Keith, Kinski und Krüger


INTERVIEW:
KAI HALLER
BILDER: SEBASTIAN KRÜGER



Nur wo Krüger drauf steht, ist auch Krüger drin. Das ist wörtlich zu nehmen, denn Werke, die Europas bekanntester Karikaturist Sebastian Krüger nur mit "Krü" signiert, stammen nur zur Hälfte von ihm. Die anderen 50 Prozent sind die Vorgaben von Art-Direktoren. Das kommt zum Glück nur selten vor.

AUSGABE 35
SCHWERPUNKT AUFBRUCH 2004




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Bilderstrecke: Keith, Kinski und Krüger
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Krüger ist am 30 Juni 1963 in Hameln geboren worden und begann im Anschluss an die Schulzeit 1982 ein Studium im Fach Freie Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig. Nach dem Studium startete Krüger seine freiberufliche Karriere als Karikaturist, Illustrator und Maler. Mit seinen bekannten Rolling Stones Portraits und Karikaturen gelang Krüger auch der internationale Durchbruch. Seine Veröffentlichungen sind in Europa sowie in den USA sehr gefragt.

Seit 1992 veröffentlicht er regelmäßig Kunstkalender mit Karikaturen von Größen aus Wirtschaft, Politik und Kultur. Zu seinen Auftraggebern, für die er diverse Titelblätter und Illustrationen angefertigt hat, zählen bekannte Magazine wie Stern, Der Spiegel, Capital, Musik-Express, Petra, L’Espresso, Playboy und Penthouse. Die ausgeprägte Leidenschaft für die Rolling Stones hat ihm nicht nur den internationalen Durchbruch beschert, sondern auch eine Freundschaft zu den Rock-Legenden entstehen lassen.

Wenn Krüger malt, ist das für ihn unter anderem ein Ventil, um Aggressionen abzubauen. Seine Bilder existieren erst in seinem Kopf, anschließend malt er so lange, bis das Bild auf der Leinwand mit seiner Vorstellung im Kopf identisch ist. Begleitend dazu, versucht er alle möglichen Informationen, insbesondere Fotos, über die Person zu sammeln, die er erhalten kann, um so genau wie möglich zu arbeiten. In erster Linie karikiert Krüger Personen, die aus seiner Sicht ein „interessantes Gesicht und Ausstrahlung“ besitzen. Karikaturen sind für ihn „überzeichnete Wahrheiten und gezeichnete Satiren“. Der
„Reiz an der Karikatur“ besteht für Krüger darin, ein gezeichnetes Gesicht bis an die Grenze der Erkennbarkeit zu verzerren. Die bekannte Person muss dabei jedoch auf den ersten Blick erkenntlich bleiben.

Sebastian Krüger möchte sich auch in der Nachwuchsförderung junger Zeichner, Karikaturisten und Portraitmaler engagieren. Ab 2005 verleiht er den Krüger-Förderpreis, wodurch der Öffentlichkeit das Werk des ausgezeichneten Künstlers näher gebracht werden soll.

Zur Zeit stellt Krüger unter anderem seine Werke im Krüger-Museum in Bad Rehburg aus. Das alte Badehaus der Historischen Kuranlagen mit seinem „Blauen Salon“ präsentiert eine Dauerausstellung mit Krügers Werken.

Am Rande seiner Werkausstellung und Kalenderpräsentation 2004 in Bad Rehburg traf Die Gegenwart den Künstler und sprach mit ihm über Anfänge, Auftragsarbeiten, Reaktionen, die Rolling Stones und seine Wünsche für 2004.

Herr Krüger, wie hat alles angefangen?

Sebastian Krüger: Angefangen hat das ganze bei mir als Kleinkind mit drei Jahren. Wie es jetzt genau zustande gekommen ist, weiß ich nicht mehr so ganz, aber in der Zeit war der Funke, der alles ausgelöst hat.

Hatten Sie schon damals besondere Zeichenfähigkeiten?

Sebastian Krüger: Nein. Die Fähigkeiten, waren
im Vergleich zu anderen Kindern völlig durchschnittlich. Im sechsten oder vielleicht siebten Lebensjahr kristallisierte sich aber heraus, dass meine malerischen Fähigkeiten etwas besser waren als die des Nachbarkindes.

Was waren die ersten Einflüsse und Motive?

Sebastian Krüger: Irgendwann während der Schulzeit waren die Lehrer dran, oder ich habe meinen Vater mal auf's Korn genommen. Meine ersten Einflüsse waren die Comics von Donald Duck. Das war, aus heutiger Perspektive betrachtet, ganz wichtig. Noch vor meinem sechsten Lebensjahr ging ich mit meinem Vater in meinen ersten Donald Duck Kinofilm. Und ich war fortan infiziert.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das erste Geld mit Ihren Zeichnungen verdienten?

