Vier Jahrzehnte
seines Schaffens hat F. C. Gundlach Mode für große Magazine fotografiert.
Schon früh war er dafür weltweit unterwegs. Doch seine Inszenierungen
dokumentieren nicht nur wechselnde Moden; sie interpretieren die Träume und
Sehnsüchte im Deutschland der Nachkriegszeit und pointieren den Zeitgeist
durch die Inszenierung bis ins Detail. Sie erzählen von mondänen Orten und
luxuriösen Reisen – Traumwelten.
So
verwundert es nicht, dass F. C. Gundlach sich oft als Märchenerzähler
gesehen hat, dem das Bild stets das Wichtigste im Heft war. Was er zeigen
konnte, war für
die meisten Leser unerreichbar, auch in den 70er- und 80er-Jahren.
F. C. Gundlach gilt als einer der bedeutendsten Modefotografen der
Nachkriegszeit. Heute ist er vorwiegend als Sammler, Kurator und Stifter
tätig.
Seine Bilder sind in zahllosen Ausstellungen zu sehen gewesen. Ihre
Qualität steht für sich.
Neue Gegenwart:
Herr Professor Gundlach, was war Ihnen an der Modefotografie stets besonders
wichtig?
F. C. Gundlach: Für mich war immer wichtig, mit meinen Fotos eine modische
Information so aufzubereiten, dass sich ein großes Publikum, ein großer
Kreis Frauen damit identifizieren konnte.
Ich habe im Wesentlichen für zwei Zeitschriften gearbeitet: Zwölf Jahre in
den 50er- und 60er-Jahren für die Zeitschrift ‚Film und Frau’, die es leider
nicht mehr gibt. Und anschließend 22 Jahre für die Zeitschrift ‚Brigitte’.
Dort hatte ich einen sehr opulenten Vertrag mit 300 Seiten im Jahr – zumeist
wurden es mehr. Ich war dort auch in die Konzeption einbezogen. Wir haben in
der ‚Brigitte’ für die Generation, die den Krieg überlebt hat, ein neues
Frauenbild entwickelt. Die Männer kamen zurück, die Frauen gingen an den
Herd – so war es natürlich nicht ganz – diese Zeit war zwar eine
restaurative Periode, aber sie war nicht so traurig und nicht so miefig, wie
sie immer hingestellt wird. Wenn man Filme und auch meine Fotos aus der Zeit
sieht, dann sind die immer von einer fast unterkühlten Erotik – von Sex
konnte man gar nicht reden. Der war zwar drin, aber er war nicht so
dominierend wie in den 80er- und 90er-Jahren. Mit der ‚Brigitte’ ist uns als
erster Zeitschrift wirklich gelungen, den Typ der berufstätigen,
selbstbewussten Frau zu prägen, sie anzuziehen und ihr ein Bild zu geben.
Ihre
Modefotografie hat sich deutlich von den Arbeiten Ihrer damaligen Kollegen
unterschieden.
Ja, natürlich. Ich habe vorher Reportagen fotografiert. Für mich war das
Bild immer das Wichtigste im Heft. Das ging bei mir soweit, dass ich – als
ich einmal 40 Seiten hintereinander hatte – zur Druckerei Gruner nach
Itzehoe fuhr und dort mit den Lithografen redete, was für Vorlagen sie
benötigten, damit die optimale Reproduktion gewährleistet war. Das machte
sich in einem sehr positiven Sinne auch in der Zusammenarbeit bemerkbar. Die
sagten immer nur: weicher, weicher, weiche Vorlagen, nicht zu große
Kontraste, möglichst große Dias – das sind natürlich alles Dinge, die auch
auf die Fotografie reflektierten.
Mode ist eine Form, wie sich Menschen selbst sehen, wie sie auf
gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Keine Mode hat Erfolg, wenn sich
die Menschen damit nicht identifizieren können. Einen Modetrend in die Welt
setzen – das geht meist schief. Aus einem Trend wird erst eine Mode, wenn es
zu einer kollektiven Akzeptanz des Trends kommt. Dann wird aus der Idee
etwas, das für einen großen Kreis von Menschen wichtig ist. So verändert
sich die Mode auch.
