Im Fernsehen gibt es
Expertinnen und Experten für fast alle Lebensbereiche. Bei RTL 2 ist die Liste der dienstbaren Geister
besonders lang. Die „Supermamas"
Aicha und Miriam bändigen den Nachwuchs überforderter Eltern, die
„Superfrauchen" Angela, Gaby und Rita
erledigen den gleichen Job für die verwöhnten Haustiere, die
„Superhausfrauen"
Yvonne und Sabine haben den verwahrlosten Haushalt bald wieder auf Kurs. Die
unbeirrbaren Ernährungsberaterinnen
Alexa Iwan und Kirstin Ellert zeigen mit gestrengem Blick stark
Übergewichtigen ihre schwabbelnde Zukunft und geben Tipps für
den versuchungsreichen Weg aus der Fettfalle. Auch der Sender selbst hilft, wo er
kann: er sucht "Ersatz-Omas", tauscht Frauen, unternimmt "spannende, skurrile, aufregende, manchmal witzige und immer
lehrreiche
Expeditionen in scheinbar vertraute Welten" ("Welt der Wunder"). Vera
Int-Veen, die früher mal bei der Rudi-Carrell-Show gejobbt hat, machte bis
Ende September selbst "Träume" wahr.
Doku-Service-Infotainment-Formate schießen wie Pilze aus dem
Boden. Und auch Urgesteine wie "Galileo" zum Beispiel, die Halbwissenschaftssendung auf
Pro Sieben, setzt in Spezialausgaben vermehrt auf "Action": Wir finden den
heiligen Gral! Wir lüften das Geheimnis der Päpstin! Wir lassen Eier von
Menschen ausbrüten! Wer soll das ertragen? Wird das Programm immer
schriller? Oder ist schon ein Wandel zu spüren?
Neue Gegenwart beschäftigt sich in dieser Ausgabe mit einigen Aspekten guter
und schlechter Fernsehunterhaltung. Uwe
Kammann, seit 2005 Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, erklärt,
wie Qualität und Massengeschmack zusammen passen können. Auch den neuen
Expertinnen, die alle aus dem gleichen Trainingscamp zu kommen
scheinen, ist ein Beitrag gewidmet. Neue
Gegenwart-Autor Hendrik Steinkuhl regt sich derweil über TV-Moderator Reinhold
Beckmann auf, wundert sich über den Humor in der Schillerstraße
und vermisst Friedrich
Küppersbusch. Stefan Nicola zieht eine Kommentatoren-Bilanz
der Fußball-Weltmeisterschaft, die Kommunikationswissenschaftlerin
Marianne Ravenstein erklärt Qualität
im Fernsehen, Medienanwalt Jens O. Brelle und Stefanie
Schlichtmann beantworten Fragen zur freiwilligen
Abgabe der Menschenwürde bei TV-Formaten, Nikolai Wojtko meditiert mit Alfred
Biolek und freut sich über österreichischen
Zuckerguss. Weitere Themen finden Sie wie immer auf der aktuellen Startseite
der Neuen Gegenwart.
Einige Fragen zur Fernsehunterhaltung bleiben in dieser Ausgabe freilich
unbeantwortet. Zum Beispiel: Was sagen uns Call-In-Formate
über den Zustand der Zuschauer? Wer sieht sich so etwas an? Wer hält das
aus? Und wie lange noch? Woher bekommen Sender wie "Neun Live" ihre
Moderatoren?
Wer diese Sendungen noch nie gesehen hat, der bezweifelt ihre
Existenz. In dieser Ausgabe der Neuen Gegenwart gibt es deshalb auch keinen
Text, der sich diesem Irrsinn widmet. Klicken Sie bitte einfach das Video
auf der rechten Seite an und werfen Sie einen vorsichtigen Blick. Der
Ausschnitt dauert ca. dreieinhalb Minuten, aber schon nach wenigen Sekunden wird
Ihnen klar sein, was gemeint ist.
Ach,
Wolfgang
–
wer kann das länger als 49 Sekunden ertragen?
Via YouTube verfügbarer Mitschnitt einer Call-In-Sendung auf Sat1
PS Mit
der Jubiläumsausgabe Nr. 50 (Dezember 2006) wird Neue Gegenwartin einem
neuen Design erscheinen. Und nach dem Relaunch wird im Magazin noch mehr
Platz sein für Texte, Bilder und Videos zu Medienthemen. Deshalb möchte Neue Gegenwart
den Kreis der Autorinnen und Autoren vergrößern. Das Magazin ist ein nicht-kommerzielles Projekt und zahlt
daher keine Honorare für
Veröffentlichungen. Autoren, Illustratoren und Fotografen (w/m), die an
einer Veröffentlichung Interesse haben, sind
herzlich eingeladen, eine kurze Vorstellung und Arbeitsproben einzureichen.
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