Raus aus der Selbstbeobachtungsfalle

Text: Tobias Eberwein    Bild: Erdbeertorte/photocase.com



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4.

Trotz aller Fortschritte hat die deutschsprachige Blogosphäre ihr medienkritisches Potenzial noch nicht vollständig zur Entfaltung gebracht. Das zeigt vor allem der Vergleich mit den USA, wo es mittlerweile eine webbasierte „Medienkritik in Überfülle“ (Fengler 2008: 157) gibt. Wie Fenglers Beobachtungen belegen, unterscheiden sich die US-amerikanischen Medienblogs in vielerlei Hinsicht von ihren Pendants in Deutschland:
 
Sie können teilweise deutlich höhere Nutzerzahlen verzeichnen.

Sie werden auffallend häufig nicht von professionellen Journalisten betrieben, sondern von Privatpersonen.

Sie begnügen sich nicht – wie etwa das „Bildblog“ – mit Organisationskritik, sondern nehmen oft auch einzelne Journalisten gezielt in den Blick.

Sie verfolgen in vielen Fällen ein konkretes (medien-)politisches Anliegen und sind damit eher anwaltschaftlicher Natur.

Sie pflegen teilweise Ansätze für eine Selbstregulierung – etwa über die Institution „Mediabloggers“, die sich die Durchsetzung der Rechte und Pflichten medienkritischer Blogger auf die Fahnen geschrieben und bereits einen Ethik-Kodex verabschiedet hat.

Sie sind nicht selten in elaborierte Geschäftsmodelle eingebunden und verstehen sich teilweise sogar als dezidiert kommerzielle Unternehmungen, was ihnen mitunter eine beachtliche finanzielle Basis beschert.

Die skizzierten Unterschiede zeigen zugleich einige Entwicklungsoptionen für die deutschsprachige Blogosphäre auf, wobei nicht alle der genannten Punkte zwingend auch als wünschenswerter Zielzustand misszuverstehen sind. So haben beispielsweise einige der personenbezogenen Watchblogs in den USA in der Vergangenheit regelrechte Hexenjagden auf einzelne Journalisten gestartet, die den Rahmen des ethisch Vertretbaren in vielen Fällen verließen. Nichtsdestotrotz macht Fenglers Analyse deutlich, dass die deutschsprachigen Medienblogs mit ihren Möglichkeiten noch längst nicht am Ende sind. Auf die weitere Ausdifferenzierung der bestehenden Publikations-Angebote darf man gespannt sein.



Fazit

In der Zusammenschau liefern die diskutierten Studien einige wichtige Parameter zur Beschreibung der medienkritischen Blogosphäre und deren Potenzial als Instrument der journalistischen Qualitätssicherung. Gleichzeitig machen sie jedoch deutlich, dass die Erforschung der Medienblogs gerade erst begonnen hat. Um verlässlichere und detailliertere Erkenntnisse zu gewinnen, sind umfangreichere empirische Erhebungen mit größerer Fallzahl und komplexeren Designs notwendig. Nur auf diese Weise lassen sich auch differenziertere Forschungsfragen beantworten.

So wäre es beispielsweise wünschenswert, mit Hilfe von komparativen Herangehensweisen zu prüfen, inwiefern sich die Berichterstattung der medienkritischen Blogger inhaltlich und thematisch von der der herkömmlichen Medienjournalisten unterscheidet. Vergleichende Inhaltsanalysen könnten zudem Aufschluss über weitere länderspezifische Unterschiede der Medienkritik liefern – und das nicht nur für Deutschland und die USA.

Überdies scheinen auch differenziertere Studien zur Rezeptionssituation angebracht. Redaktionsbeobachtungen oder experimentelle Designs könnten zeigen, welche Bedeutung weblogbasierte Medienkritik tatsächlich für den redaktionellen Alltag hat.

Last but not least ist auch eine verbesserte theoretische Verortung der wissenschaftlichen Befunde zu den Wechselwirkungen zwischen Journalismus und Blogosphäre anzustreben. Dadurch ließe sich der gegebene Erkenntnisstand weiter erhellen und für die sonstige Journalismusforschung anschlussfähig machen.



A
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Presse

Literatur

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Bucher, Hans-Jürgen; Büffel, Steffen (2005): Vom Gatekeeper-Journalismus zum Netzwerk-Journalismus. Weblogs als Beispiel journalistischen Wandels unter den Bedingungen globaler Medienkommunikation. In: Behmer, Markus; Blöbaum, Bernd; Scholl, Armin; Stöber, Rudolf (Hrsg.): Journalismus und Wandel: Analysedimensionen, Konzepte, Fallstudien. Wiesbaden, S. 85-121.

Fengler, Susanne (2008): Media WWWatchdogs? Die Rolle von Blogs für die Medienkritik in den USA. In: Quandt, Thorsten; Schweiger, Wolfgang (Hrsg.): Journalismus online – Partizipation oder Profession? Wiesbaden, S. 157-171.

Großhans, Ellen (2005): Pseudojournalismus. Interview mit Marcel Machill. In: Leipziger Volkszeitung vom 22. September 2005.

Hermes, Sandra (2006): Qualitätsmanagement in Nachrichtenredaktionen. Köln.

Hewitt, Hugh (2005): Blog. Understanding the information reformation that’s changing your world. Nashville (TN).

Mayer, Florian L.; Mehling, Gabriele; Raabe, Johannes; Schmidt, Jan; Wied, Kristina (2008): Leserschaft, Nutzung und Bewertung von Bildblog. Befunde der ersten Online-Befragung 2007.

Möller, Erik (2006): Die heimliche Medienrevolution. Wie Weblogs, Wikis und freie Software die Welt verändern. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Hannover.

Neuberger, Christoph; Nuernbergk, Christian; Rischke, Melanie (2007): Weblogs und Journalismus: Konkurrenz, Ergänzung oder Integration? Eine Forschungssynopse zum Wandel der Öffentlichkeit im Internet. In: Media Perspektiven 2/2007, S. 96-112.
PDF-Datei

Weiland, Kristin-Leonie (2006): Nabelschau.de? Aufklärung.com! In: Pörksen,
Bernhard (Hrsg.): Webwatching. Trends der Netzkultur.
Website

Wied, Kristina; Schmidt, Jan (2008): Weblogs und Qualitätssicherung. Zu Potenzialen weblogbasierter Kritik im Journalismus. In: Quandt, Thorsten/Schweiger, Wolfgang (Hrsg.): Journalismus online – Partizipation oder Profession? Wiesbaden, S. 173-192.

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