammelten Punkte tauscht man entweder gegen bares Geld oder Prämien wie Toaster, Kaffeemaschine und Digitalkamera. So soll der Kunde langfristig an die teilnehmenden Partnerunternehmen des jeweiligen Kartensystems gebunden werden.

Anscheinend macht es dem einen oder anderen ja sogar Spaß – zumindest wenn man dem Erfinder des Payback-Programms, Alexander Rittweger, Glauben schenken mag. Der ist von seiner Idee jedenfalls überzeugt. Bonuspunkte zu sammeln, so Rittweger in einem Interview auf der Firmenseite, liege demnach in der Natur des Menschen. Da muss man sich fragen, wie die Menschheit so lange ohne Bonuspunkte überleben konnte.

Doch nicht nur über den Sinn einer solchen Karte kann diskutiert werden – auch Datenschützer melden seit Jahren ihre Bedenken an. Große Mengen an Informationen über das Konsumverhalten der Nutzer werden über die Karten gesammelt und ausgewertet – wenn der Kunde keinen Widerspruch gegen die „Erlaubnis zur weitergehenden Verwendung der gespeicherten Daten“ eingelegt hat. Doch oftmals ist das gar nicht so leicht ersichtlich und Hinweise sind wahrlich klein gedruckt. Passagen müssen an der richtigen Stelle gestrichen werden, um nicht in die Verwertungs-Maschinerie der Werbung zu geraten. Ist man aber ein passionierter Verfechter der freien Datenweitergabe, dann kann man sich in Aufnahme-Formularen vollends austoben – denn nicht nur Namen und Adressen werden erfragt. Auch Daten, die über reine Grundangaben hinausgehen, können freiwillig hinterlegt werden. Payback interessiert sich zum Beispiel gleich auf seiner Online-Anmeldung für Familienstand und Haushaltsnetto-Einkommen. Hier wird bereits angedeutet, wohin die Reise gehen könnte. Denn für die Unternehmen ist jede Information über den Kunden bares Geld wert. Je exakter die Angaben, desto besser lassen sich Marketinginstrumente damit füttern, desto genauer lassen sich Zielgruppen für einzelne Produkte bestimmen. Kundendaten sind dabei schon lange zu einem wirtschaftlichen Gut geworden, das bei gewerblichen Auskunfteien eingekauft werden kann. So ist es nicht verwunderlich, wenn die freiwillige Informationsabgabe des Kunden mit weiteren Bonuspunkten honoriert wird. Verschenken muss man solche Informationen wahrlich nicht.

Den Unternehmen kann es jedenfalls nur recht sein, wenn sich viele Nutzer gar nicht erst die Mühe machen, der Datenverwertung zu widersprechen, oder überhaupt die Geschäftsbedingungen zu lesen. Bei Payback entscheidet sich gerade einmal jeder Fünfte für den Widerspruch, so jedenfalls die Unternehmensangaben. Bei dem Programm „Happy-Digits“, dem direkten Konkurrenten von „Payback“, sind es sogar unter 10 Prozent.

Die Frage ist wie immer, was mit den Daten eigentlich geschieht, die die Unternehmen durch Kundenkarten sammeln können. Von einem intensiven Nutzer dieser Rabattprogramme kann im Laufe der Zeit ein interessantes Profil zustande kommen. Wann wurde wo das Auto getankt? Welche Produkte wurden im Supermarkt gekauft? Wohin ging die letzte Urlaubsreise und welchen Mietwagen konnte sich der Kunde leisten? Sogar für die Online-Bestellung von Blumen darf die Kundenkarte benutzt werden. Die Unternehmen, die sich an den Karten-Systemen beteiligen, sind längst in allen denkbaren Branchen angesiedelt – online sowie offline. Die Datensätze, die daraus zusammengestellt werden können, dürften jedem engagierten Datenschützer die Tränen in die Augen treiben. Nicht nur ergibt sich so ein exaktes Bild über die präferierten Produkte der Kunden, sondern nach und nach auch über die Einkommenssituation und den Tagesablauf im Alltag und Urlaub.

Doch wie genau schauen die Datensammler hin? Das ist eine Frage, die nur schwer zu beantworten ist. Dass Informationen zu Einzelprodukten dem Kunden zugeordnet werden können, davon ist seitens der Unternehmen nicht die Rede. Laut Payback soll die Datenspeicherung nur einen Rückschluss auf Produktgruppen ermöglichen. Wie es wirklich auf den Festplatten der Unternehmen aussieht und was tatsächlich gespeichert wird oder nicht, bleibt ein großes Geheimnis.

Einen guten Hinweis was alles schief laufen kann, gibt unterdessen der so genannte Big Brother Award. Dieser Negativ-Preis wird alljährlich vom dem „Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.“, kurz FoeBuD, ausgelobt. Er wird an Unternehmen und Organisationen verliehen, die nach Meinung des Vereins missbräuchlich mit Technik und Informationen umgegangen sind. Der Preis im Bereich „Kommunikation“ ging im Jahr 2007 beispielsweise an die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für den Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. In anderen Bereichen tummeln sich aber auch viele Unternehmen der Privatwirtschaft, die sich mit Speicherung und Weiterverkauf von persönlichen Kundendaten für den Preis qualifizieren konnten. Aber die Datenschützer raten ja schon seit jeher, mit den eigenen Daten hauszuhalten.

Am Ende lobt man sich dann vielleicht doch anachronistisch-analoge Rabattkarten, die ein bisschen an das vor-computerisierte Zeitalter der 70er Jahre erinnern. Man findet sie zum Beispiel noch beim Pizzabäcker gegenüber. Für jedes Gericht einen Stempel auf das kleine Rabattkärtchen und für den zehnten gibt’s ein Gratisessen. Einsparpotenziale von bis zu 10 Prozent! Daran sollte sich der Einzelhandel mal ein Beispiel nehmen. Und auch das Risiko in Sachen Datenschutz ist überschaubar. Im Extremfall begrüßt uns der Pizzamann bald augenzwinkernd mit dem Satz „Das Gleiche wie immer, Chef?“. Und mit einem Nicken drücken wir grinsend unsere Zustimmung aus. Denn nur im Kleinen fühlen wir uns manchmal ganz wohl, so als gläserner Mensch.