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Klauen erlaubt
Text:
Kai Haller Bild:
Photocase.com
Mit
zunehmender Verbreitung des Internets wird in
den Medien immer häufiger auf die
Bedeutung von Urheberrechten oder Copyrights
hingewiesen. Kreative sind in den wenigsten Fällen zu
Scherzen aufgelegt, wenn ihre Rechte auf geistiges Eigentum
durch Plagiatoren verletzt werden.
Besonders in der
Musikbranche kommt es immer wieder zu Gerichtsverfahren aufgrund von
Urheberrechtsverletzungen. Dies hat einen einfachen und verständlichen Grund:
Meistens ist Ideenklau einfacher als eigene Ideen zu haben. Ein hoher
Widererkennungsgrad bedeutet meistens Erfolg. Das wiederum bedeutet Geld,
viel Geld – jedoch nicht für den geistigen Eigentümer. Der Schutz von
Urheberrechten ist in einem solchen Fall absolut gerechtfertigt und muss
gesetzlich geregelt sein. Der Urheber kann so seine Rechte per Klage vor
Gericht einfordern.
Das ist eine Sicht der Dinge. Es stellt sich die Frage: Können
vorhandene musikalische Werke nicht auch weiterentwickelt, geremixt oder neu
erfunden werden, ohne dass dabei der Gedanke an Urheberrechtsverletzungen
Priorität hat? Diese Idee ist – zugegeben – etwas
abstrakt und keinesfalls die Norm. Man stelle sich jedoch folgendes vor:
Einzig und allein die Kreativität eines Künstlers lässt Vorhandenes
neu beziehungsweise anders, interessanter erscheinen. So anders, so neu, so
interessant. Leider stehen dieser Idee in den meisten Fällen die
Urheberrechte entgegen.
Vielleicht
eine naive Sicht der Dinge, an diesem Punkt ausschließlich an die
Kreativität zu appellieren und alles andere auszublenden (wie zum Beispiel
die Urheberrechte und das damit verbundene Geld). Stimmt. Geld spielt immer
eine Rolle in unserer Gesellschaft. So bleibt zusammenfassend festzustellen,
dass fast jedes musikalische Werk
oder einzelne Teile des Werks unter den Schutz des Urheberrechts fallen und
jeder Musiker besser beraten ist, seine eigenen Stücke zu komponieren. Dies
ist zweifelsohne die kreativste Form von Arbeit. Dennoch sollte anderen
Formen der Musikkomposition nicht völlig die Legalität abgesprochen werden.
Letztendlich ist nämlich jeder kreativ. Auch dann, wenn Vorhandenes
weiterverarbeitet wird.
Damit diese ungewöhnliche Form von Kreativität nicht vollkommen von den
Verfechtern der Urheberrechte ins Abseits gedrängt wird, ist die
Musikplattform
ccMixter.org ins Leben gerufen worden. |
AUSGABE 46
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ccMixter
bezeichnet sich selbst als musikalische Remix-Gemeinde.
Sämtliche Songs, Remixes und Samples auf der Website sind durch
Creative Commons
lizenziert. Deswegen besteht für den Benutzer der Plattform die
Möglichkeit, das ange-botene Musikmaterial kostenlos und rechtlich legal
herunter zu ladenund weiter zu verarbeiten. Außerdem dient ccMixter
als
Filesharing-Plattform.
ccMixter stellt aber auch heraus, dass einige
Musikstücke besonderen Restriktionen unterliegen. Grund dafür ist die
Vielfalt der Lizenzen, die von Creative Commons angeboten werden. Hier ist
dann doch Vorsicht geboten. Zur Aufklärung des genauen rechtlichen
Sachverhalts dient dabei die Beschreibung der Lizenz, die hinter jedem Song
oder Sample als Link angezeigt wird.
Sogar die
weltbekannten Rapper Beastie Boys oder Chuck D von Public Enemy stellen
Samples ihrer Stimmen mit CC-Lizenzen bei ccMixter ein.
Diese Samples kann ebenfalls jeder in eigene Kom-positionen einbauen.
Legal Stimmen der Megastars Beastie Boys für eigene Kompositionen nutzen zu
dürfen, ist für jeden überzeugten Musikproduzenten eine große
Herausforderung. Der Beigeschmack dieser Option
liegt im Detail. Zwar
können diese Musikstücke unter Musikliebhabern legal getauscht, jedoch nicht
für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Uncharmant ausgedrückt könnte dazu
noch angemerkt werden: |
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Creative Commons (CC) ist eine
Nonprofit-Organisation, die flexible Urheberrechts-Lizenzen zur
Verfügung stellt, um kreative Tätigkeiten zu unterstützen. Aus Sicht von
CC gleiten Debatten über die Kontrolle von Kreativität allzu oft ins
Extreme. Auf der einen Seite stehen die Befürworter der totalen Kontrolle.
