Text: Marcus Bölz
Wie relevant ist authentische Kommunikation beim Start von Innovationsprozessen in Redaktionen?
Der Start innovativer Prozesse beginnt häufig mit der Unzufriedenheit über den Status Quo. Beim redaktionellen Erneuern ist es von hoher Relevanz, dass die Beteiligten ihr Verhalten früh auf sich verändernde Situationen anpassen. Dies gilt insbesondere für Redaktionsleiter, die Innovation managen müssen. Ein Zitat von Alfred Herrhausen macht dabei die Wichtigkeit einer authentischen Kommunikation deutlich: „Ich sage, was ich denke und ich tue, was ich sage“. Bedeutet: Als Redaktionsleiter ist es von hoher Relevanz, nicht nur von Authentizität zu reden, sondern die gesagten Worte auch in konkretes Agieren umzuwandeln. So schafft er eine gelebte Kultur der Weiterentwicklung. Studien belegen dabei ganz klar: Um eine Kultur der Innovation tatsächlich zu implementieren, benötigt es Menschen, die am Arbeitsplatz nicht als Duckmäuser oder gar dressierte Äffchen ihrer Vorgesetzen agieren, sondern die fachliche Kompetenz, die Vielfalt der Herangehens- und Sichtweisen, sowie die Fähigkeit zur Kombinatorik klug miteinander verknüpfen und kommunizieren können. Unsere Vermutung: Diese Ergebnisse könnten Insbesondere im Journalismus ebenfalls relevant sein.
Bedenken Sie: Nicht jeder Innovationsprozess wird von Journalisten mit Applaus begrüßt. Teilweise erleben Arbeitnehmer Veränderungsprozesse in ihrem gewohnten Jobumfeld traumatisch. Allerdings gibt es ebenfalls Journalisten, welche mit viel Überzeugung und Energie ein redaktionelles Produkt und deren Prozess erweitern oder erneuern möchten. Welche Persönlichkeitsmerkmale weisen innovative Menschen laut des aktuellen Forschungsstandes auf? Die Arbeits- und Organisationspsychologie hat sich mit dieser Frage intensiv beschäftigt und in Studien klar belegt, dass innovative Persönlichkeiten sich durch Offenheit für neue Erfahrungen sowie eine hohe Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit auszeichnen.
Zudem konstatieren die Forscher eine hohe Persistenz, eine hohe Selbstakzeptanz, eine ausgeprägt ambitionierte Einstellung sowie eine geringe Gewissenhaftigkeit (Patterson 2002). Ihr Verhalten ist sehr häufig geprägt von geringer Konventionalität, Impulsivität, Dominanz und divergentem statt konvergentem Denken und Agieren in Problemlösungsprozessen. Der Psychologe Weldon belegt zudem, dass innovative und kreative Menschen häufig aus einer Minderheitenposition heraus gegen den Strom persistent und gegen Widerstände in der Organisation an Plänen, die sie für gut und innovativ einschätzen, festhalten (Weldon 2000; Sternberg und Lubart 1991). Diese werden mit einem hohen Maß an Selbstsicherheit, Kontrollerwartung und Experimentierfreude umgesetzt – zumindest werden innovative Persönlichkeiten versuchen, ihre Pläne so zu realisieren (Frese et al. 1999). Wer als Personalverantwortlicher auf der Suche nach innovativen und kreativen Journalisten ist, sollte in den Gesprächen mit den Bewerbern gezielt auf diese Eigenschaften achten. Für die Führung innovativer Mitarbeiter ist es aber wichtig zu verstehen, dass diese nicht notwendigerweise sämtliche der aufgezählten Persönlichkeitsmerkmale ähnlich ausgeprägt entwickelt haben. Manch ein hochinnovativer Journalist hat nicht die Persistenz, seine guten Ideen gegen einen Redaktionsleiter durchzusetzen. Insbesondere, wenn dieser Führungsverantwortliche eher daran interessiert ist, seine Position und Arbeitsweise zu verfestigen, anstelle redaktionelle Strukturen, Dienstleistungen oder Produkte qualitativ infrage zu stellen. Unsere Vermutung: Als Führungsverantwortlicher vor allem in sehr rangorientiert aufgebauten Medienhäusern sollte man zunächst beobachten, wie Mitarbeiter dort insgesamt geführt werden.
Welche Rolle spielen monetäre Anreize, um die Innovationsbereitschaft von Journalisten zu steigern?
