Kleine Telefonrevolution



Text:
Malte Florian Klein   Bild: Photocase.com

Gerade bin ich in Helsinki angekommen und sitze im Studentenappartment einer Freundin. Ich müsste jetzt eigentlich kurz zu Hause anrufen und meinen Eltern zu Hause mitteilen, dass der Flug ruhig war, das Wetter sonnig ist und dass ich Laura wie geplant getroffen habe. Nur per Handy ist das viel zu teuer. Einen Festnetzanschluss gibt es im Wohnheim nicht und Telefonzellen haben im handyverrückten Finnland Seltenheitswert. Laura telefoniert mit Skype via Internet. Und ich auch. Zum ersten Mal überhaupt werden meine Worte in einzelne Datenpakete zerlegt und über das Internet nach Deutschland geschickt. Über so genannte Gateways gelangen sie ins Festnetz der Telekom und schließlich zu meinen Eltern.

Alles, was ich dazu brauche, ist ein Kopfhörer mit Mikrofon und natürlich Geld auf der Kreditkarte. Aber es kostet nicht immer Geld, über das Internet zu telefonieren. Hätten meine Eltern auch das Skype-Programm auf ihrem Rechner und eine DSL-Leitung, könnten wir kostenlos telefonieren. So kostet es 1,7 Cent pro Minute. Per Handy wäre der Anruf mit mindestens 83 Cent pro Minute zu Buche geschlagen.

Es gibt eine wichtige Unterscheidung zwischen der Art, wie Laura das Internet nutzt und der, wie wir es in Deutschland tun. Sie hat keinen Festnetztelefonanschluss. Der ist aber in Deutschland Pflicht, wenn jemand DSL nutzen will, berichtet
Gerhard Schneider, Professor für Telekommunikationssysteme der Universität Freiburg. Das schreibe die Regulierungsbehörde für Telekommunikation vor.

Wenn diese Regelung aufgehoben wird, rechnet Schneider mit einer deutlichen Zunahme der so genannten „Voice over IP“-Verbindungen. Damit ist die Internettelefonie gemeint, die über so genannte Internetprotokolle funktioniert. Bei Skype besagten Zahlen auf der Website, dass meist drei Millionen Nutzer gleichzeitig online seien. Die Tendenz ist stark steigend, so Schneider.

Das Internettelefonie-Angebot der Freenet AG nutzten im Juli 2005 schon 500.000 Kunden. Diese Zahl überraschte Pressesprecherin Elke Rüther. Ursprünglich dachte sie, dass es Vorbehalte gegenüber der neuen Technik gäbe. Bestellt heute jemand einen DSL-Anschluss bei Freenet, bestellten 30 Prozent die Internettelefonie gleich mit. Entweder können – wie bei Skype – die Nutzer mit einem Headset über den Computer telefonieren. Oder sie können eine Box nutzen, durch die mit einem normalen Telefon über das Internet telefoniert werden kann. Die Hauptnutzer bei Freenet sind zwischen 30 und 42 Jahre alt, sagt Rüther. Es seien derzeit vor allem technikaffine Männer. Die Sprachqualität, so Schneider, könne mal gut und mal schlecht sein. Durch die Technik gebe es aber grundsätzlich kein Rauschen in der Leitung. Weil Kunden davon irritiert gewesen seien, würden einige Anbieter das jetzt hinzumischen.  

Auch die Telekomtochter T-Online bietet Internettelefonie an. Die Nachfrage steigt, so T-Online Pressesprecher Martin Frommhold. Mit den Wachstumsraten sei die Telekom-Tochter sehr zufrieden. Frommhold rechnet aber mit einer langsameren Entwicklung zur Internettelefonie. Auswirkungen auf das Festnetz lassen sich nur sehr schwer prognostizieren, so der Pressesprecher.

Auch wenn derzeit immer mehr Telefonanbieter die Internettelefonie im Programm haben, wird es wohl noch dauern, bis es sich in Deutschland durchsetzt. Denn wer eh die Grundgebühr bezahlt, wird wohl doch noch zum normalen Telefon greifen. Das ist in Finnland anders, wo Festnetztelefone eine Seltenheit sind und nicht der Zwangstelefonanschluß fällig ist. Laura wird sich umgewöhnen müssen, wenn sie aus Helsinki wieder ins Land der Dichter, Denker und Festnetztelefone kommt.

 

AUSGABE 46
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