PERSPEKTIVEN
Netzwerk + Kultur =
PPP?
TEXT:
MARC LAUTERFELD
BILDER: MUSEUM KUNST PALAST
Über die Grenzen der Region hinaus ist die Stiftung museum kunst palast ein vieldiskutiertes Modell eines
öffentlich-privaten Netzwerkes. Die Zusammenarbeit der Landeshauptstadt
Düsseldorf mit privaten Partnern – insbesondere der E.ON AG – ist die erste
langfristig ausgerichtete Public-Private-Partnership (PPP) in Deutschland.
Das
PPP-Konzept
In Anbetracht der schwierigen Finanzsituation der öffentlichen Haushalte
wandelt sich das Staatsverständnis: Der Staat beschränkt sich zunehmend auf
seine Kernkompetenzen und sucht Partner für Projekte, die über diese
Kernaufgaben hinausgehen. PPP bedeutet Kooperation von öffentlicher
Hand und privater Wirtschaft bei der Planung, der Erstellung, der
Finanzierung, dem Betreiben und der Verwertung von bislang staatlich
erbrachten öffentlichen Leistungen und will einen wichtigen Baustein zur
Modernisierung des Staates und der Verwaltung sein. Man spricht von einem
Lebenszyklusansatz. Im Rahmen von PPP tritt die öffentliche Hand als
Nachfrager von Dienstleistungen auf. Die von Privaten erbrachten Leistungen
werden auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen vergütet. PPP‑Projekte
sind charakterisiert durch eine langfristige vertragliche Zusammenarbeit
zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, verbunden mit einem
sachgerechten Risikotransfer. Das investive Volumen eines PPP-Projektes
sollte einem Strategiepapier des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums
zufolge 15 Millionen Euro nicht unterschreiten; anzustreben seien aber
größere Investitionsvolumen, da nur so signifikante Effizienzvorteile zu
erwarten seien.
PPP‑Modelle entstehen entweder durch Gründung einer gemeinsamen
(öffentlich-privaten) Gesellschaft, wobei die Geschäftsanteile
projektabhängig unterschiedlich verteilt sein können. Die Zweckbestimmung
der PPP sowie Aufgaben‑ und Risikoverteilung werden dann im
Gesellschaftervertrag geregelt. In einer zweiten, im Falle des öffentlichen
Hochbaus gebräuchlicheren Variante, wird der Zweck im Rahmen eines
Dienstleistungs‑ bzw. Konzessionsvertragsverhältnis zwischen der
öffentlichen Hand und einer rein privaten Projektgesellschaft geregelt.
PPP‑Modelle bedeuten einen Paradigmenwechsel sowohl bei der öffentlichen
Hand, die marktgängige und über lange Zeitläufe nachhaltige Projekte
entwickeln, strukturieren und in den Wettbewerb geben muß,
als auch bei den Privaten Partnern, die – zum großen Teil aus bisher klar
abgegrenzten Branchen, Geschäftsfeldern und Marktsegmenten kommend – die
neue Aufgabe als ein neues Geschäftsfeld mit
Anforderungen sui generis, insbesondere Risiken aber eben auch Chancen
begreifen müssen. Die Landesregierung Nordrhein‑Westfalen hat Ende 2001 mit
der Gründung einer PPP‑Initiative auf diese Anforderungen reagiert und ist
bestrebt, eine stabile PPP‑Kultur herauszubilden.
PPP‑Projekte werden von den zuständigen
Projektträgern, zumeist auf kommunaler Ebene –
wie auch beim museum kunst palast –, in
eigener Verantwortung entwickelt und durchgeführt. Die anfangs hohen
Transaktionskosten (Anwälte, Finanz‑ und Steuerberater etc.) werden mit
zunehmendem „Deal‑Flow“ sinken, allerdings werden sie auf Grund der langen
und viele Aufgaben urnfassenden Projektlaufzeiten immer höher sein als bei
herkömmlichen, ausschließlich die Planung und den Bau umfassenden,
Projekten.
Hintergrund
Seit 105 Jahren
ist der Standort des Ehrenhofs von entscheidender Bedeutung für die
wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Düsseldorfs. Als 1898 einige
führende Industrielle und Künstler die Initiative ergriffen, mit privatem
Kapital die „Große Industrie‑, Gewerbe‑ und Kunstausstellung" von 1902
auszurichten, war dies die Geburtsstunde der Messe‑ und Ausstellungsstadt
Düsseldorf. Das Ergebnis waren 5 Millionen Besucher und ein Überschuß, der
es erlaubte, den im Zuge dieser Ausstellung errichteten Kunstpalast den
Künstlern zu überlassen. Nach dem Auszug der
Messe Mitte der 70er Jahre wurde es stiller im
Ehrenhof.
Unter Rückbesinnung auf die Entstehungsgeschichte
des Kunstpalastes und das damalig
gut funktionierende Netzwerk von Kultur und
Wirtschaft hatte die Stadt Düsseldorf für
den Neubau des
Kunstpalastes am Ehrenhof nach einem privaten
Partner Ausschau gehalten und mehrere gefunden.