Viele Dinge, die wir in den 50er-Jahren gemacht haben und wie wir sie
gemacht haben, zeigen das: eine Falte oder ein Schnitt konnte damals
Gegenstand eines Modefotos sein. Später dann, wenn sie an die 80er- und
90er-Jahre denken, ging es nur noch um Stimmung, um Inszenierung.
Können
Sie eine einheitliche Aussage aus der aktuellen Modefotografie ziehen?
Ich glaube nicht, dass man das noch so konkret sagen kann. Die Mode ist
heute für alle zugänglich. Alle können daran teilhaben. Wenn ich an die
Zeiten der Haute Couture denke: die war nur für einen kleinen Kreis
bestimmt, nur eine Idee – ein Traum. Damals kam ich mir vor wie ein
Märchenerzähler. Ich erzählte und realisierte Dinge, von denen die Frauen
träumen konnten, aber diese Träume waren für sie eben nicht erreichbar. Das
Erreichbare war höchstens, zur Hausschneiderin zu gehen und zu sagen: so
möchte ich doch auch gerne aussehen.
Die Orte, an denen Sie damals Mode inszeniert haben, sind inzwischen für
fast alle erreichbar geworden. Die Strategien der Modefotografen müssen sich
verändert haben, um Märchen zu erzählen, die Betrachter noch entführen zu
können.
Das ist richtig, aber auf der anderen Seite ist es eben auch so, dass
beispielsweise in den 90er-Jahren die Supermodels kamen und die Filmstars
ablösten, die immer weniger tonangebend waren. Wenn sie sich an die
Schiffers – und wie sie alle hießen – erinnern: die wurden plötzlich zu
Idolen! Eine Rolle, die ihnen normalerweise gar nicht zukommt. Sie hatten ja
keine Message, aber sie wirkten eben durch ihr Erscheinungsbild.
Inzwischen sind wir soweit, dass Mode für alle da ist und jeder sein eigener
Modedesigner sein kann. Jeder Mensch trifft doch am Morgen für sich eine
modische Entscheidung, wenn er sich anzieht. Ich entscheide mich für blau
oder grün oder schwarz und so zeige ich, wie ich gesehen werden, wie ich
wahrgenommen werden will. Das gibt ja auch Signale: die Mode ist eine
non-verbale Kommunikationsform. Das erste, was ich von einem Menschen sehe,
ist natürlich sein äußeres Erscheinungsbild. Damit gibt er mir ein Signal,
wie ich ihn sehen kann.
Die
Digitalisierung der Fotografie hat ihre Möglichkeiten stark verändert. Was halten
Sie von digitaler Fotografie?
Ich habe mich sehr früh mit digitaler Fotografie beschäftigt, also mit der
Digitalisierung der Fotografie. Ich habe, sie werden es nicht
glauben, 1980 den ersten Scanner gekauft. Die wurden damals aber nur in
Druckereien verwendet. Und die sah ich dann plötzlich bei Gruner stehen. Wir
machten damals unter anderem auch Kunstdrucke und brauchten Farbauszüge. Da
bin ich in die Scanner-Fabrik nach Kiel gefahren – die hatten ein
Weltmonopol damals. Dort haben sie sich mein Anliegen angehört und gesagt:
„Was wollen sie denn mit einem Scanner, sie sind doch ein Fotograf?“ Der
Scanner war übrigens zweieinhalb Meter breit, wog eine Tonne und kostete
300.000 Mark. Können sie sich das vorstellen, eine Tonne! Dann haben die mir
erst keinen verkauft – aber als ich etwas später wieder hingefahren bin,
hatten sie sich das nochmals überlegt. Sie haben mir dann gesagt: „Gut, sie
kriegen 100.000 Mark Nachlass, wenn sie uns die Software, die sie dafür
entwickeln, kostenlos überlassen.“ Software war ja kein Produkt zu der Zeit.
Das haben wir natürlich gemacht. So begann meine digitale Zeit.
Und ich habe auch immer versucht, Künstlern die Möglichkeiten der
Digitalisierung zu geben – von Polke bis Kippenberger, mit denen ich unter
anderem zusammengearbeitet habe. Zunächst habe ich gedacht, dass die
Digitalisierung der Fotografie auch andere Inhalte vermittelt. Aber das war
nicht der Fall, es wurde zunächst nur das Aufzeichnungsmedium gewechselt.
