Elite auf Bayerisch


Text:
Marion Buk-Kluger   Bild: Photocase.de

Im Frühjahr 1999 hat die "Bayerische Elite-Akademie" ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Sie bietet Lehrangebote für leistungsbereite Studenten im Hauptstudium an, die an anderen Universitäten studieren.  Als studienbegleitendes Angebot will sie die Führungsfähigkeit ihrer Absolventen fördern und die Persönlichkeitsförderung unterstützen. Die Gegenwart hat mit Raphael Brandmiller gesprochen, der im sechsten Jahrgang die Angebote der Elite-Einrichtung nutzt. Brandmiller studiert an der Universität Augsburg Jura, kommt aus einem gutbürgerlichen Elternhaus, ist Mitglied der SPD und kein Freund von Studiengebühren. Die Gegenwart sprach mit ihm über den Begriff Elite und seine Erwartungen an die Elite-Akademie.

Die Gegenwart: Wenn Außenstehende hören, dass sie an einer Elite-Akademie studieren, wie würden sie die Reaktionen beschreiben?

Raphael Brandmiller: Ich trage das ja generell nicht vor mir her. Ich habe kein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin in der Eliteakademie“. Die Leute, die es wissen –
 ein paar haben es jetzt auch mitgekriegt, als die örtliche Tageszeitung darüber berichtete – und die ich besser kenne, gehen ganz normal damit um. Es ist in dem Sinne auch nichts Besonderes.

AUSGABE 43
DIE ALLTÄGLICHE ELITE





STARTSEITE

EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
IM SCHLARAFFENLAND DER ÄSTHETIK
WIE PINGUINE AUF DEM LAND
PULITZERS ELITE
MOHNS ERBEN IM GEISTE
DIE ELITE FÖRDERT IHRE KINDER
BILDUNGSEINRICHTUNGEN AUFMISCHEN
ZWISCHEN SPRACHEXIL UND HEADLINE
WO DER STUDENT ZUR ELITE GEHÖRT
ELITE AUF BAYERISCH

DAS GESPENST DER ELITE

ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
DIE GEGENWART IN STICHWORTEN
ÜBER DAS MAGAZIN
IMPRESSUM




Diesen Artikel drucken Diesen Artikel an einen Freund senden

Die Gegenwart: Natürlich wird nicht jeder aufgenommen.

Brandmiller: Klar, es ist eine besondere Chance. Sicherlich freut es einen, wenn man aufgenommen wird. Es ist eine Bestätigung dafür, dass ich mit  meiner Leistung auf dem richtigen Weg bin. Obwohl ich mich anfangs gar nicht bewerben wollte.

Die Gegenwart: Hatten sie Bedenken, in einem CSU-regierten Bundesland als SPD-Mitglied chancenlos zu sein?

Brandmiller: Die Akademie ist keine Kaderschmiede der CSU, sie wird von der privaten Wirtschaft finanziert. Ich habe aber trotzdem lange überlegt, es dann allerdings ganz bewusst in die Bewerbung geschrieben, dass ich Juso-Vorstand war. Im ersten Auswahlverfahren habe ich zudem meine Meinung geäußert, dass wenn ich die Wahl zwischen Eliten- oder Breitenförderung hätte, mein Votum klar für die Breitenförderung ausfallen würde.

Die Gegenwart: Wie gehen sie persönlich mit dem Begriff Elite um?

Brandmiller: Diskussionsstoff unserer ersten Kurseinheit war der Elitebegriff. Elite sollte

DIE BAYERISCHE ELITE-AKADEMIE




N
ach der bestandenen Zwischenprüfung fordert die Bayerische Elite-Akademie ausgewählte Studenten zur Bewerbung auf. Doch natürlich können sich Interessierte auch initiativ bewerben. Hier werden Noten aus Abitur und Studium berücksichtigt. Erhält man eine Rückmail, wird man zum schriftlichen Verfahren zugelassen. Ein Essay (zum Beispiel: über Humboldts Bildungsideal), ein Lebenslauf und eine Begründung der Bewerbung werden verlangt. Dazu benötigt man zwei Gutachten von einem Fachprofessor und einem Vertrauensdozenten der Akademie, die es an jeder bayerischen Uni gibt. 60 Personen werden zu einem zweitägigen Assessment Center mit Gruppendiskussion, Test und zwei Sechs-Augengesprächen, in denen es um den Lebenslauf und die wirtschaftliche Denkweise geht, geladen. Am Ende bleiben 30 Teilnehmer für das zweijährige Studiums übrig, die viermal jeweils in den Semesterferien für vier Wochen die Ausbildung durchlaufen. Während der beiden Jahre wird eine Projektarbeit durchgeführt, die in jedem Jahrgang unter einem Gesamtmotto steht. Für den sechsten Studiengang ist es „Humankapital“ und seine positive Auslegung. Die Gruppe von Raphael Brandmiller beschäftigt sich mit Ideenmanagement.