Gelingt es den Chefs beispielsweise, für Journalisten ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem eine Redaktion eine Heimat sein kann? In der sich Menschen wohlfühlen und über gemeinsame Erfolge freuen? Sehr häufig sind es laut Forschungsstand keine monetären Anreize, die Menschen dazu bringen, sich in Arbeitseinheiten kreativ und innovativ zu verhalten. Die Forschung zeigt, dass Innovation häufig von immateriellen Einflüssen bestimmt wird. Ulrich und Thom belegen mit ihren Studien, dass der Wille zur Mitgestaltung, die Möglichkeit zur Kosteneinsparung, im Journalismus vielleicht die Identifikation mit der redaktionellen Dienstleistung oder dem Produkt (und der häufig damit verbundene Wille zur Qualität), das Erkennen von potenziellen Arbeitserleichterungen oder sonstigen Optimierungen des Workflows wie der Erhöhung der Zeit für die Recherche der Mitarbeiter häufig zu sinnvollen Innovationen motiviert. Diese Gestaltungsoptionen, sowie Aspekte der Entwicklungsmöglichkeiten sind häufig auch sehr gute Argumente bei der Akquise innovativer Mitarbeiter. Es wäre zu prüfen, ob dies auch für Journalisten gilt.
Demgegenüber gelten trotz besserer Bezahlung Gleichgültigkeit von Führungspersonen, eine rangorientierte Organisationskultur, Furcht vor Nachteilen durch die organisationsöffentliche Formulierung von Verbesserungsvorschlägen als klassische Innovationshemmer (Thom 1996; Ulrich 1998). Amabile belegt wissenschaftlich valide, dass die Förderung intrinsischer Motivation, die gezielt den Spaß an der eigenen Kreativität, Enthusiasmus für die Aufgabe oder das Meistern von Herausforderungen fördert, die wichtigste Antriebskraft für innovatives und kreatives Verhalten in Organisationen ist (Amabile 1996). Gilt dies auch für Redaktionen? Extrinsische Motivatoren (wie beispielsweise monetäre Gratifikationen, Karrieregründe, Image) schneiden dagegen vor dem Hintergrund ihrer Auswirkung auf innovatives Verhalten am Arbeitsplatz uneinheitlich ab. Amabiles Studien zeigen auch klar auf, dass sich extrinsische Motivatoren eher negativ auf die Kreativität von Mitarbeitern auswirken (Amabile 1988). Sie haben mitunter aber einen positiven Einfluss auf die Quantität des Einreichens von Verbesserungsvorschlägen (Nickel und Krems 1998). Monetäre Anreize spielen nur eine geringe Rolle – zu dieser Schlussfolgerung kommen Frese und Ulrich in ihrer Untersuchung (Frese et al. 1999; Ulrich 1998). „Bei extrinsischen Motivatoren ist wichtig, in welcher Form und welchem Kontext sie erscheinen. Werden Belohnungen zum Beispiel als Instrumente wahrgenommen, die das eigene Verhalten kontrollieren und fremdbestimmen sollen, unterminieren sie intrinsische Motivation und wirken sich negativ aus. Signalisieren sie hingegen Kompetenz und Anerkennung, fördern sie kreatives und innovatives Verhalten“ (Frey et al. 2006).
Zudem gilt: Eine in Erfahrungen, Kenntnissen und Charakteren vielfältig aufgestellte Redaktion ist nicht immer einfach zu führen. Forscher der Arbeits- und Organisationspsychologie haben sich dezidiert mit dem Einfluss des Teamklimas auf den Innovationsgrad von Unternehmen auseinandergesetzt. Vier kreativitäts- und innovationsförderliche Dimensionen hat West dabei identifiziert: Partizipative Sicherheit, Innovationsunterstützung, Aufgaben- und Leistungsorientierung, vor allem aber die Dimension „Visionen“ (West 1990). Diese Faktoren wurden stabil in zahlreichen Untersuchungen bestätigt. Es gibt klare Zusammenhänge zwischen den benannten Teamklima-Komponenten und dem individuellen, innovativen Verhalten am Arbeitsplatz (West und Anderson 1996; West et al. 2003; Brodbeck und Maier 2001). Gerade diese Ergebnisse dokumentieren, wie relevant eine professionelle Mitarbeiterführung für den Innovationsgrad eines Medienhauses ist. Frey und seine Kollegen vergleichen die Führungsfähigkeiten mit denen eines Dirigenten: „Die Führungsperson muss sich quasi wie ein Dirigent verhalten, der nicht mit Brachialgewalt seinen Willen durchsetzt, sondern dem es gelingt, Menschen – darunter teilweise auch schwierige Charaktere – aus unterschiedlichen Disziplinen und Kulturen zusammenzuführen und sie für Höchstleistungen und Innovationen zu begeistern“ (Frey et al. 2006).
