Und ewig fehlt der Küppersbusch


Kommentar:
Hendrik Steinkuhl     Bild: Photocase.com

Als man im deutschen Fernsehen noch mit Verzögerung lachen konnte, hörte man die Stimme von Friedrich Küppersbusch. Ein Fiesling, ein Zyniker, eine Satzmaschine, die sich hinter der harmlosen Visage eines Finanzbeamten verbarg. Küppersbusch war auch ein Segen für viele Lehrer: endlich gute Politsatire im Fernsehen, man konnte auch mal zu Hause bleiben und musste nicht ständig zum Kabarett in die zugige Mehrzweckhalle gehen. Ärgerlich nur, dass man im Kabarett wusste, wann man zu lachen hatte – während Küppersbusch eben ständig diese Blindgänger fallen ließ, die durch sein Höllentempo und die monotone Stimme erst mit Verzögerung hochgingen.

„Sie heißen Rudolf, ihr Bruder Adolf, und wie waren Ihre Eltern sonst so drauf?“, fragte Küppersbusch einmal den CDU-Politiker Rudolf Seiters. Als guter Gemeinschaftskunde-Lehrer macht man einen Augenblick später „Hoho“ und nicht „Haha“.

Die Sendung des großen K. hieß „Privatfernsehen“ und lief in der ARD. „Privatfernsehen“ in der ARD – man hätte ahnen können, wie das endet.

Vor „Privatfernsehen“ moderierte Küppersbusch sechs Jahre lang den satirischen Wochenrückblick „ZAK“, gewann Grimme-Preis, Telestar und hatte sogar gute Quoten. Aus dem engen Studio wechselte Küppersbusch in eine alte Lagerhalle am Rhein, bekam Publikum und wollte vielleicht zu viel: Magazin, Talk, Satire, Nonsens, Sport et cetera.  „Privatfernsehen“, das verrät eigentlich schon der Titel, war teuer; die Gäste wurden nicht immer wie Gäste behandelt, die Quoten waren nicht die Quoten, die man sich gewünscht hatte.

Gerne hätte man einmal eine Folge „Privatfernsehen“ gemeinsam mit einem leitenden Mitarbeiter des bayerischen Rundfunks gesehen. Mit einem, der schon den „Scheibenwischer“ nach der ersten Sendung abgesetzt hätte und in seinem Wohnzimmer eine Dartscheibe mit dem Foto von Dieter Hildebrandt hat.

Franz Lambert dudelt an der Orgel, Küppersbusch interviewt einen CDU-Politiker in Stichworten, danach noch ein Bericht über das letzte Spiel des Duisburger Landesligisten Hamborn 07, so wackelig gefilmt und schnell kommentiert, dass einem übel werden muss, wenn das eigene Wahrnehmungstempo auf Schunkeln im Musikantenstadl eingepegelt ist.  

Hamborn 07 lief übrigens jede Woche im Privatfernsehen. Lange vor den Helden der Kreisklasse hatte Küppersbusch entdeckt, was den Amateurfußball für das Massenmedium Fernsehen reizvoll macht: das Milieu. Natürlich konnte man mit der Mannschaft fiebern, im Grunde ging es aber um Zuschauer-Sätze wie:

„Meine neunte Zichte jetz, werd wahnsinnig bei dem Gepöhle.“

Nach nicht mal eineinhalb Jahren war dann Schluss mit lustig. Rundfunkrats-Sitzung, Abstimmung im Fall „Privatfernsehen“, zu viele Daumen zeigen nach unten.

Und was macht der große K.? Legt einen Abgang hin, wie ihn das Fernsehen noch nicht gesehen hat. Den Zeitungen, die sich auf Bosheiten gegen die ARD freuen, lässt er erst einmal ausrichten, er sei im Baumarkt – „eine Zange klauen“.

Die letzte Sendung ist dann die letzte Sendung, nichts Besonderes. Bis, ja bis die Sendezeit des großen K. abgelaufen ist und er verkündet, noch nicht aufhören zu wollen.

„Wir senden so lange weiter, bis uns die ARD den Stecker rauszieht.“ Und er tat es!

Ich war damals 17, und das Vorbild, das ich so dringend brauchte, wurde plötzlich mein Held. Doch damit nicht genug: In seinem letzten Viertelstündchen schaltete Küppersbusch Roger Willemsen zu, dessen Talkshow im ZDF lief und Privatfernsehen nur um einige Wochen überleben sollte. Kurz vor ihrem Tod wurde ich Zeuge, wie sich die Intelligenz im deutschen Fernsehen verbrüderte. Willemsen lud Küppersbusch zu sich ein, und er solle seine Frau mitbringen; mache er, sagte Küppersbusch, aber vorher sei Willemsen noch mit einem Besuch dran. Dann muss Edmund Stoiber irgendwie in die ARD-Sendezentrale eingedrungen sein, denn plötzlich sah ich an Stelle der großen K. und W. das kleine ARD auf blauem Grund.  

Friedrich Küppersbusch kündigte danach an, nie wieder für die ARD zu arbeiten und nie wieder als Moderator vor die Kamera zu treten. Dabei ist es bis heute geblieben. Dem Produzenten Küppersbusch haben wir „Maischberger“ zu verdanken, die vielleicht beste Polit-Talkshow der letzten zehn Jahre. Auch „Becker 1:1“ geht auf das Konto seiner Produktionsfirma – man muss vermuten, dass es sich dabei um einen Scherz gehandelt hat.

Die Fernsehzuschauer haben Friedrich Küppersbusch längst vergessen. Für viele Medienjournalisten und für Verehrer wie mich ist er eine Legende, wenn nicht eine Heilsversprechung. Er lebt ja noch, und wer weiß, irgendwann hält er vielleicht doch wieder sein Gesicht in die Kamera und redet uns um den Verstand.

Manchmal ertappe ich mich dabei, wie beim Durchzappen eine Halbglatze mit spitzer Nase meinen Puls in die Höhe treibt – bis ich dann sehe, dass es sich doch nur um irgendeinen Haushaltsexperten irgendeiner Bundestagsfraktion handelt. Es ist wie mit einem alten Schwarm, den man einfach nicht aufgeben will.

AUSGABE 49
GUTES FERNSE
HEN –
SCHLECHTES FERNSEHEN





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