TELEMESSE 2003 IN KÖLN

War of Emotions


TEXT: MARION BUK-KLUGER
BILD: TELEMESSE



Alle Jahre wieder traf sich die Medienbranche zu ihrem zentralen Event: der Telemesse. 2003 zum zweiten Mal im Coloneum in Köln. Der werberelevante Fernsehmarkt wurde von den 27 ausstellenden TV-Sendern präsentiert, die ihre Programme und Angebote für das Jahr 2004 vorstellten und erneut einen Kampf um die Gunst der Werber entfachten.

Denn in Wahrheit geht es um Werbung: die Shows, Serien und Filme sind nur schönes Beiwerk und sollen der bunten Welt der zahlreichen Produkte ein passendes Umfeld liefern. „Mit Fernsehen mehr erreichen“ lautet auch der Slogan der Messe, die in trauter Einheit von den beiden größten Werbezeitenvermarktern IP Deutschland (Vermarkter der RTL-Gruppe) und SevenOneMedia (zuständig für die ProSiebenSat.1-Familie) bereits zum siebten Mal veranstaltet wurde. Mehr heißt: mehr Quote, mehr Kunden, mehr Gewinn.

Und was spricht die Werbung an? Natürlich unsere tiefsten Bedürfnisse nach der Befriedigung unserer Gelüste und Sehnsüchte. Genuss, Ansehen, Lebensfreude sollen sie uns bringen die Produkte, die wir mehr oder weniger brauchen. So funktioniert auch die Telemesse: Scharen von Agentur-Mitarbeitern durchlaufen das Screening, das sind die 60 bis 90-minütigen Präsentationen der Sender, und lassen sich überzeugen, dass nur der jeweils präsentierende Sender, das einzig wahre Umfeld für die Werbebotschaften ihrer Kunden liefern kann. Und damit wir in der Welt der Werbung bleiben, werden auch während der beiden Messetage die Gelüste der Besucher aktiviert und dies geschieht mit den Mitteln der Werbung.

Exzellentes Catering stillt das Grundbedürfnis der Nahrungsaufnahme. Cappuccino, Espresso, Cocktails vermitteln diesen Touch nach der coolen Arbeitswelt, in der wir alle gerne unterwegs sind, wo die Wahl des richtigen Kaffees uns Power und Erfolg für den Tag verspricht.

Und die Geschenke nicht zu vergessen, werbetechnisch „Give aways“ genannt, die nach den Programmvorstellungen einem jeden in die Hand gedrückt werden und ein Gefühl von Weihnachten vermitteln. Wann als Erwachsener bekommt man schon freiwillig soviel schöne Dinge (schicke Taschen, DVDs, Schirme, Bücher, Kuscheldecken und vieles mehr) einfach so überreicht und muss nichts dafür tun, außer 60 bis 90 Minuten still den Ausführungen der Geschäftsführer von RTL, SAT.1, ProSieben, N-TV, ZDF etc. zu lauschen, die kund tun von der Marktführerschaft in den einzelnen Phasen des Tages, die nicht nach Stunden, sondern nach Prime Time (20 bis 23 Uhr), Day Time (13 bis 17 Uhr) und Access Prime (17 bis 20 Uhr) eingeteilt sind.

Aber wir wären nicht im heutigen Fernsehzeitalter, wenn die Herren aus den Chefetagen nur Monologe führen würden – nein in der „Schlacht“ um Werbekunden wird alles aufgeboten, was man an Zugpferden im Sender unter Vertrag hat.

Das ZDF schickte Barbara Schöneberger in den Kampf und ließ sie den Screening-Besuchern bei einem Tässchen Kaffee und Streuselkuchen Lust auf den zweiten Kanal machen, mit dem Mann/Frau einfach besser sieht! Was? Nun altbewährtes wie Landärzte, Förster, Tiere („Hallo Robbie – die Seelöwendame, oder Charly, den Affen), Krimi-Serien, Sport-Events und eine neue Comedy-Show „Halt durch Paul“, so der Arbeitstitel, sowie die ZDF-Casting-Show.

