PERSPEKTIVEN
Superstar als
Super-Gewinnquelle
TEXT:
MATTHIAS
KURP
BILDER: DEUTSCHLANDSUCHTDENSUPERSTAR.DE
RTL suchte einen Superstar und landete bei Alexander
Klaws. Doch mit dem Finale vom 8. März ist der Medien-Hype um Deutschland
sucht den Superstar ("DSDS") noch lange nicht zu Ende. Es folgen weitere
Shows mit Dieter Bohlens Popsternchen, eine Tournee, neue CDs, Specials,
Fanartikel und so weiter, die ganze Palette. Noch scheint die
Wertschöpfungskette lange nicht ausgereizt.
Selten zuvor gab es für RTL so viel Quote zu so geringen Kosten. Fast Food
statt Haute Cuisine. Man nehme: ein paar hübsche junge Talente, Papa Dieter
(Bohlen) und BMG-Onkel Stein, dazu ein paar Hits aus der Retorte und fertig
ist die Low-Budget-Show für den Samstagabend. Und das Beste daran: Die
Auftritte der hofierten Superstars in spe haben fast nichts gekostet. Für
die Wettbewerber gab es statt der Gage nur ein Taschengeld. Nie zuvor wurde
ähnlich viel TV-Entertainment den Akteuren so schlecht entlohnt. Und es
funktionierte!
Der deutsche Robbie Williams heißt also nun Alexander, löst bei den Teenies
mindestens ebenso hysterische Reaktionen aus und ist für RTL viel, viel
billiger. Das Konzept ging auf: In den werberelevanten Zielgruppe erreichte
RTL in diesem Jahr mit "Bohlen und Reibach" (Der Spiegel) stets mehr als 34
Prozent Marktanteil. Für die Finalrunde entschieden sich am Samstag 40,1
Prozent aller TV-Konsumenten (12,84 Mio.), in der Gruppe der 14- bis
49-Jährigen waren es 49,8 Prozent. Bei der Bekanntgabe des Ergebnisses kurz
vor 1 Uhr nachts stieg die Fieberkurve sogar auf 69,1 Prozent.
Werbeeinnahmen auf Spitzenniveau
"Wir haben uns viel versprochen von der Show, aber solch einen Erfolg hätten
wir doch nicht erwartet", freute sich RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler.
Allein in der Finalrunde sicherten 18 Minuten Werbung bei einem
30-Sekunden-Spotpreis von durchschnittlich 64.000 Euro Bruttowerbeeinnahmen
von etwa 2,3 Millionen Euro. Teilweise wurden sogar 77.000 Euro für eine
halbe Werbeminute gezahlt. Hinzu kamen Erlöse durch das Telefon-Voting. Ein
Anruf kostete im Festnetz 49 Cent. (Mobilfunk-Einheiten waren etwa doppelt
so teuer.) Wie viele Zuschauer auf diese Weise Geld in die Kassen von
Telekom und RTL spülten, verraten die Veranstalter nicht. Dies, so heißt es,
sei Geschäftsgeheimnis. Im Halbfinale soll es bei RTL 8,4 Millionen Mal
geklingelt haben. Bei der britischen Superstar-Version "Pop Idol" riefen
insgesamt etwa 35 Millionen Zuschauer an. In Deutschland dürften es deutlich
mehr gewesen sein.
Noch größer als bei RTL war die Begeisterung in der Gütersloher Zentrale der
Bertelsmann AG. Schließlich liegt auch die internationale Verwertung des
Superstar-Konzeptes fast komplett bei der Bertelsmann-Tochtergesellschaft
RTL Group, zu deren Chef inzwischen Gerhard Zeiler aufgestiegen ist.
Produziert wird das Format von Grundy Light Entertainment, einer
Tochtergesellschaft von Fremantle Media, die wiederum ebenso zur RTL Group
gehört wie RTL und Vox. Kein Wunder also, dass Vox immer montags im
Abendprogramm ein 60-minütiges Superstar-Magazin sendete.
Totale Online-Vermarktung auch bei
AOL. Obwohl der Internet-Dienstleister
mit Bertelsmann gesellschaftsrechtlich nicht mehr verbunden ist, gibt es
doch nach wie vor beste Marketing-Beziehungen. So wurde "DSDS" seit Wochen
bei AOL optisch und textlich promotet, konnten sich die Surfer in
Meinungsforen austoben, äußerte sich Thomas Stein im "AOL Live!"-Interview.
