Die neuen Alten
Text:
Stefan Nicola
Bild: Photocase.de
Uwe Seeler, Udo Jürgens, und
Ilse Pätau. Unsere Senioren.
Die Herren kennen sie. Madame Pätau, heute im 81. Lebensjahr, wurde vor 18
Monaten zur ersten Miss Senior Berlin gekürt. Als Preis erhielt die flotte
Dame einen Model-Vertrag.
An solche Events wird man sich gewöhnen müssen. Im
Jahr 2050 wird jeder Dritte in Deutschland 60 Jahre oder älter sein. Das
errechnete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden im vergangenen Jahr. Die
knapp 19 Millionen Köpfe zählende Seniorentruppe hat schon heute eine
Kaufkraft von rund acht Millionen Euro im Monat.
Und die Milleniums-Oma unterscheidet sich nicht nur optisch ganz gewaltig
von der Großmutter der 70er Jahre, meint Ursula Lenz von der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO),
einem Dachverband von 86 deutschen Seniorenorganisationen. Laut Lenz legen
die „neuen Alten“ ein stark verändertes Konsumverhalten an den Tag.
„Senioren wollen so lange wie möglich selbständig bleiben, und sind
inzwischen auch immer mehr bereit, Geld dafür auszugeben“, sagt Lenz.
Bildungsausflüge und Wellness-Reisen statt Urlaub auf Balkonien und
Sparstrümpfen. Und nebst dem Genussbedürfnis steigt auch der Wille, in den
eigenen vier Wänden besser leben zu können. Deshalb werde immer mehr in
Pflegeprodukte und altengerechte Einrichtungen investiert.
Klar, dass da die Wirtschaft reagiert. „Im Vergleich
von vor fünf, sechs Jahren hat sich schon sehr viel getan“, sagt Lenz, und
zeigt dennoch gleich die Missstände auf: „Es reicht
noch nichts aus. Produkte für Ältere müssen nicht unbedingt
‚seniorengerecht’ sein, sondern einfach benutzerfreundlicher. Dann
profitieren doch alle.“
Manche Unternehmen haben das erkannt. So bietet Siemens eine neue
benutzerfreundliche Waschmaschine an: Sie verfügt über ein
großes, kontrastreiches
Display, und Tasten, die mit blauen Leuchtringen unterlegt sind. Bei
Fehlern, Start und Stopp des Waschgangs ertönen akustische Signale. Die
Maschine denkt mit, und hilft, Waschunfälle zu vermeiden: so verhindert ein
interner Mechanismus, dass Omas Wollpullover bei 90 Grad gewaschen wird.
Bücken muss man sich bei der Waschmaschine nicht mehr, denn die
Einfüllöffnungen sind alle soweit oben wie möglich angebracht.
Doch bei Produktverpackungen liegt nach einer Studie der BAGSO noch einiges
im Argen. Sieben von zehn Senioren finden, dass das Haltbarkeitsdatum auf
Verpackungen schlecht lesbar ist. Die gleiche Anzahl Senioren hat beim
Öffnen von eingeschweißten Produkten Probleme.
Gerade Elektronikgeräte, wie DVD-Player und
Stereoanlagen, bereiten den Senioren noch immer einiges Kopfzerbrechen. So
sind den meisten Senioren laut Studie des
Sozialverbandes
VdK Tasten dieser Teufelsmaschinen aus dem
20. Jahrhundert zu klein. Sieben von zehn ältere Menschen legen laut Studie
beim Kauf Wert auf eine leichte Handhabung, und nur zwölf
Prozent achten auf die Marke des Produkts.
Die Ösi-Firma Emporia Telecom hat reagiert. Auf der Cebit 2005 stellte das
30-Mann-Unternehmen aus Linz ein Großtastenhandy
(neudeutsch: "Big Button
Phone") vor. Wie der Name schon sagt hat das Handy große Tasten und wenig
Funktionen. Opa kann telefonieren, gar eine SMS schreiben, aber der
„überflüssige Schnickschnack“ (Kamera, Organizer, Computer-Spiele) hat einem
übersichtlichen, ja simplen Design Platz gemacht.
Auch die Dienstleister werden immer mehr auf die neuen Alten aufmerksam.
„Lange machte TUI kaum Unterschiede zwischen Jung und Alt. Mittlerweile hat
das Unternehmen auch die ältere Generation als Zielgruppe mit speziellen Bedürfnissen
entdeckt“, sagte TUI-Sprecher Robert Zimmermann der Agentur für
Generationen-Marketing. Seit November 2003 bietet TUI verstärkt
Seniorenreisen an.
Mit gutem Grund, denn die Senioren sind wirklich mobil. Die Gruppe 50
plus machte im Jahr 2003 43,6 Millionen Zugreisen, errechnete die Deutsche
Bahn. Beliebtestes Reiseziel – wer hätte das gedacht – ist Bayern.
Übrigens werden sich Unternehmen auf eine weitere kaufkräftige
Seniorengeneration gefasst machen müssen. Die Babyboomer, man mag es kaum
glauben, sie kommen ins Alter. Und das mit der Erfahrung von vier
Jahrzehnten Powerkonsum.
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