Die junge Union
Text:
Petra Bäumer
Illustration:
Kristina Schneider für Neue Gegenwart
Gleich drei Mal Zukunft: Sie gehört der Europäischen Union, der Jugend und
dem Internet. Das zu verbinden, versucht man im „European Youth Portal“.
Nicht
erst seit der Einführung der Domäne „eu“ ist das Europäische Parlament im
Internet erreichbar. Die Website soll helfen, dem EU-Bürger näher zu kommen. Denn die
Kluft zu einer abstrakten Regierung in Brüssel ist groß. Wie groß, das macht
der Blick auf die Beteiligungen bei Europawahlen deutlich. Wählten 1979 noch
63 Prozent, wollten 2004 nur noch 45 Prozent der Wahlberechtigten ein
Europäisches Parlament bestimmen. Und die Wahlquote der jungen Generation
bildet keine Ausnahme. Allerdings hat sie erst 2004 im World Wide Web mit
dem
European Youth Portal einen festen Platz gefunden. So allumfassend
der Name klingt, ob es die 75 Millionen Jugendlichen zwischen 15 und 25
Jahren des neuen Europas auch erreichen kann, ist ungewiss.
Die Ressource Jugend
Hinter dem Portal steckt ein großes Jugend-Programm, das am „White
Paper on Youth“ der Europäischen Union aus dem Jahr 2001
ausgerichtet ist. Es verspricht „neuen Schwung für die Jugend Europas“. Die europäische Hoffnung liegt
auf dem EU-Bürger von morgen. Für Jugendliche werden kulturelle Vielfalt,
Globalisierung und demographischer Wandel in Zukunft Alltag sein.
Auch wenn sich ihre Einstellung zur EU nicht
deutlich von der der Erwachsenen unterscheidet, sehen sie die Zukunft
Europas in einem positiveren Licht. Hier will das White Paper
–
übrigens
in Zusammenarbeit von Jugendlichen, Jugendexperten und Verantwortlichen der
Länder entwickelt
– ansetzen. Die Antwort
wird „Active Citizenship“ genannt und
meint die langfristige und effektive Förderung des mündigen Bürgers
– auch wenn er
erst 15 ist. Auch, um „die Ressource, die Europa an der Jugend hat, besser zur Geltung zu
bringen, damit sie zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen,
zum Erfolg der verschiedenen sie betreffenden Maßnahmen und zum Aufbau des
Europas von morgen beitragen kann“. Unter Mithilfe von Information und
Partizipation, den Schlagworten des Web-Zeitalters, soll dies geschehen.
Mehr Interaktivität für den aktiven Bürger
Der Launch eines eigenen Jugend-Portals ist somit neben
–
zum Beispiel –
der Förderung durch
Austauschprogramme einer der zentralen Erkenntnisse
des „White Paper“. Eins zu
Eins finden sich die erhoben Jugendinteressen im Portal wieder. Für viele
Jugendliche ist Europa in erster Linie der Raum, in dem sie leben, arbeiten
und vor allem reisen. Folglich ist das wichtigste Thema des Portals der
Austausch. In den
Menüpunkten geht um: Studieren, Arbeiten,
Freiwilligenarbeit und Reisen. Schon an dieser Stelle wird klar, dass in der
Tradition von Web-Portalen lediglich Informationen gebündelt werden. Auch
unter den weiteren Punkten „Aktive Bürgerschaft“, „Deine Rechte“ „Infos
über Europa“ findet man vor allem kurz erklärte Links. Wo aber bleibt die
Partizipation? Ein recht versteckt liegendes Forum und ein Frame mit dem
Aufruf „Misch dich ein“ können dieses Manko nicht kompensieren. Immerhin
präsentiert eine Online-Umfrage, die nach der Beteiligung an Freiwilligen-Diensten
fragt, die Ergebnisse direkt
–
Portal hin Portal her, vielleicht würde dem
aktiven Bürger mehr Interaktivität gut tun.
Noch kann man nicht behaupten, dass es sich beim Youth Portal um ein
besonders schönes oder übersichtliches Portal handelt.
Anspruch und Aufwand aber sind hoch. Das Angebot soll in 20 verschiedenen
Sprachen verfügbar sein und erschöpfende Information bieten. Diese
wesentlichen Aufgaben erfüllt das Portal. Es liefert umfassende Infos zur EU,
den für Jugendliche relevanten Themen und schafft mit seinen
Verlinkungen und Verknüpfungen ein recht komplexes Netzwerk. Dieses Netz zu entwirren und ansprechend zu machen, gelingt
jedoch nicht vollständig. Zu weit
aufgefächert wird das Feld. So hat jede neue EU-Jugendkampagne
beispielsweise eine eigene Website
– der
Überblick geht schnell verloren.