Noch heute können dort Video-Ausschnitte aus der Fernsehshow angesehen
werden, und wer die Platte haben will, wird weitergeleitet in den
"Shop@AOL". Ähnliches gilt für T-Online. So wird öffentliche Aufmerksamkeit
in einem multimedialen Schnellball-System erzeugt. Darin eingebunden waren
letztlich auch die Skandalberichte rund um "DSDS", die Bild über Wochen in
Millionenauflage streute.
RTL Group & Simon Fuller kassieren kräftig ab
Bertelsmann vermarktet das Superstar-Format, das vom britischen
Spice-Girls-Entdecker Simon Fuller erfunden wurde, international im großen
Stil und mit viel Erfolg: In Großbritannien sahen etwa 13 Millionen
TV-Zuschauer das Finale, in den USA fast 23 Millionen, und beim Start der
zweiten US-Staffel vor wenigen Wochen waren es noch mehr. Die erste Single
des britischen Siegers Will Young gilt seit dem Verkauf von 1,1 Millionen
Exemplaren binnen der ersten Woche als erfolgreichste Debüt-CD aller Zeiten.
Fuller ist sowohl an den Erlösen aus den Plattenverkäufen als auch an den
TV-Werbeeinnahmen beteiligt. Seine Maxime: "Nimm eine Idee, blas sie zum
absoluten Maximum auf, und hol alles raus, was geht." Bislang soll er
bereits mehr als 50 Millionen Euro seines auf mehr als 300 Millionen Euro
geschätzten Vermögens mit dem Popstar-Projekt verdient haben.
Didier Bellens, Zeilers Vorgänger an der RTL-Group-Spitze, verriet Mitte
Januar, in diesem Jahr werde sein Unternehmen mit dem Hype um die Pop-Idole
mehr als 100 Millionen Euro einspielen. Im vergangenen Jahr habe der Erlös
bereits im zweistelligen Bereich gelegen. Bellens schätzte, dass allein
Fremantle in diesem Jahr bei einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro
die Gewinnmarge vor Steuern und Abschreibungen auf 12 bis 15 Prozent erhöhe.
Außer in den USA ("American Idol", FOX) und Großbritannien ("Pop Idol", ITV)
lief die Show bereits in Polen und den Niederlanden, wo das Finale ebenfalls
am Wochenende stattfand. Weitere Länder werden hinzu kommen, in Frankreich
sicherte sich zum Beispiel das RTL-Group-Programm M6 die Ausstrahlung. Nach
Angaben von Bellens verhandelt die RTL Group mit Programmanbietern aus mehr
als fünfzig Ländern, um mit Superstars Supergewinne zu machen. In 14 Fällen
wurden bereits Verträge geschlossen, sogar im Nahen Osten.
"Synergiepreis" für Superstar-Format
Bertelsmann aber verdient noch mehr an der "Dauerwerbesendung" mit Jungstars
aus der Retorte: Die MMC-Studios (RTL-Group-Beteiligung: 25,16 Prozent)
verkauften die Karten im Kölner Coloneum für jeweils 25 Euro (bei E-Bay
wurden sogar mehr als 400 Euro geboten). Zusätzlich brachte die
Bertelsmann-Tochtergesellschaft Medienfabrik GmbH ein Fan-Magazin heraus,
dessen dritte Ausgabe (ca. 100 Seiten) soeben mit einer Auflage von 355.000
Exemplaren erschienen ist. Hinzu kommen Einnahmen aus DVDs, Videos,
Merchandising (Handy-Klingeltöne, T-Shirts etc.) und vor allem CDs, die von
der Bertelsmann Music Group (BMG) vermarktet werden. Sponsoring-Partner
leisten ein Übriges: In den USA brachten allein Verträge mit den
Hauptsponsoren Ford und Coca Cola etwa 20 Millionen Dollar ein.
Bertelsmann-Vorstandschef Gunter Thielen nannte den Superstar-Erfolg ein
"Musterbeispiel für Gewinn bringende Kooperation" und versah das TV-Format
inzwischen mit dem konzerneigenen "Synergiepreis".