Welche Rolle spielt die interne Kommunikation in der Führung innovativer Sportredaktionen?
Die Führung innovativer Teams – und dies gilt mit Sicherheit auch für Redaktionsteams - erfordert ein hohes Maß an Inspiration und Überzeugungskraft. Wer Einsatz und Veränderungsbereitschaft von seinen Mitarbeitern einfordert, muss kommunizieren und darf sich nicht in seinem Büro verstecken. Journalisten müssen verstehen, wonach die Redaktionsleitung strebt und warum diese Haltung sinnvoll ist. Führungskräfte unterstützen innovative Prozesse in Redaktionen, wenn sie prinzipiell Sinn und Visionen vermitteln.
Sie sollten Journalisten einerseits die Möglichkeit eröffnen, ihre Tätigkeit als bedeutsam und insgesamt sinngebend oder sinnstiftend wahrzunehmen. Zudem sind Führungskräfte laut dem Forschungsstand der Organisationspsychologie für ihre Mitarbeiter Orientierungslotsen, die klare Ziele vorgeben müssen. Sie sollten eine klare Vorstellung davon haben, wie sich beispielsweise Abteilungen weiterentwickeln sollen. In dieser Gemengelage muss der Mitarbeiter sein Tun in das übergeordnete Ganze eingruppieren können. Die zwei Komponenten können dabei schlagwortartig so zusammengefasst werden:
Wer Leistung fordert muss Sinn bieten.
Nichts hat Bestand, was nicht gut begründet werden kann.
Hackman und Oldham belegen mit ihren arbeitspsychologischen Studien einen positiven Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit der Aufgabe mit einem positiven Emotionserleben, einer ausgeprägten Arbeitszufriedenheit, erzielter Kreativität und Innovation, sowie einer hohen intrinsischen Motivation (Hackman und Oldham 1976). Die Gültigkeit ihrer Ergebnisse wurde in zahlreichen weiteren Studien überprüft und stets bestätigt (Saavendra und Kwun 2000; Champoux 1991). Das inzwischen zur Plattitüde gewordene Zitat von Altkanzler Helmut Schmidt, dass wer Visionen hat zum Arzt gehen sollte, gilt somit für Führungskräfte in innovationsfreundlichen Organisationen überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die Vermittlung von Visionen und Sinn bildet einen zentralen Bestandteil bei Führungstheorien, wie beispielsweise dem Prinzip der transformationellen Führung, der visionären Führung oder der charismatischen Führung (dazu intensiver: Bass 1998). Dies sind Erkenntnisse, die auch auf den Journalismus übertragen werden können, aber noch in keiner Studie genau überprüft wurden.
Ähnlich wie der Begriff der Nachhaltigkeit wabert der in den vergangenen Jahren zum Modewort gedehnte Begriff der „Transparenz“ durch die Flure von Medienhäusern und anderen Unternehmen. Trotz der Unschärfe, mit der in jüngster Vergangenheit der Begriff häufig verwendet wurde, ist das generelle Prinzip der Transparenz tatsächlich sehr wichtig für Führungskräfte innovativer Betriebe. Nur Mitarbeiter, die ausreichend informiert sind, können verantwortlich und zukunftsorientiert agieren. Doch nicht nur das: Führungskräfte sollten im besten Falle ihre Mitarbeiter über den konkreten Arbeitsbereich hinaus mit relevanten Nachrichten aus der Organisation versorgen. Frey und Jonas nennen dieses Prinzip die Theorie der kognizierten Kontrolle (Frey und Jonas 2002). Ihre bestätigte Grundannahme: Der Mensch strebt am Arbeitsplatz nach Vorhersehbarkeit und Erklärbarkeit. Wenn jetzt beispielsweise ein Ressortchef Sport eines Medienhauses bewusst keine Kultur der Transparenz von Informationen lebt (beispielsweise aus Angst um den Verlust des eigenen Ranges oder der Identifikation ambitionierter Angestellter, die kompetenter sein könnten als man selbst), so führt dies belegbar zu einer innovationsfeindlichen und -abblockenden Organisationskultur.
Entscheidend ist dabei der reibungslose Informationsaustausch zwischen Mitarbeitern und ganzen Abteilungen mithilfe einer professionellen Informations- und Kommunikationspolitik, um die Bereitschaft zu erhöhen, lösungszentriert zu agieren statt Blockaden zu identifizieren, zu thematisieren und in der Konsequenz so die Motivation der Mitarbeiter systematisch abzuwürgen. Offene Kommunikation ist eine zentrale Voraussetzung für Innovation im Speziellen und Kreativität im Allgemeinen.