Sebastian Krüger: Den ersten Kommerz habe ich 1974 gemacht. Und zwar hat damals mein hochgeschätzter Kollege Volker Ernsting aus Bremen die gesamte Fußballnationalmannschaft für die Hörzu karikiert. Ich war hin und weg davon und schaute mir zu diesem Zeitpunkt auch die Fußballweltmeisterschaft im TV an. Seine Karikaturen habe ich abgezeichnet und diese im Fußballvereinsheim zu Altenhagen verscherbelt. Dadurch bin ich damals stolzer Besitzer von über 80 Mark geworden. Mein erstes Geld war verdient.

Gibt es eine Person, die Sie besonders gerne Zeichnen?

Sebastian Krüger: Also, ich denke mal von Keith Richards existieren von mir mehr Portraits als Karikaturen. Er ist und bleibt wahrscheinlich auch mein Favorit was Gesicht, Ausdruck und Person angeht. Eigentlich der ganze Mann. Aber ansonsten bin ich eigentlich relativ flexibel. Ich porträtiere übrigens auch ziemlich gerne Frauen, wenn sich das mal anbietet.

Existieren auch Akt-Zeichnungen?

Sebastian Krüger: Es gibt Akt-Zeichnungen, natürlich. Ich besuchte während meines Studiums unter anderem auch einen Aktkurs. Akt-Zeichnungen gab es aber auch schon davor. Das war in der Zeit meiner Pubertät. Damals habe ich mit Hilfe von Akt-Zeichnungen, in meiner Fantasie, Heldinnen wie Pamela Anderson schon vorweggenommen.

Als Karikaturist sind Sie weit über die Grenzen Deutschlands bekannt. Neben den Rolling Stones werden vor allem Politiker „Opfer“ ihrer Künste. Gibt es Reaktionen auf Ihre Bilder seitens der Politiker?

Sebastian Krüger: Die Politiker, bis auf Willy Brandt, habe ich alle nicht freiwillig gemalt. Das waren Auftragsarbeiten. Und hier liegt der feine Unterschied zu den Rolling Stones-Bildern, die ich aus freien Stücken anfertige und angefertigt habe. Die Reaktionen der Politiker sind im Allgemeinen, wenn sie überhaupt reagieren, ziemlich positiv. Die Politiker Joschka Fischer und Guido Westerwelle würde ich sogar als „Fans“ meiner Werke (wenn ich das so sagen darf) bezeichnen, die schon mal Drucke ihrer, von mir angefertigten, Karikaturen bei mir bestellen.

Welche Reaktion ist da besonders in Erinnerung geblieben?

Sebastian Krüger: Da ist mir eine Geschichte besonders in Erinnerung geblieben. Ein über die Grenzen Italiens hinaus bekannter italienischer Politiker ist übrigens ein erklärter Gegner von mir. Bei der Reaktion ins Detail zu gehen, ist echt schon heftig. Die besagte Person hat mir übelste deutsche Nazi-Methoden vorgeworfen, weil ich ihn ab und zu für das italienische Magazin L’Esspresso karikiert habe. Er hatte mir vorgeworfen, dass ich ihn so verunglimpfen würde, wie die Nazis das mit ihren Karikaturen über das jüdische Volk in der NS-Zeit gemacht haben.

Und eine Anekdote von den Stones?

Sebastian Krüger: Die lustigsten Anekdoten gibt es immer von Keith Richards. Einmal hat er mich Dr. Frankenstein genannt. Auf meine Frage: Warum „Dr. Frankenstein“? sagte Keith zu mir, dass er sich als meine Kreatur bezeichnet. Er meint, ich gebe ihm mit meinen Zeichnungen vor, wohin er sich entwickeln muss. Das letzte Mal als wir uns gesehen haben, bezeichnete er mich als „the man with the evil eye“.

Die Stones zu kennen, kann ja nicht von Nachteil sein. Wie kann man sich den Kontakt vorstellen?

Sebastian Krüger: Ronnie Wood ist mittlerweile einer meiner besten Freunde. Auch wenn das blöd klingt. Es ist einfach die Wahrheit. Bei Keith ist es so, dass er wirklich von mir erwartet, dass ich die Stones besuche, wenn Sie sich in Deutschland befinden. Dies ist ganz besonders der Fall, wenn Sie in Hannover sind. Ronnie hat übrigens auch die Malerei als Leidenschaft für sich entdeckt.

Wann und wo entfaltet Sebastian Krüger seine Kreativität am besten?

Sebastian Krüger: Meistens nachts und vor dem Fernseher. Während ich mir auf Quickton irgendwelche grotesken Mistsendungen angucke, kann es durchaus schon mal passieren, dass ich tatsächlich bestimmte Erleuchtungen kriege.

Im Hinblick auf die Streitigkeiten zwischen Koalition und Opposition, im Hinblick auf schmerzende Reformen und die Unzufriedenheit der Bürger über die gemachte Politik, dürfte es doch für einen Karikaturisten eine Menge zu tun geben. An Motiven aus der Politik wird es bestimmt nicht mangeln.

