Moritz Hunzinger



TITEL

"Wir sind anständige Kerle"

TEXT: GRETA TAUBERT
BILD: PRESSESTELLE FORUM.MEDIEN.POLITIK



Politik ist wie ein Rührkuchen: im Grunde ziemlich trocken. Darum braucht Politik genau wie die Teigware einen Zuckerguss, um schmackhaft zu werden. Doch wer rührt diesen an? Wer sind die Bäcker des großen politischen Kuchens? Und wer will davon ein Stück abhaben?



Er ist mittelgroß, untersetzt und hat einen jungenhaft verschmitzten Blick. Sein dunkelbraunes Cord-Jackett passt zu den Lederschuhen, seine Krawatte ist perfekt gebunden und die dichten dunklen Haare sind akkurat gescheitelt. Moritz Hunzinger stellt seine Tasche ab und lässt den Blick über die Zuschauer schweifen. Hunzinger, der größte PR-Berater Deutschlands, steht auf dem Podest eines riesigen Hörsaales der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er ist Gast des
Forum.Medien.Politik. Der Kongress für und von Studenten widmet sich der politischen Kommunikation. Damit kennt er sich aus, da ist er der „Praktiker“ – wie er sich selbst gerne bezeichnet.

Eingekesselt von renommierten Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Medien sitzt der PR-Mogul, faltet die Hände und lauscht den Beiträgen. Man spricht über verschwommene Grenzen zwischen Medien und Politik, über Info-tainment und Mölle-Manieren. Dabei schwebt die große Frage im Raum: Ist dies die Zukunft der politischen Kommunikation?


Netzwerke aus Ritterlichkeit


Tatsächlich kommen in regelmäßigen Abständen neue Verstrickungen zwischen Politik und Medien zum Vorschein. Hunzinger berät Scharping. Kohl berät Kirch. Machnig berät Schröder. Schreiber berät Schäuble. Das kraftlose Wort „Beratung“ eignet sich bestens um Ratschlag und Geldspritze gleichermaßen zu beschreiben. Doch wie, Herr Hunzinger, entstehen solche Beziehungen? „Netzwerke sind nichts Abstraktes“ antwortet er im Lehrerton, „sie befruchten sich aus sich selbst“. In der Welt der Netzwerke gäbe es keine Leistung ohne Gegenleistung, sagt er. Und diese seien Dankbarkeit, Ritterlichkeit, Standhaftigkeit und Freundschaft. Ein unterdrücktes Lachen geht durch den Hörsaal. Danke Herr Hunzinger.

Und jetzt mal im Ernst: Die Beratung von Politikern scheint notwendig. Nicht etwa, weil Politiker zunehmend inkompetenter würden, sondern weil im Zeitalter der Informationen politische Entscheidungen immer schneller abverlangt werden. Wenn das ZDF-Frühstücksfernsehen eine politische Debatte ankündigt, müssen die Ergebnisse zur Tagesschau servierfertig sein. Das bringt Politiker unter Zugzwang – und erfordert eine professionelle Beratung.

Doch die Angebotspalette der Entscheidungshelfer ist groß: Sie beginnt in den Hinterzimmern der Regierungsgebäude, bei den Lobbyisten. „Sie sind oft wertvoll für Politik und Ministerien“, meint der Kommunikationsberater Jörg Ihlau, „denn sie geben das Feedback über die praktischen Auswirkungen der politischen Entscheidungen.“ Insofern sei Lobbying nicht unmoralisch – zumindest solange klar ist, wer in wessen Auftrag arbeitet.


Erfolg = Kompetenz + Telefonnummer

Ähnlich verhält es sich mit Beratungsagenturen für Public Affairs oder Public Relations. Sie unterstützen Unternehmen und Verbände im Dialog mit Politik, also ihrer politischen Kommunikation. Ihlau, der für die Agentur ECC Kohtes Klewes arbeitet, sieht eine zunehmende Professionalisierung im Beratungssektor. Themen- und Kommunikationskompetenzen seien Grundvoraussetzungen, doch für den Erfolg der politischen Kommunikation braucht es mehr. Nur wer die Telefonnummern der politischen Entscheider in der Kartei hat und weiß, wie Entscheidungsmechanismen funktionieren, kann seine Kunden erfolgreich vertreten.

Doch in dem jungen Bereich der politischen Beratung sei einer zu weit gegangen. „Einer hat der PR-Branche großen Kummer zugefügt“, gesteht Jörg Ihlau. Die Rede ist von Moritz Hunzinger. Seine Adressdatei umfasst nach eigenen Angaben circa 67.000 Namen, darunter Bill Gates, Joschka Fischer und Muammar el Gaddafi. Doch sowohl unter PR-Kollegen als auch bei Medienvertretern steht Hunzinger in Misskredit. Der Journalist Rainer Pörtner, der für die Berliner Zeitung im Politik-Ressort arbeitet, erklärt das so: „Im Bereich der politischen Beratung braucht es transparente Sphären“. Hunzinger jedoch würde gesellschaftliche, private und beratende Tätigkeiten derartig verquicken, dass sie einer demokratischen Legitimation widersprächen.


„Wir sind anständige Kerle“


Was Moritz Hunzinger denn nun wirklich in seinem Unternehmen - der „Hunzinger Information AG“ - macht, verhüllt der umstrittene PR-Berater in Anglizismen. Da fallen Worte wie „Monitoring and Research“, „Imagebildung“, “Coaching von Medienauftritten“ und „Shop-Events“. Vielleicht umschreibt letzteres auch den Einkaufsbummel mit Ex-Verteidigungsminister Rudolf Scharping. Und weil man laut Hunzinger in seinem Gewerbe nicht immer gewinnen kann („Wir sind anständige Kerle, aber manchmal hat man einfach Pech“), wurde Scharping trotz der fleißigen Image-Beratung durch die Hunzinger Information AG kurz danach dem Amt enthoben. Wer allerdings glaubt, das hätte etwas mit der PR-Arbeit aus dem Hause H. zu tun, der müsse ja wohl – Zitat -  „vom Affen gebissen sein“.

Wo genau Beratung innerhalb der Politik anfängt und wo sie aufhört, was sie bewirkt und was sie kostet, ist bislang nirgendwo standardisiert. Sie folgt keinem Kodex und ist noch dazu eine ungeschützte Berufsbezeichnung.

Am „politischen Kuchen“ also backen viele Hände mit. Doch niemand kann sagen, wer denn nun wirklich den Entscheidungs-Löffel schwingt. Zu unübersichtlich ist es in der Regierungsküche mittlerweile geworden. Ob Politiker, PR-Berater oder Lobbyist – dem Wähler bleibt verborgen, wer sein Zuckerbrot knetet. Hauptsache, möchte man manchmal seufzen, es findet endlich einer das Erfolgs-Rezept.

 



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