Neben dem Motiv, ein Grundstück für die Hauptverwaltung in attraktiver Lage
zu erwerben, ging es einem der privaten Initiatoren, dem Energiekonzern E.ON
AG, auch darum, sich für den Kunststandort Düsseldorf einzusetzen.
1997 wurde daher die
Stiftung museum kunst palast zusammen mit der Landeshauptstadt
Düsseldorf als PPP begründet. Im September 2001 nahm die
Partnerschaft mit der Eröffnung des museum
kunst palast erste konkrete Formen an,
an der heute auch die Metro Group und die degussa AG
sowie weitere Zustifter beteiligt sind. Nachdem das ehemalige
Planetarium ‑ später als „Rheinhalle“ genutzt
‑ schon vor 25 Jahren unter erheblicher
Finanzbeteiligung privatwirtschaftlicher Förderer
zur Tonhalle umgebaut und auch die Umgestaltung
des ehemaligen
Reichsmuseums und späteren Landesmuseums Volk
und Wirtschaft in das NRW‑Forum Kultur und
Wirtschaft durch eine gemeinsame
Trägerschaft von Land, Stadt,
Messe und anderen
privatwirtschaftlichen Partnern in Angriff
genommen werden konnte,
fand die Erneuerung des Ehrenhofs mit der
Stiftungsgründung durch die Landeshauptstadt und ihren privaten Partnern
ihren Abschluß.
Sichtbares
Zeichen der Partnerschaft mit der E.ON AG ist der
gemeinsame Gebäudekomplex.
Das architektonische Gesamtensemble „Ehrenhof“
des Architekten Oswald Mathias Ungers zeichnet sich durch seine
klare geometrische Architektur sowie durch
Offenheit und Transparenz aus. Die Nachbarschaft von
Wirtschafts‑ und Kulturleben soll einen intensiven
Austausch und direkte Teilhabe ermöglichen,
Kommunikation, Kreativität und Flexibilität fördern.
Im Gegenzug
übernahm die Stiftung
zeitgleich mit der Aufnahme des
Betriebs des neuen
Kunstpalastgebäudes auch den Betrieb des
museums kunst palast, das heißt: Das Eigentum
am Gebäude und am
städtischen Kunstbesitz
sowie die Verpflichtungen
der Stadt gegenüber
Leihgebern, Schenkern und Stiftern
verbleiben bei der Stadt, aber der
Betrieb des Hauses ging auf die Stiftung über.
Damit wurde erreicht, daß der
Betrieb von Museum und
Kunstpalast in der Stiftung museum kunst palast eine
untrennbare Einheit
eingehen.
Die Organisation der PPP
An der Spitze der Stiftungsmannschaft
steht der Vorstand, der aus 1 bis 3 Personen
bestehen kann und die Geschäfte der Stiftung
führt. Die Variabilität
in der Mitgliederzahl
wurde gewählt, um
flexibel auf kaufmännische Anforderungen
reagieren zu können. Der Vorstand wird
beraten und überwacht
von einem 14‑20 köpfigen
Kuratorium, das die Beachtung des
Stifterwillens
sicherzustellen hat. Dabei ist – wohl nahezu
einmalig für die deutsche
Museumslandschaft ausdrücklich
festgelegt, daß das
Kuratorium nicht in das Ausstellungs‑,
Veranstaltungs‑ und
Arbeitsprogramm der Stiftung hineinreden
kann, sondern dieses
lediglich zur Kenntnis zu
nehmen hat. Eine
Besonderheit dürfte auch die Zusammensetzung
des Kuratoriums sein: Weder die Landeshauptstadt
(7 Sitze) noch die E.ON AG (4 Sitze) noch die vom
Kuratorium hineinzuwählenden
Mitglieder (3‑9 Sitze) haben die
Mehrheit.
Nutzen der PPP
Laut
Stiftungssatzung
soll die Stiftung museum kunst palast ein
Museum und Ausstellungszentrum von internationalem
Rang zu sein, das im nationalen und
internationalen Wettbewerb der
großen Museen und
Ausstellungshäuser
bestehen und mit solchen
Häusern konkurrieren
kann. Größenordnung und Finanzausstattung der
Kunststiftung erlauben es, Bereiche wie Vermittlung/Pädagogik und
Kommunikation/Marketing/Fundraising
auf eine professionelle Basis zu stellen und
ihnen einen Abteilungsstatus zu geben, der andere
Abteilungen wie
Sammlungsbereich und Ausstellungswesen
zwingt, sie bei jedem Projekt von vornherein
hinzuzuziehen.
Die
Selbständigkeit und privatrechtliche Form der
Stiftung soll zu einem Abbau von bürokratischen
Hemmnissen und zu
entsprechender Zielorientiertheit der
Arbeit des Hauses beitragen. So
entscheidet die Stiftung
alle ihre Belange
selbständig, führt
ihre Finanzen nicht nach kameralistischen,
sondern nach kaufmännischen Grundsätzen und lässt
diese von einem Wirtschaftsprüfungsbüro prüfen, das heißt: nicht die
Einhaltung von Einnahmen‑ und Ausgaben‑Ansätzen
ist maßgeblich, sondern die Einhaltung des im
Wirtschaftsplan vereinbarten Ergebnisses, dessen
Unter‑ oder Überschreitung automatisch auf das
nächste Jahr
vorgetragen wird. Und nicht
zuletzt hat die Stiftung ihre eigene
Personalhoheit, was sie angesichts der
Zusammensetzung des
Kuratoriums von dem Verdacht
parteipolitischen
Proporzdenkens befreit.