In dieser Welt unterliegt jeder einzelne Arbeitsschritt der Regulation. Es
heißt dann nur: Alle Rechte vorbehalten – all rights reserved. Auf der
anderen Seite befindet sich die extreme Idee der Anarchie. Eine Welt, in der
Erschaffer in vielen Belangen eine enorme Bandbreite von Freiheit genießen
können, aber zugleich auch sehr einfach auszubeuten sind. Zwischen diesen
Fronten sehen sich die Commoner – wie sich die Fans der
Creative Commons-Gemeinde selbst bezeichnen – positioniert.
Gleichgewicht, Kompromisse und Mäßigung bezogen auf ein moderates
Urheberrechtssystem sind ihre Ziele.
Darunter verstehen die Commoner ein System, welches auf gerechten Weg
Innovation nicht unterbindet und
zugleich Schutz für Kreativität bietet. CC benutzt also Privatrechte um auf Basis dieser öffentliche Güter
herzustellen. Dabei werden kreative Arbeiten Einzelner teilweise frei
nutzbar für Jedermann. Zu vergleichen ist dieser Prozess vielleicht mit der
Open Source-Bewegung und der freien Softwareentwicklung. CC bietet so dem
kreativen Urheber das Beste beider Welten, um ihn einerseits bestmöglich zu
schützen, und andererseits die zum Teil freie Weiterverwendung von kreativ
Erschaffenem zu fördern. Aus diesem Grund lautet der Slogan von Creative
Commons: Einige Rechte vorbehalten – some rights reserved. |
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Entdecken die Beastie Boys eine gelungene
Interpretation ihrer zur Verfügung gestellten Samples in Form eines neuen
Songs auf ccMixter, werden sie sicher zugreifen. Das heißt dann eventuell:
Der kreative Produzent bekommt Geld, die Beastie Boys die Rechte am Song und
somit nach seiner Veröffentlichung noch mehr Geld. Der Fairness halber muss
an diesem Punkt erwähnt werden, dass ebenso unbekannte Künstler ihre Songs
oder Samples mit Lizenzen versehen, durch die kommerzielle Vermarktung
untersagt wird.
Sollte es aufgrund von lukrativen Angeboten seitens der Musikindustrie doch
zur Kommerzialisierung von ccMixter Songs kommen, existiert folgendes
Problem: Dieser Schritt kann nur im Einverständnis aller beteiligten
Künstler vollzogen werden. Die Rechte des Songs liegen beim Produzenten.
Jedoch liegen die Rechte der verwendeten Samples immer noch bei dem
Original-Künstler. Ausschlag gibt an dieser Stelle die jeweilige Lizenz der
verwendeten Samples. Sie definiert, inwiefern die Möglichkeit einer
kommerziellen Nutzung besteht.
Aber da ccMixter zu einem Großteil von unbekannten Künstlern genutzt wird,
ist nahezu allen Mitstreitern daran gelegen, irgendwann einmal Profit
aus ihrer Arbeit zu schlagen. Und welcher Hobby-Musikfreak lässt sich eine
finanziell reizvolle Offerte aus der Musikindustrie entgehen? Das Bedürfnis
nach Erfolg, Anerkennung und finanzieller Unabhängigkeit liegt in
der Natur des Menschen. Einigung ist hier das Zauberwort. Und: Es
geht in einem solchen Fall nicht, wie eingangs erwähnt, ausschließlich um
die Kreativität. Für die Macher von ccMixter sind diese Probleme
nebensächlich. Ihnen dient die Plattform als Instrument, musikalische
Kreativität
zu fördern respektive den Bekanntheitsgrad von Creative Commons-Lizenzen zu
steigern.
Missbrauch wird mit ccMixter aber dennoch betrieben. Nach dem Motto „Viele
Augen sehen mehr als nur eines“ appelliert ccMixter an seine Nutzer,
eventuelle „schwarze Schafe“ sofort zu melden. Das sind in den meisten
Fällen Inhalte ohne CC-Lizenz:
Wenn also zum Beispiel Samples von Michael Jackson ohne seine
Zustimmung zum Remix angeboten werden. In dieser Situation gilt nämlich die
gesetzliche Regelung des Urheberrechts. Solche Inhalte haben
deshalb nichts bei ccMixter verloren. Eine Weiterverwertung dieser
Materialien ist gesetzlich verboten.
Es wäre wünschenswert, wenn die Plattform ccMixter trotz einiger
Schwachstellen Bestand haben und die Fangemeinde sich stetig vergrößern
würde. Durch sie wird nämlich
Kreativität gefördert und Neues erschaffen. Musik, die es sonst vielleicht
nie gegeben hätte. Musik, die zum Teil qualitativ hochwertig ist. Musik, die
früher oder später für Aufmerksamkeit in der kommerziellen Musikbranche
sorgen kann. |
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