Lückenlos soll der TV-Boom nun auf die Plattenbranche übertragen werden. Die
Motto-Single "We have a dream" stand fünf Wochen lang auf Platz 1 der
deutschen Charts und hatte bereits zwei Wochen nach dem Verkaufsstart mehr
als 400.000 mal die Kassen klingeln lassen. Inzwischen wurde die
Millionen-Grenze überschritten. Komponiert und getextet hat die Hymne
Jury-Mitglied Dieter Bohlen, der als enger Freund von Andi Selleneit, Chef
von BMG Berlin, gilt. Als am 10. Februar das Popstars-Album "United" auf dem
Markt kam, lagen schon 750.000 Vorbestellungen vor. Bereits am ersten Tag
wurden 100.000 Exemplare verkauft. Natürlich führt die CD bereits mit
riesigem Vorsprung die Charts an.
Bohlen macht den Superstar
Dass Bohlen die meisten Hits des Superstar-Albums nur recycelt hat, scheint
das Publikum nicht zu stören. Stefan Raab demonstrierte in seiner Show "tv
total", Bohlen habe sich bei alten Titeln von Modern Talking, Blue System
und von DJ Bobo bedient. Egal ob "We have a dream" oder "Freedom", "Today,
Tonight, Tomorrow" oder "It's all over": Bohlen verdient an seinen
Kompositionen also zum zweiten Mal. Dass er die Melodie der
Single-Auskopplung "We have a dream", bereits 1992 für den
Grand-Prix-Aufritt des Österreichers Tony Wegas komponierte, hat Bohlen
inzwischen zugegeben. Für die Zukunft will er bereits mehr als sechzig
weitere "Superstar"-Hits" fertig in der Schublade haben.
Bohlen und die Superstars könnten für BMG - weltweit mit etwa 3 Milliarden
Dollar Umsatz drittgrößter Tonträgerproduzent - zum Glückfall werden:
Schließlich ist die Musikbranche in der Krise, und Bohlen weiß nach mehr als
60 Millionen verkauften Tonträgern, etwa 700 Goldenen Schallplatten und 108
Charts-Plazierungen, wie man mit Popmusik Geld verdient. Mädchenschwarm
Daniel Küblböck plauderte im Laufe der Gala-Nacht nach dem Finale,
BMG-Manager Stein habe ihm soeben versprochen, ihn als Star mit rockigen
Nummern aufzubauen, während Juliette Schoppmann eine Soul-Karriere starten
könne. Nach Angaben von Phillip Zwez, Produktmanager von BMG, beginnt
bereits in der kommenden Woche die Arbeit am ersten Album für Superstar
Alexander. Plattenpläne für Daniel, der als "Spaßmusiker" aufgebaut werden
soll, und Juliette, die mit Balladen glänzen soll, hat BMG ebenfalls
bestätigt.
Neue DSDS-Staffel ab Herbst
Mit Superstar Alexander Klaws (Bohlen: "mein Superhypermegadiamant") soll
außerdem in Kürze ein Video zum Finaltitel "Take me tonight" entstehen, um
von der Single mindestens 600.000 Exemplare abzusetzen. Außer dem
BMG-Plattenvertrag erhält der smarte Show-Sieger auch einen
Managementvertrag mit Fullers Agentur 19 Entertainment. An den Umsätzen
seiner CDs soll er mit zumindest zehn Prozent, bei höheren Verkaufszahlen
mit mehr Prozentpunkten beteiligt werden. Sollte es zu einem europaweiten
Wettbewerb der nationalen "Superstars" kommen, bleibt Klaws Gage mit 2000
Euro aber minimal.
Im nächsten Jahr soll unter allen Landessiegern sogar bei einem gemeinsamen
Wettbewerb der "Weltstar" gekürt werden. Vorher aber noch touren die
deutschen Superstar-Kandidaten ab 8. Mai mit zwölf Sattelschleppern durch 17
deutsche Großstädte. Um den Superstarrummel so richtig auszukosten, hat RTL
für die kommenden Wochenenden bereits weitere Shows mit Alex, Juliette,
Daniel und Co. angekündigt. Am 15. März lautet das Motto "Celebration live",
am 22. März "United live". Und im Herbst startet dann eine neue deutsche
Staffel. Sollte Superstar Alex bis dahin allerdings bereits verglüht sein,
wäre die Halbwertszeit von "DSDS" kaum höher als die von "Big Brother".
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