Seit 1912 wird dort die schreibende Elite Amerikas ausgebildet. Ausgedacht
hat sich das Konzept der Journalistenschule jedoch ein Ungar:
Joseph Pulitzer. Der hatte nach einer illustren Verlegerkarriere in
den Vereinigten Staaten so viel Geld übrig, dass er seinen Nachlass in die
journalistische Zukunft des Landes investierte. Mit seinen Mitteln wurde
nicht nur die Columbia J-School ins Leben gerufen, sondern auch der
Pulitzer
Preis,
die begehrteste Auszeichnung im amerikanischen Journalismus.
Heute ist „Columbia“
Eliteuniversität (viele Nobel-preisträger sind beschäftigt)
und hervorragend funktio-nierendes Großunternehmen zugleich. Der
Jahreshaushalt der Columbia University beträgt um die zwei
Milliarden Dollar, mehr als das Zehnfache mit dem die großen deutschen
Universitäten auskommen müssen. |
ZUR PERSON |
Schon lange investiert Columbia Restcash ein paar Blocks weiter südlich, an
der Wall Street. Um die 100 Millionen Dollar springen pro Jahr an Zinsen und
Dividenden heraus. In der Ausbildung seiner Journalisten ist die Columbia J-School
bodenständig. Zu hervorragenden Rechercheuren sollen die Absolventen werden,
Starreporter sind hier nicht erwünscht. Im ersten Semester erlernen Schüler
deshalb die Grundlagen des Recherchierens, und werden zu Lokalreportern:
jeder Student ist für ein Stadtviertel New Yorks zuständig, über das er
regelmäßig und unter Zeitdruck Artikel schreiben muss. Im zweiten Semester
arbeiten Studenten in den verschiedenen Publikationen der Columbia J-School
mit. Mehrere
Zeitschriften,
die Zeitung
Bronx
Beat und Dokumentarfilmprojekte stehen zur Auswahl.
Die Journalistenschule ist zwar nur eine kleine Fakultät der Columbia
University, die Lebensläufe der rund 150 Professoren haben es jedoch in
sich. Kaum ein Journalistenpreis, inklusive des ominösen Pulitzers, den die
Dozenten nicht gewonnen haben. Ehemalige Arbeitgeber spielen meist in der
journalistischen Champions League: Schulboss Nicholas Lemann ist
Star-Reporter der angesehenen Zeitschrift
The New Yorker.
Der ehemalige Chefredakteur des Time Magazine lehrt
Zeitschriften-Journalismus. Print-Professoren berichteten in vergangenen
Jahren für die New York Times, das Wall Street Journal oder die Washington
Post.
Doch zur Elite zu gehören hat seinen Preis. Das Budget für die zehnmonatige
Ausbildung inklusive Studiengebühren, Campusbude und Laptop berechnet
Columbia mit „rund 56313 Dollar.“ Nur wenige können sich diese Ausbildung
ohne Stipendien leisten.
Und wer einen Scheck Richtung Broadway schicken darf entscheidet sich erst
nach einem dreistündigen Aufnahmetest, den die rund 2000 Bewerber jedes Jahr
ablegen müssen. Die 200 die dabei beeindrucken und nebenbei noch
herausragende Arbeitsproben und Lebenslauf vorzuweisen haben, bekommen vom
Leiter des Aufnahmekomitees, Robert MacDonald, einen Zulassungsbrief. Der
findet es übrigens „eine Ehre, bei [Columbia] angenommen zu werden.“
In Amerika ist es üblich, dieser Ehre ein paar Jahre lang Tribut zu zollen.
Ein Zulassungsbrief einer Ivy-League Universität wie der Columbia verschafft
bei US-Banken Kreditwürdigkeit, die Studenten ohne Stipendien nur zu gerne
in Anspruch nehmen. Ein Abschluss der Columbia J-School, so der Glaube,
öffnet jegliche Türen im amerikanischen Mediendschungel und führt zu einer
sicheren Tilgung des Kredites. Und wirklich, elf der diesjährigen
Pulitzer-Preisträger sind Absolventen der Columbia J-School. Doch die
meisten Studenten landen nach Schulabschluss nicht gleich bei der New York
Times, sondern eher bei Lokalzeitungen in Minnesota und Michigan. Nicht
selten, dass ein Absolvent der Journalistenschule einige Jahre malochen
muss, um sein hart verdientes Diplom den Banken zurückzuzahlen.
Ach übrigens: Joseph Pulitzer, der sich das mit der Eliteschule für
Journalisten ausgedacht hat, ist auch der geistige Vater der Bild-Zeitung.
Seine New York World kämpfte in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts mit
sensationsträchtigen Headlines, Farbdruck und reichlich Comics um
Verkaufszahlen. Das Ergebnis: die Erfindung des Begriffes „Yellow Journalism“,
der Sensationspresse. Und Nicholas Lemann, Schulboss der Columbia J-School
und einer der berühmtesten Journalisten Amerikas, hat nie eine
Journalistenschule besucht. Auch zur Elite gibt es Hintertüren. |