als Fremdbezeichnung nicht als Selbstbezeichnung gesehen werden. Zudem beinhaltet er das Übernehmen von Verantwortung. Konkret bedeutet es, dass man bereit ist für die Gesellschaft, für die Gesamtheit, Verantwortung zu übernehmen. Das ist meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, mit dem Begriff umzugehen. Und so kann ich die Teilnahme daran auch gut mit meiner Einstellung zur Gesellschaft und zum Einzelnen darin vereinbaren.

Die Gegenwart: Außerordentliches Engagement ist ein Kriterium für die Teilnahme? Wie entscheidend sind die Noten?

Brandmiller: Noten spielen schon eine Rolle, eine gewisse Kontinuität im Abitur und im Studium sollte schon herrschen, aber es ist nicht das ausschlaggebende. Theoretisch kann sich jeder unabhängig vom Notendurchschnitt bewerben. Das Gesamtbild muss stimmen, jeder der Teilnehmer und Teilnehmerinnen hat irgendwo einen Farbklecks in seiner Vita. Die Leute waren im Ausland, engagieren sich über die Maßen und haben bestimmte Erfahrungen gemacht, die andere nicht haben und die sie abheben. Man will nicht nur Fachidioten.

Die Gegenwart: Was war es bei ihnen? Sie waren in den Gruppendiskussionen und in den
Sechs-Augengesprächen während des Assessment Centers sehr streitbar.


Brandmiller: Vielleicht genau das. Und ich bin seit zwei Jahren Vorsitzender des Augsburger Stadtjugendrings.

Die Gegenwart: Sie sind kein Freund von Studiengebühren, gehen aber auf eine Eliteakademie, wie lässt sich das vereinbaren? Zwangsläufig heben sie sich doch von anderen damit ab.

Brandmiller: Es ist natürlich ein Pluspunkt im Lebenslauf, der Name und dass man tatsächlich dort war, wirken sicher. Grundsätzlich bin ich gegen Studiengebühren, das stimmt. Gerade hier in Bayern heißt es immer, man müsse viel für die Bildung tun, aber das ist sicher nicht der richtige Weg. Bei der Elite-Akademie wird aber alles von der bayerischen Wirtschaft, von Unternehmen, die sich zusammengeschlossen haben, bezahlt. Man muss klar zwischen politischer und privatwirtschaftlicher Verantwortung unterscheiden. Die Unternehmen haben sich für diesen Weg entschieden, in wie weit dies volkswirtschaftlich ein Gewinn ist, will ich nicht beurteilen. Für mich ganz persönlich ist er es. Ich treffe interessante Menschen und habe Chancen und Möglichkeiten. Unser akademischer Leiter sagt immer, er will Leuchttürme, die als Beispiel vorausgehen. So war auch Zivilcourage ein Seminarthema. Das Leben eines falschen Elitebegriffs soll vermieden werden, vielmehr geht es um die Entwicklung einer Persönlichkeit, die einen Blick über den eigenen Tellerrand und den des eigenen Fachbereiches hinaus hat und  Verständnis aufbaut.

Die Gegenwart: Die Bildung einer verantwortlichen Elite letztendlich zum Gemeinwohl?

Brandmiller: Ja, natürlich muss noch viel passieren, dass Chancengleichheit gewahrt bleibt. Es ist sicherlich eine Tatsache, dass es auch vom Elternhaus abhängt, welchen Zugang man zum Leben bekommt. Meiner Meinung nach kann mit Ganztagsschulen aber hierzu eine Menge gewonnen werden. Es gehört Selbständigkeit dazu nicht alles hinzunehmen und nachzukauen, das macht Elite aus und keine falschen Begriffsvorstellung! Letztendlich kann es überall eine Elite geben. 


Diesen Artikel an einen Freund senden

DIESE SEITE EMPFEHLEN


Bitte geben Sie hier die E-Mail-Adresse des Empfängers ein.
 


ZUM SEITENANFANG