Dass es spezifische Werke gab, dass auch in der Kunst mit digitalen Mitteln
gearbeitet wird, fängt in den vergangenen Jahren langsam an. Und dabei
entstehen auch Werke, die nur digital möglich sind.
Die
Digitalisierung hat sicher auch die Arbeitsbedingungen der Fotografen
verändert.
Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Digitalisierung rein
kulturpolitisch viel größere Auswirkungen haben wird – nicht nur auf unser
bisschen Fotografie. Die Digitalisierung ist an der Geschwindigkeit der
Globalisierung, am Zusammenwachsen der Welt in ungeheurem Maße beteiligt. Es
gibt ja keine Grenzen mehr. Und sie sehen ja, wie das Internet heute unser
Leben beherrscht. Ohne das Internet geht doch schon gar nichts mehr.
Retuschen hat es natürlich immer schon gegeben. Wenn sie sich die Bilder aus
der Sowjetunion angucken: Da ist der Stalin mit vier Leuten, mit drei
Leuten, mit zwei Leuten oder alleine auf einem Bild – und es ist immer
dasselbe Bild. Die anderen wurden also weggepinselt. Das Moment der
Fälschung ist natürlich gegeben. Heute, mit digitaler Technik, ist das nicht
mehr nachweisbar – und jeder hat Zugriff auf die Technik. Wichtig ist, dass
sich der Beruf des Fotografen dadurch in ungeheurem Maße verändert hat.
Welche
Möglichkeiten haben Sie genutzt, um Ihre Bilder nachträglich positiv zu
beeinflussen?
Es gab lange keine Kontrolle dessen, was der Fotograf macht. Wenn sie eine
gewisse Position haben – und die hatte ich ja über viele Jahre – hat ihnen
der Redakteur, der Kunde etwas zum gewünschten Foto gesagt und dann hat man
etwas gemacht. Aber heute fängt die Diskussion schon in dem Augenblick an,
wenn das erste Polaroid da ist oder das erste Digitalbild auf der
Mattscheibe. Der Eingriff in die Kompetenzen des Fotografen findet sehr viel
früher und sehr viel intensiver statt. Die Fotografen haben viel an
Kompetenz verloren – es sei denn, es handelt sich um so genannte Stars, die
sich das leisten können.
Es
besteht durch nachträgliche Bildbearbeitung vielleicht auch die Gefahr, dass
die Vorstellung vom Schönen extrem wird – wenn jede 20-Jährige noch mit
Photoshop nachbearbeitet wird.
Ja, natürlich. Retusche hat es ja, wie gesagt, immer schon gegeben. Doch die
Leute, die die Bilder digital bearbeiten, müssen genauso viel Gefühl haben
wie die Fotografen. Alle Bilder gleich zu machen, das ist furchtbar. Wenn
ich manchmal diese Modehefte heute sehe: da sehen alle aus wie
Schaufensterpuppen. Wenn man mit der Retusche aber sensibel umgeht, dann
können die Abgebildeten ihren Charakter behalten oder ihn dadurch erst
bekommen.
Könnte
Natürlichkeit also auch ein Trend werden, wenn die Bearbeitung als zu
künstlich wahrgenommen wird?
Ich bin sehr dafür! Zu viel Bearbeitung wird verräterisch. Ich weiß nicht,
ob sie das Bild von Frau Merkel gesehen haben, das überall plakatiert war.
Das war schon super gemacht, mit sehr großer Kennerschaft. Aber da war schon
einiges abgeschmirgelt, hätte ich beinahe gesagt.
Welche
Fotografen haben Sie als Vorbilder gesehen – oder hatten sie die gar nicht?
Doch,
natürlich! Ich
treffe viele junge Fotografen, die mit ihren Portfolios zu mir kommen und
mit mir über ihre Bilder diskutieren wollen. Manchmal fällt mir ihre
erschütternde Unkenntnis der Fotografiegeschichte auf. Die Geschichte der
Fotografie ist ja nicht lang, 170 Jahre – das ist überschaubar. Ich denke,
dass alles aufeinander aufbaut. Wir wachsen heraus aus einer Situation und
machen dann unser eigenes Ding. Das hat mit Kopieren gar nichts zu tun.