Die räumliche und
persönliche Nähe zwischen Stiftung und E.ON AG führen zu
konkreten Synergieeffekten:
Kann die E.ON den Robert‑Schumann‑Saal nutzen
und folglich auf einen
größeren Saal verzichten,
kann die Stiftung die bei
ihr selbst eingesparten
Besprechungsräume der E.ON frequentieren.
Die Tiefgarage der E.ON wird gerade zu den
Zeiten,
in denen die Stiftung in der Regel den
größten Besucherandrang haben wird, am
wenigsten von der E.ON‑Belegschaft
genutzt werden und daher überwiegend den Besuchern zur Verfügung stehen.
Zusammenarbeit bei der Gebäudeüberwachung,
Telefonzentrale und Postverteilung etc. sind nur
einige weitere Themen, wo das Netzwerk funktioniert. Das
wichtigste aber dürfte der privatwirtschaftliche
Erfahrungsschatz sein, der sich durch das
öffentlich-private Netzwerk erschließt.
Die privatwirtschaftliche Struktur einer Stiftung
wird die Kunststiftung Ehrenhof Düsseldorf
sowohl in die Lage
versetzen als auch nötigen, Kooperationen mit
renommierten
internationalen Häusern wie zum
Beispiel dem
Whitney
Museum in New York, aber auch mit west- und
osteuropäischen oder japanischen Häusern
einzugehen. Denn neben dem
Austausch von Kunst geht es auch um den von
Wissen, insbesondere im
Bereich des Managements. Die
Stiftungskonstruktion und
ihre beschriebenen
Effekte machen die Kunststiftung auch attraktiv
für weitere Zustifter und Sponsoren.
Denn die meist bevorzugte
privatrechtliche Form verbindet sich hier mit
der stets gern gesehenen Garantenstellung der
öffentlichen Hand.
Die Ausstellungen
Entsprechend dem gelebten organisatorischen
Netzwerk beschäftigt sich das museum kunst palast auch im Rahmen
seiner Ausstellungen mit Netzwerkaspekten. Bereits die Eröffnungsausstellung
„altäre – kunst zum niederknien“ zeigte die weltumspannende
Altarkultur und suchte vermeintlich Getrenntes zu verbinden: Ethnologie und
Kunst.
Die gegenwärtige Ausstellung „Das endlose Rätsel
Dali und die Magier der Mehrdeutigkeit“
(22. Februar bis 9. Juni 2003) geht zum einen der Frage nach, was ein
Doppelbild, ein
Kompositbild, ein Drehbild, eine
Anamorphose, ein Rorschach‑Bild,
eine falsche Perspektive oder
etwas Anthropomorphes
ist. Zugleich steht aber auch hier die Suche nach Netzwerkstrukturen im
Vordergrund: Was verbindet ein
Gemälde von Arcimboldo
mit einer mongolischen
Miniatur aus derselben Zeit?
Warum tauchen in sehr weit
entfernten Kulturen visuell
doppeldeutige Bilder auf? In
direkter Anlehnung an
den Titel eines von Salvador Dali im Jahre 1938
geschaffenen Gemäldes
widmet sich das museum kunst palast unter dem
Leitthema „Das endlose Rätsel“ dem Kontinente und
Epochen übergreifenden
Phänomen der Mehrdeutigkeit in der Kunst und
präsentiert erstmalig
Beispiele aus anderen Kulturkreisen zusammen mit
Werken von Künstlern wie Dali. Über 350 Werke geben
Zeugnis von dem Spiel mit der menschlichen
Wahrnehmung, das sich vom
ausgehenden 11.
Jahrhundert bis in die heutige Zeit durch
alle Kulturen verfolgen läßt.
Das breite Spektrum der ausgestellten Werke bietet ein lustvoll‑spannendes
Kunsterlebnis für Jedermann, denn die Kunstwerke offenbaren ihre
„Geheimnisse“ bei genauem Schauen – und lassen so ein „Netzwerk besonderer
Art“ entdecken.
ZUM
SEITENANFANG |
AUSGABE 31
SCHWERPUNKT NETZWERKE
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
"WIR SIND ANSTÄNDIGE KERLE"
MORITZ HUNZINGER IM GESPRÄCH
SOZIALES KAPITAL UND SEINE RENDITE
ARGENTINIEN AM SCHEIDEWEG
NETZWERK + KULTUR = PPP
GOOGLE NEWS - MEDIALES
WUNDERPRODUKT?
GETEILTES LEID IST HALBES LEID, ODER?
"KIRCH MEDIA"
ALLES
IST EINS
ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
PRESSESERVICE
IMPRESSUM
COVER DER AUSGABE 31
|