Sebastian Krüger: Also, an Motiven würde es nicht mangeln. Ich beschäftige mich mit diesem Feld natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen. Mal ein Beispiel. Meine Arbeit für ein bekanntes Wirtschaftsmagazin ist beendet. Ich bin praktisch gefeuert worden. Das Blatt wurde umgestellt. Das ist auch ein Phänomen für mich. Ich war immer pünktlich, ich habe immer gut geliefert, ich habe denen einen fairen Preis gemacht und über fünf Jahre regelmäßig für die gearbeitet. Dafür wird man eben gefeuert in Deutschland. So ist das nun mal.

Gibt es auch Auftragsarbeiten, die Sie generell aus Überzeugung ablehnen würden?

Sebastian Krüger: Natürlich. Bisher hat man derartige Sachen nicht an mich herangetragen. Die Leute, die mich kennen, wissen auch, dass das überhaupt gar keinen Zweck hätte. Komischen Idealen, Sekten oder extremen politischen Vereinigungen würde ich mich nie anbieten. Kinder- oder Tierpornografie würde ich ebenfalls niemals zeichnen.

Inwiefern spielt die eigene Meinung bezüglich der Entstehung Ihrer Zeichnungen bestimmter Personen eine Rolle?

Sebastian Krüger: Als Karikaturist muss ich so objektiv wie möglich sein. Ich würde mich nie irgendwelchen Parteien aufdrängen. Alle müssen ihr Fett gleichmäßig weg kriegen.

Können Sie Ihre Vorstellungen hundertprozentig verwirklichen, wenn Sie Auftragsarbeiten wie zum Beispiel für das Magazin Capital anfertigen?

Sebastian Krüger: Die meisten politischen Geschichten habe ich für das Wirtschaftsmagazin Capital gemacht. In diesem Fall musste ich mit angezogener Handbremse arbeiten. Ich habe immer Rücksicht genommen. Ganz nach dem Motto: „Wir sind ja nur ein Wirtschaftsmagazin, und wir haben Anzeigenkunden.“ Ich durfte nie so, wie ich eigentlich gewollt hätte. Aus diesem Grund habe ich alle diese Arbeiten nur mit „Krü“ anstatt mit „Krüger“ signiert. Aus dem ganz einfachen Grund, weil in den Werken inhaltlich nur 50 Prozent von mir drinstecken. Das ist eine Lösung, die ich für mich gefunden habe, um nachts besser schlafen zu können. Überall wo „Krü“ drunter steht, sind 50 Prozent des Werkes Vorgabe von irgendwelchen Art-Direktoren.

Weg von der Politik, hin zu den Medien. Was soll einem Künstler wie Ihnen das Medienjahr 2004 bescheren? Eine Titelseite bei der „Time“?

Sebastian Krüger: Ich würde mir wünschen, dass viele Magazine und Illustrierte endlich mal wieder auf Illustration und Karikatur zurückgreifen und nicht intern irgendwelche Textbegleitungen von einem Hilfsfreak am Computer machen lassen, was anschließend unsäglich aussieht. Gebt mal wieder ein bisschen mehr Geld für Illustrationen aus! Und mal auf dem New Yorker zu landen oder so, das wäre doch auch nicht das Schlechteste.

Gibt es Ziele im Jahr 2004? Was wäre denn der Traum von Krüger?

Sebastian Krüger: Der absolute Traum für mich wäre, nicht mehr auf Auftragsarbeiten angewiesen zu sein. Dann könnte ich alle meine Bedürfnisse befriedigen, das heißt zum Beispiel meine Malerei weiter zu entwickeln. Aber ich bin im Prinzip auf dem richtigen Weg dazu. Ich nehme mir mittlerweile auch die Zeit, mehr für Freunde, Sammler und für mich selbst zu arbeiten.

Vielen Dank für das Interview!
 

Das sagen andere über Krüger und seine Werke:

"....Porttkarikaturen, die bei aller Verzerrung doch nie so bösartig sind, dass sie nicht der Eitelkeit des Gezeichneten (oder Gemalten) schmeichelten."
(Die Welt)


"Promis bis zur Kenntlichkeit entstellt..."
(Neue Presse Hannover)


"Er hat Gesichter seiner Opfer zu Ende gedacht, weil sie nicht den Mut hatten, sich bis dahin weiterzuentwickeln."
(Titanic-Cartoonist Chlodwig Poth über Krüger)

"Krüger has a genius for capturing the essence of his subjects through caricature."
(The Times)


"....The Stones by Krüger....graced by a foreword by Keith Richards, which, given the warts'n warts content, seems remarkably gracious of him."
("Q")


"Auch wenn böse Zungen behaupten werden, ich sei zum Werbetexter mutiert, der Wahrheit sei Ehre: schon genial, das Zeug!"
(Wolfgang Niedecken/BAP im Vorwort zu Krügers Buch "Stones")

"Very interesting work - it must have been a good pencil."
(Keith Richards)



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