Selbst wenn die gleichen Motive und die gleichen Models nochmals
fotografiert werden, dann kommen andere Dinge dabei heraus.
Wenn
Sie selbst etwas erneut fotografieren würden – sähen diese Bilder heute auch
anders aus?
Ich bekomme mindestens jeden Monat ein Jobangebot, irgendetwas zu machen.
Viele beziehen sich dann auf Dinge, die ich mal gemacht habe, vor Jahren
oder Jahrzehnten. Das will ich schon gar nicht. Ich habe das immer
abgelehnt. Wenn ich heute fotografieren würde, dann würde ich gerne sehr,
sehr nah an der Wahrheit sein. Wenn ich Menschen fotografieren würde, dann
würde ich porengenau und scharf fotografieren. Ohne Schnörkel. Ein jedes
Porträt, wenn sie einen Menschen fotografieren, ist ja ein Dialog. Und der
Dialog entsteht aus der Unterhaltung, aus der Begegnung. Das kann klappen,
es kann aber auch schief gehen. Oder: Wenn sie große Stars fotografieren,
bieten die ihnen zunächst einmal ihr Klischee an – wie sie sich selbst
sehen. Da muss man dann erst durchkommen und das gelingt ja auch häufig. Man
muss auf Augenhöhe arbeiten – das war bei den größten Stars immer am
einfachsten.
Eine
vermutlich recht schwierige Frage: Haben Sie ein Lieblingsbild aus Ihrem
eigenen Werk?
Diese Frage habe ich mir vor einer halben Stunde selbst gestellt, denn wir
haben hier gerade eintausend meiner gerahmten Bilder und sind dabei, sie zu
sortieren. Da hat man natürlich sehr viele emotionale Momente – plötzlich
sind Geschehnisse präsent, die mit der Entstehung des Bildes zusammenhängen.
Aber: Ich könnte ihnen heute fünf rausstellen, die ich als typisch für meine
Arbeit oder typisch für mich sehe – und morgen können das auch wieder andere
sein.
Welches
Shooting Ihrer Karriere ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Ich habe natürlich sehr viele Dinge gemacht. Ich war der erste Modefotograf,
der auf Reisen ging, weil ich zufällig einen Bericht im Stern gemacht hatte,
als Lufthansa den Transatlantikverkehr wieder aufnahm. Herr Nannen und Herr
Augstein waren Ehrengäste auf diesem Flug und es sollte eine große Reportage
im Stern darüber gemacht werden. Die Maschinen waren klein, der Flug dauerte
16 Stunden und innen sahen die Flugzeuge aus wie Zigeunerwagen. Von Glamour
war nichts zu sehen; geschrieben haben sie: „Das Hotel über den Wolken“.
Natürlich gab es Kaviar zu essen, aber die Bilder des Fluges sahen anders
aus, es kam nichts dabei heraus. Und dann haben sie es noch einmal mit einem
anderen Fotografen versucht, das wurde auch nichts. Und da fragte der Nannen
mich, ob ich es nicht noch mal machen wolle – und ich habe ihm gesagt: „Ja,
ich mache das, bitte stellt ein Flugzeug für zwei Tage mit der kompletten
Crew und sämtlichen Requisiten auf den Flughafen in Hamburg.“ Und dann habe
ich das am Flughafen inszeniert, und es ist ein Riesenerfolg geworden.
Seitdem hatte ich ein sehr enges Verhältnis zur Lufthansa – also gut, Geld
war nicht so wichtig für mich zu der Zeit. Ich machte alle wichtigen Bilder
für sie und bekam dafür alle meine Honorare in Flugmeilen ausgezahlt.