Hochburg der Grundwerte
Wer suchen mag, für den kann das EU-Portal interessant werden. Zum Beispiel werden
in der langen Liste "News" Projekte, Wettbewerbe und
Jugend-Konferenzen greifbar, die die EU unterstützt. Und auch hier
finden sich die Schlagworte aus dem White Paper
wieder: Gegen soziale Ausgrenzung, für
Unionsbürgerschaft, Bildung, Umweltschutz, Mobilität und Armutsbekämpfung.
Die Möglichkeiten zu partizipieren und kreativ zu
werden sind unbegrenzt und plastisch dargestellt. Der engagierte Jugendliche
kann an einem Essaywettbewerb zum Thema Weltbürgerschaft
teilnehmen,
eine Jugendwebsite sucht Autoren
und MTV veranstaltet einen Fotowettbewerb gegen
Diskriminierung und für kulturelle Vielfalt. Hier spiegelt sich
wieder, worin sich die EU-Jugend einig ist: den Werten der Union.
Sind verschiedene Kulturen wichtiger als Frieden?
Unter der vielsagenden Internetadresse
change-europe.org stößt man so auf „Europe for a change II“.
Hier geht es konkret um die Werte, mit denen sich die Jugendlichen identifizieren, oft ohne sie genau
benennen zu können.
Hier werden sie benannt: communication, same possibilities, education,
peace, different cultures, mobility und freedom.
Vor allem soll hier abgestimmt
werden, welches die wichtigsten Leitlinien sind. Im Kontext aktueller
Nachrichten und des eigenen Lebensumfeldes wird zum Nachdenken angeregt.
Denn in der Abstimmung trifft man tatsächlich auf die Frage: Was ist wichtiger, verschiedene Kulturen oder
Frieden? Positiv an diesem Projekt ist auch, dass man sofort Antworten
erhält. Die Statistik sagt, wie viele Teilnehmer die gleiche Wahl getroffen haben. Und
27 junge Engagierte aus verschiedenen
Ländern leihen dem Ganzen ihr Gesicht. Sie haben an der Auswahl der Werte
mitgearbeitet. So kann man beispielsweise Lukasz und Loreto direkt
kontaktieren und sehen, wie sie sich und ihr Werteranking auf ihrer eigenen
Website, in einem Video, einem eigenen Blog vorstellen. Der
Diskussionsansatz funktioniert. Man macht sich aktiv Gedanken
über Europa,
das zeigen auch die vielen Gästebucheinträge. So schreibt
Ingrid de Oude aus den Niederlanden:
“There are so many different cultures inside Europe,
so it's very important to make sure that there is good communication between
all those different cultures. The project is really good, cause there is
still a lot to talk about!”
Dazwischen gibt es aber auch kritische oder rein provozierende Stimmen.
So
schreibt Robert Lewis, die EU sei eine Halluzination, die ein Ende
haben müsse. Die Antwort kommt prompt, die Diskussion ist lebendig. Und,
soviel zeigt die Abstimmung, die noch bis
April läuft: zu den wichtigsten
Werten gehören eindeutig Freiheit und Frieden.
Under Construction
Beim Europäischen Jugendportal sind es bis jetzt nicht nur einige Links,
die nicht funktionieren. Das formulierte Ziel Jugendliche in ihrer
Sprache zu mobilisieren wird nicht voll ausgeschöpft. Die Lust in
eine europäische Gemeinschaft einzutauchen, greift nicht. Die
spannenden Seiten findet man nach dem Motto „Think globally, act locally“
eher und schneller noch im eigenen Land.
Positive Beispiele, wie man nicht
nur ein Portal, sondern eine echte und vielseitige Plattform für Jugendliche
schaffen kann, sind
fluter.de und
projekt-p.de. Redaktionelle Beiträge, das
wissen kommerzielle Portale wie freenet.de und Co. längst, wecken
Aufmerksamkeit. Wer zum Beispiel auf die deutsche Homepage
www.europa-digital.de klickt, bleibt sofort
an der Frage der Woche hängen: Welchen Nutzen hat die EU für Deutschland?
Wichtig ist es, näher heran zu kommen an die Jugendlichen. Denn, dass sich
Jugendliche im Ergebnis des letzten Euobarometers schlechter informiert
fühlen als Erwachsene, sollte aufhorchen lassen. So wie es ist, bleibt das
Portal eine gute Schnittstelle der Information. Hoffen, das hier noch mehr
möglich ist, aber lässt ein Hinweis. „Das Portal ist noch im Aufbau und
daher wird sowohl an der Technik, als auch am Inhalt noch gearbeitet“. Zudem
ist vor allem Feedback erwünscht. Schön, nicht nur für das Europa im Netz
gilt also: man arbeitet daran.
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AUSGABE 47
WER IST EUROPA?
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
LOBEND ERWÄHNT: NEUE
GEGENWART
BAUSTELLENBESUCH ZU BABEL
ES WERDE EUROPA
NEGATIV IST POSITIV
WIE
EUROPÄISCH IST DAS DEUTSCHE KINO?
DIE JUNGE UNION
GRENZENLOS
SIND WERBEVERBOTE
DENKVERBOTE?
DIE EU IN ZAHLEN
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