Womit wir bei einer weiteren Eigenheit der Telemesse sind. RTL ließ Dieter Bohlen samt Daniel Küblböck und Co. auf die zweite Staffel „Deutschland sucht den Superstar“ einstimmen und das Publikum vergessen, dass der Casting-Vorreiter doch Popstars auf RTL II war, der uns die No Angels (übrigens auch auf der Telemesse beim Gemeinschaftsscreening der ProSiebenSat.1-Familie zu bewundern) und Bro´sis bescherte. Egal, RTL wird 20, das darf gefeiert und soll auch in die Welt getragen werden, daher gab's am Ende der Show ein T-Shirt mit passendem Aufdruck. Nicht zu vergessen, den Hinweis auf die ultimative DDR-Remember-Show, moderiert von Oliver Geissen und Katharina Witt (die beim ZDF Kai Böcking zum besten geben wird!), und der Ankündigung „Dieter den Film“ zu produzieren. Da wäre noch „Superstar Junior“, eine weitere Vorreiter-Idee und damit im Sinne von RTL-Chef Gerhard Zeiler, der ankündigte: „RTL bleibt weiter die wichtigste Adresse für Innovationen im deutschen TV“, oder doch nur Antwort auf die SAT.1 Star Search – Kategorie „Music Act 10-15“?

Der Berliner Sender setzte bei seiner Präsentation auf Harald Schmidt, der „powered by emotions“ seinen Wohlfühlsender feil bot, in dem uns großes Gefühlsfernsehen durch Eigenproduktionen, aber auch EX-RTL-Explosiv-Woman Barbara Eligmann begeistern werden. Und als Trost für die verlorene Bundesliga-Berichterstattung konnte SAT.1 zumindest die Champions League erkämpfen. Ob wir da nicht irgendwann ganz den Überblick verlieren?

Kabel 1 bleibt auf jeden Fall, der Kanal mit den besten Filmen aller Zeiten und untermalte diesen Trumpf mit einem klassischen Orchester, das sich mit dem dazugehörigen Jingle in die Herzen der Zuseher spielte.

Das Gemeinschafts-Screening von SAT.1-Kabel1-N24 und ProSieben hatte letztendlich eine Botschaft: we love to entertain you.

Und das wollen alle Fernsehmacher, aber wenn es geht eben auch mit Werbung. Und daher tüfteln die Vermarkterfirmen an neuen Ideen, wie der Zuschauer davon abgehalten werden kann, während der Werbeinseln wegzuzappen. Vorschläge und Programmplätze hierfür gab es in Köln einige. Ein hartes Stück Arbeit also doch für die Messebesucher, sich unter den vielfältigen Möglichkeiten völlig emotionslos, diejenigen auszusuchen, die den größten Erfolg versprechen.

Aber wer will das vorhersehen, ob eben genau die eine Variante einer Kampagne an genau diesem Ort im Programm zu eben genau dieser Zeit den Absatz des einzelnen Produktes steigern wird. Am besten so oft wie möglich einbuchen, dann entkommt auch der Zuschauer auf heimischem Sofa nicht den Emotionen und darf seinen ureigenen Kampf ausfechten, ob er nun zur Chipstüte greift oder doch lieber das neue Statussymbol erwirbt, das ihm alle Sehnsüchte erfüllt. Der „war of emotions“ wird weitergehen und im nächsten Jahr wird auf der Telemesse 2004 sicher erneut eine wunderbare Werbewelt präsentiert.

 

 


ZUM SEITENANFANG

AUSGABE 33
SCHWERPUNKT INFOWAR




STARTSEITE

EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT HOWARD RHEINGOLD
WARBLOGS: AUGENZEUGENBERICHTE ODER DESINFORMATION?
FRIEDEN AN DER GRENZE, KRIEG IM NETZ
BAGDAD ZUR PRIMETIME
KANONENFUTTER IM GEISTE
DAS IFG STEHT IM KOALITIONSVERTRAG
WAS GEHEN DIE PHILOSOPHIE COMPUTER AN?
DER DRITTE TURN DER PHILOSOPHIE
WAR OF EMOTIONS

PROPAGANDAMATERIAL FÜR DEN GESCHLECHTERKRIEG?
ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG
FRIEDMAN - DÜRFEN DIE MEDIEN RICHTEN?
POLITISCHES BRANDING
KRIEG ALS FORTSETZUNG DER PR?


NEWSLETTER DER GEGENWART
PRESSESERVICE: WAS IST DIE GEGENWART?
IMPRESSUM




DAS COVER DER AUSGABE 33

Klicken Sie hier, um in das Archiv der Gegenwart zu gelangen.

ALLE AUSGABEN IM ARCHIV




Diesen Artikel drucken Diesen Artikel an einen Freund senden
 


Diesen Artikel an einen Freund senden

DIESE SEITE EMPFEHLEN


Bitte geben Sie hier die E-Mail-Adresse des Empfängers ein.