So konnte ich mich seit Mitte der 50er-Jahre weltweit bewegen. Das war sehr
wichtig, denn in Amerika begann nach dem Krieg ein Relaunch der großen
Blätter und auch der Fotografie. Wenn ich mich an meinen ersten New
York-Aufenthalt erinnere: da gingen einem die Augen über. Als erstes lernte
ich Eileen Ford kennen, die das Modelbusiness erfunden hat – auch das hatten
wir ja in Europa nicht. Diese Erlebnisse haben natürlich sehr geholfen und
auch Perspektiven eröffnet – das war schon sehr spannend. In Amerika gab es
Irving Penn und Richard Avedon und wie sie alle hießen, gerade in meinem
Bereich. Und ich machte dann in den 50er-Jahren die Pariser Kollektionen und
wir trafen uns immer ein- oder zweimal im Jahr in Paris. Da sehen sie auch,
wie sich die Position des Fotografen verändert hat. Die Firmen machten das
exklusiv, wir waren akkreditiert, durften nicht rausgehen. Sie haben
Leinentücher über die Kleider geworfen, damit niemand sah, was wir dabei
hatten. Und wenn sie heute die großen Schauen in Paris sehen, im Louvre – da
ist ein Laufsteg, 100 Meter lang, perfekt ausgeleuchtet. Und am Ende des
Laufstegs ist eine Tribüne aufgebaut und da stehen 50 Fotografen drauf und
alle haben sie ein Einbeinstativ und eine 600er-Optik. Und alle machen die
gleichen Bilder. Mode braucht Öffentlichkeit – aber das alles hat sich total
gedreht: Früher war Fotografieren und Zeichnen streng verboten, alles war
reguliert. Heute heischt man nach jedem Fetzen Publikation, den man kriegen
kann.
Gab es
auch Aufträge, die Ihnen nicht zugesagt haben?
Ach Gott, die hat es sicher gegeben. Aber auf der anderen Seite hatte ich
immer den nötigen Spielraum. Wenn ich abgeliefert habe, dann waren das meine
Bilder. Das konnte ich immer durchsetzen. Ich halte das auch für sehr
wichtig, sonst sind die Ergebnisse nicht überzeugend. Ich habe ja primär im
redaktionellen Bereich gearbeitet, bekam aber auch einige Werbeaufträge. Man
fragte immer an, aber da ich meistens zwei bis drei Monate im Voraus täglich
ausgebucht war und die Werber mehr mit kurzfristigen Anfragen kamen, habe
ich ganz wenig in der Werbung gearbeitet. Aber ich habe das nicht unbedingt
vermisst.
Sie
haben das schon angesprochen: Häufig werden Sie von Nachwuchsfotografen
gebeten, ihre Bilder zu beurteilen. Welche Nachwuchstalente haben Ihnen
besonders gefallen?
Ich habe 1995 eine Ausstellung für das Institut für Auslandsbeziehungen
gemacht. Die wollten gerne eine Ausstellung über 50 Jahre Modefotografie in
Deutschland haben. Ich habe sie dann zusammengestellt. Sie heißt „Bildermode
– Modebilder“. Und die reiste dann weltweit herum. Der englische Titel ist
„Zeitgeist Becomes Form“. Aber ich weiß nicht, wie sie in Bangkok oder in
Japan hieß. Diese Ausstellung läuft bereits seit über zwölf Jahren. Und die
beiden jüngsten Fotografen, die ich 1995 gut fand und damals in die
Ausstellung genommen habe, waren Wolfgang Tillmans und Juergen Teller – und
beide haben inzwischen eine Weltkarriere gemacht – vor allem Tillmans
natürlich. Und so geht es heute eben auch wieder. Talente müssen sich
durchsetzen und hart an sich arbeiten, aber es gibt immer wieder große
Überraschungen und außergewöhnliche Talente.
Welche
Trends in der Fotografie sind heute ablesbar, die in zehn Jahren von
Bedeutung sein könnten?
Für die Entwicklung der Fotografie ist ganz entscheidend, was mit ihrem
Medium passiert. Der große Konflikt zwischen Print und TV ist entschieden.
Er hat sich verschoben. Jetzt besteht die Konkurrenz zwischen Fernsehen und
Internet. Das Internet braucht völlig andere Bilder, es erfordert ein völlig
anderes Rezeptionsverhalten. Ich weiß nicht, wie wir alle darauf reagieren,
wenn wir Informationen nur noch über Bildschirme erhalten. Schon eine
Powerpoint-Präsentation mit Bildern ist für mich keine Fotografie mehr. Ich
sehe ja nicht das Bild, sondern die Projektion eines Bildes – in einer
anderen Größe, in einem anderen Medium. Das hat ja mit der Fotografie gar
nichts mehr zu tun. Also muss man überlegen, welche Themen die Fotografie
transportieren kann und wie sich das Rezeptionsverhalten der Menschen
verändert.
