TITELTHEMA
Göttliche Hilfe für Markenmanager


TEXT: BJÖRN BRÜCKERHOFF
BILD:
DAMIEN LEPETITGALAND


Prominente in der Werbung sind allgegenwärtig. Doch passt der Markenmensch nicht zum Produkt, bleibt der Erfolg der Werbung aus. Auf der Suche nach der richtigen Kombination von Mensch und Marke sind Unternehmensberater jetzt fündig geworden. In der griechischen Mythologie.

Für die Erkenntnis, dass Alfred Biolek Werbung für Rotwein machen könnte, braucht es keine Unternehmensberater. Auch dass Mika Häkkinen für ein Auto wirbt, kann nicht verwundern. Ein Reifenhersteller könnte ebenso Erfolg mit ihm haben. Doch warum Franz Beckenbauer für Strom, Mobilfunk und die Postbank werben kann, aber nicht für Rahmspinat oder L'Oréal, scheint schwieriger zu beantworten. Und überhaupt: warum gilt Günther Jauch als Allzweckwaffe, der so unterschiedliche Marken wie Krombacher oder die SKL glaubwürdig vertreten kann und auch sonst fast jedem Fernsehformat mit seinem intelligent-charmanten Image die nötige Aufmerksamkeit verleiht?

Also: Welcher Markenmensch passt zu welchem Produkt? Dieser Frage geht die Unternehmensberatung McKinsey nach. Die Berater wollen die diffusen Entscheidungen, die einem Produkt ein prominentes Gesicht zuordnen, berechenbarer machen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn das Brand Personality Gameboard, so die schicke Bezeichnung des Verfahrens, berücksichtigt die öffentlich wahrgenommenen Eigenschaften von Marken und vergleicht diese dann systematisch mit dem Image von Prominenten. Das Bauchgefühl verliere an Bedeutung, so die Berater. Nicht zu unterschätzen ist sicherlich auch der Argumentationsvorsprung gegenüber Vorstandsvorsitzenden, die die Rolle im Werbespot gerne nach persönlichen Vorlieben besetzen ließen.


Die Marketing-Professorin Jennifer Aaker von der Stanford-Universität hat bereits 1997 15 Facetten einer Markenpersönlichkeit ermittelt. Aakers Daten beruhten jedoch auf Forschungen, die im amerikanischen Kulturraum entstanden waren. Die Unternehmensberater mussten daher die Daten Aakers auf ihre Anwendbarkeit in Deutschland testen. In aufwendigen Marktforschungsverfahren konnten die Kernfacetten übertragen werden. Dabei kam den Experten die griechische Mythologie zu Hilfe. Denn dort, sagt Fabian Hieronimus vom Frankfurter Büro der Beratungsfirma, lassen sich Kernpersönlichkeiten identifizieren, sozusagen die Archetypen der Persönlichkeiten. 

Konsumenten neigen dazu, menschliche Charaktereigenschaften auf Marken zu übertragen. Das erleichtert die Kommunikation und schafft Vertrauen. Man vertraut nur dem, den man kennt, und man ist nur dem treu, dem man vertraut, sagt Heribert Meffert, emeritierter Marketing-Papst der Universität Münster und jetziger Vorsitzender der Bertelsmann-Stiftung. Wenn es gelingt, der Marke eine menschliche Erscheinung zu verleihen, schafft das Loyalität beim Kunden.
 
In einem Experiment der Unternehmensberatung sollten sich 24 Teilnehmer, Grundkenntnisse der griechischen Mythologie vorausgesetzt, nach und nach im Raum positionieren. Zeus als Herrscher und Göttervater, also im übertragenen Sinne charismatischer Machtmensch mit Silberrücken-Status, markierte das Zentrum. Mit jedem weiteren Probanden, der den Raum betrat, ließen sich zunehmend präzise menschliche Facetten zuordnen und mit jenen Attributen vergleichen, die im Rahmen der Marktforschung den Marken zugeordnet worden waren. Die vier Kernfacetten sind Vernunft, Geist, Kraft und Lust. Dazwischen liegt eine Vielzahl von speziellen Eigenschaften, zum Beispiel wohlerzogen, freiheitsliebend, vornehm oder authentisch. Dionysos-Typen zum Beispiel sind wankelmütig und schöngeistig, Apollon-Typen belesen und kultiviert, Ares-Typen dagegen draufgängerisch, hemmungslos und mutig.

 
Bislang wurden 60 Prominente und rund 40 Marken in das Markenpersönlichkeits-Spielbrett integriert. Mit jedem weiteren Element steigen Komplexität und Treffsicherheit. Auf dem Spielfeld entstehen immer weitere Punkte, die Marken und Persönlichkeiten symbolisieren. Liegen diese nahe beisammen, könnten sie gut füreinander sein. So ergibt sich, dass Alfred Biolek optimal für die Biermarke Radeberger werben könnte, denn beide Marken werden als vornehm und wohlerzogen eingestuft. Schade nur, dass er aufgrund anderer Faktoren nicht in Frage kommt. Biolek trinkt Wein, kein Bier.

So betrachtet, ist das Spielbrett sicher kein Freifahrtschein zur erfolgreichen Markeneinführung. Das räumt auch McKinsey ein. Das Verfahren lässt sich aber einsetzen, um grundsätzliche Ähnlichkeiten zwischen Marken und Menschen festzustellen. Für konkrete Entscheidungen zum Start einer Marke sei weitaus mehr Analyse notwendig. Und etwas Bauchgefühl.

 


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AUSGABE 32
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EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
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