Ich weiß zum Beispiel nicht, ob wir alle nur noch Hörbücher haben wollen,
statt selbst zu lesen. Wenn ich mich abends ins Bett lege und ein Buch lese,
dann lese ich mein Buch – aber wenn ich das Buch vorgelesen bekomme, dann
ist das schon die Interpretation desjenigen, der das Buch vorliest. Also:
Ich verliere einen Teil meiner eigenen Empfindsamkeit, wenn ich etwas nur
über das Medium erfahre und nicht mehr selbst unmittelbar wahrnehmen kann.
Die Zukunft der Fotografie hängt sehr davon ab, wie es mit unserem
Medienverhalten weiter geht, wie das Internet und die Digitalisierung dies
beeinflussen. Wir können uns auch nicht mehr davor retten, dass ein Bild
herunter geladen und irgendwo wandgroß veröffentlicht wird – und wir
wissen nichts davon, wir haben nie davon erfahren.
Was
planen Sie als nächstes Projekt?
Im letzten Jahr haben wir meine Retrospektive gemacht. Vier Kuratoren haben
sich meine Arbeit vorgenommen und dabei die Publikationen, in denen die
Bilder veröffentlicht worden sind, neben die Originale gestellt. So wird
sichtbar, wie die Redaktionen mit den Bildern umgegangen sind. Die
Ausstellung war sehr erfolgreich, die Inhalte sind als Buch erschienen. Ab
Ende November wird sie für vier Monate im Martin-Gropius-Bau in Berlin
gezeigt. Berlin ist immer ein wichtiger Ort für mich gewesen, weil wir in
den 50er-Jahren nur in Berlin gearbeitet haben. Berlin war ja mal eine
Welt-Modemetropole und jetzt scheint es zum ersten Mal wieder Ansätze zu
geben, dass so etwas wieder entstehen könnte. |
Zur Person
F.
C. Gundlach, geboren 1926 in Heinebach (Hessen), verfügte schon 1938
über eine eigene Dunkelkammer. Nach Krieg, Kriegsgefangenschaft und
Lazarettaufenthalt besuchte
er die Private Lehranstalt für Moderne Lichtbildkunst in Kassel und
arbeitete ab 1949 als Assistent in verschiedenen Studios in Wiesbaden,
Stuttgart und Paris. Parallel Tätigkeit als freiberuflicher Fotograf u. a. für den Stern. Ab 1953
spezialisierte er sich auf
„Modefotografie
im journalistischen Stil“
und arbeitete zunächst für die Zeitschrift Film und Frau, später für die
Brigitte. Insbesondere fotografierte er deutsche Mode, die Pariser Haute
Couture und Künstlerporträts, so zum Beispiel Stars wie Cary Grant, Romy Schneider,
Hildegard Knef, Jean-Luc Godard und viele andere. Mit seinen Firmen CC
(Creative Color GmbH, gegründet 1967) und PPS (Professional Photo Service)
bot er zahlreiche Dienstleistungen rund um die Fotografie an, beispielsweise
Mietstudios und Fotolabore. Seit 1988 ist F. C. Gundlach Professor an der
Hochschule der Künste Berlin,
2000 gründete er die Stiftung F. C. Gundlach.
Seit 2003 ist er Gründungsdirektor des Hauses der Photograhie in den
Hamburger Deichtorhallen, das unter anderem die umfangreiche Sammlung F. C.
Gundlachs "Das Bild des Menschen in der Photographie" als
Dauerleihgabe beherbergt.
Ausstellung:
F. C. Gundlach.
Das fotografische Werk
Im Rahmen der Berliner Festspiele wird in
Zusammenarbeit mit der Stiftung F. C. Gundlach vom 20. November 2009 bis 14.
März 2010 im Berliner Martin-Gropius-Bau die Ausstellung
„F.
C. Gundlach.
Das fotografische Werk“
gezeigt.
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