Werbung bleibt ein Tauschgeschäft. Für unsere Aufmerksamkeit erhalten wir
bestenfalls Pointen und ästhetische Erlebniswelten. Was aber, wenn die
Realität nur durch ein Wort bestimmt ist: Krise. So richtig sexy – wie der
Werber sagt – ist dieses Ausgangsszenario nicht. Trotzdem muss auch die
Werbung einen Weg finden, mit dem Eindringling im Konsumparadies umzugehen. Ignorieren? Adaptieren? Darüber lachen? Oder gilt vielleicht sogar das alte Prinzip: Werbung nervt.
"Immer mehr Menschen ohne Job. Die Krise erreicht nun auch...". Die Lösung: Ein Caesar Salad und eine Pan Pizza Salami. Mit "Wow-Angeboten gegen miese Zeiten" warb Pizza Hut unlängst im Radio. Die Werbung ist in der Krise
– und die Krise in der Werbung. Quasi auf allen Kanälen hat die Werbung mit
ihr zu kämpfen. Zum einen sind dort die gebeutelten Kunden alias Finanz- und
Automobilindustrie, die neben finanziellen Schwierigkeiten auch Imageschäden zu beklagen haben – und die laut GWA-Monitor 2008 den Agenturen bisher den meisten Umsatz brachten.
Kürzen, wechseln, pausieren lautet heute der Kurs, von dem nahezu alle
Branchen beeinflusst sind. Das andere Problem ist damit der Umgang mit der
eigenen Existenzbedrohung, Kostendruck und dem sensiblen Konsumklima. Nicht nur eine kommunikative Herausforderung.
"Aufs Herz zielen und die Brieftasche treffen; Geschichten erzählen, die
träumen lassen; Bilder so spektakulär wie Marienerscheinungen schaffen"
– Diese Empfehlung gab im Spiegel Jean-Remy von Matt, mit seiner Agentur
Jung von Matt ganz oben in den Kreativ-Rankings. "Heute trägt in den Augen
der Betrachter doch jede Kampagne von vornherein das Warnsignal ,Achtung
Scheinwelt!'", konstatiert der Sprecher des Art Directors Club Amir Kassaei
in der der Wirtschaftswoche und erklärt den Werbe-Brüllton für passé. Für
die Banken heißt das: Kein Rendite-Überbieten und Global-Player-Posing mehr. Protzen war gestern.
Heute ist Kreativitätskrise, seit dem Platzen der Dotcom-Blase erstmals
wieder besonders eindringlich. Irgendwo im Mehrklang von "Innovation",
"Revolution", "Humor", "Kreativität" und dem Playboy-Abo auf Lebenszeit aber
muss sie sein, die Antwort, wie man sich erfolgreich durch den Dschungel aus
Krisen-Tickern und Hiobsbotschaften hangelt.
Kuschelkurs und We-Power
Ein Weg aus der Krise beginnt mit „Wir“. Selten beherrschten Worte wie
„gemeinsam“ so sehr die Slogans wie 2008, bewies die Studie „Werbetrends“. Die neuen Spots packen uns beim Gefühl der Sicherheit. Denn genau das ist im Krisen-Wirrwarr verloren gegangen. Das Vertrauen ins Marktgefüge und in einst starke Marken ist futsch – die Reaktion darauf bekannt: wird's draußen stürmisch, geht's hinein ins Warme. Herzlich gern kuschelt sich die Werbung hier nun an das kleine Glück. Statt die Sterne vom Himmel zu holen heißt es bei der Union Investment Bank jetzt: „Glück wird in Augenblicken gemessen“. „Hol' die Werte aus dem Keller!“ – das ist eine der Lösungen der Branche. In aller Eile werden diese munter in verschiedenste Kisten gepackt. Und so retten Fielmann-Brillen Regenwürmer und Familien stellen fest: „Mit Toffifee sind wir irgendwie zusammener“. Die Gefahr bei dem mannigfaltigen Wohlgefühl ist allerdings, am Ende nicht mehr zu wissen, wer jetzt der Fels in der Brandung ist: Schokolade, Versicherung oder doch Geländewagen? Die Schokoladenindustrie zumindest hat ein Argument für ihre Funktion als Krisenkitt: Sie erzielte 2008 ein Absatz-Plus.
Es kann kein Zufall sein, dass das Obama-Musical "Hope" in der Banken-Metropole Frankfurt starten wird. "Hope", "Change" und "Yes, we can"
– das sind die Leitsprüche, mit denen Barack Obama einer ganzen Branche die Arbeit abgenommen hat. Die Bank of America wird zur "Bank of Opportunity". In einem aktuellen Spot inszeniert sie das Bild des Türenöffnens emotional als Symbol für Aufbruch: "This is America -- we keep moving forward". Gute Idee, genau wie der ironische Kommentar eines Users: "We use doors in the UK, too!". Das Ummünzen von „Krise“ in
„Möglichkeiten“ haben unzählige Unternehmen übernommen. Mal kreativ, wie Ikeas
Embrace Change beweist, mal weniger wie zum Beispiel "Yes, we Cannabis" (Eine Auswahl findet sich zum Beispiel im Blog
No, you can’t). Sieht man davon ab, dass mittlerweile rechtliche Schritte erwogen werden, bleibt festzuhalten: Richtig ist der Weg der emotionalen Ansprache, des Mutmachens, des Weitergehens, da er Stärke demonstriert. Wichtig ist allerdings auch, dieses Motiv nicht überzustrapazieren, damit es nicht zur Karikatur gerät und sich etwa dem eigentlichen Erfinder der "We-Power" annähert, der Figur Bob the Builder und seinem "Can we fix it? Yes we can!"
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Grinsende Offensive
Selbstbewusstsein oder
Selbstironie sind nötig, um mit der Krise werben zu können. So wirbt der Autovermieter
Sixt in
einer Serie mit dem Slogan „Welche Krise?“ vor einem schicken BMW oder
preist Geländewagen folgendermaßen an: „Liebe Banker, viel Spaß bei der
Talfahrt“. Auch der Bekleidungshersteller
Timberland findet Geschmack am Galgenhumor, der gut tut: „We build things to
last.
Maybe we should start a bank“ steht über seinen
Schuhen.
Und auch:
„You are never going to be able to retire, so why should your boots?”
Der letzte Spruch setzt also nicht auf die Perspektive “die da oben”, die
Schadenfreude leicht macht. Hier ist der Normalo angesprochen, der die Krise
ausbaden muss. Das dürfte auch für das Hamburger Social-Network-Unternehmen
Xing zum Problem geworden sein.
Sein animiertes Online-Spiel „Save the Sacked“ lud
ein, frisch gefeuerte Hochhausspringer mit Hilfe von Xing-Fallschirmen zu
retten – und wurde schon kurze Zeit später wegen zahlreicher Beschwerden
eingestellt.
So lange
es die Krise der anderen ist,
verdirbt sie höchstens die Laune.
„How
to handle the global crisis?“, fragte daher ein Schuhhersteller und präsentiert als Antwort:
Finger in die Ohren, weghören und nicht nerven lassen
(auf die Nerven geht hier allerdings die Werbung). Krisen-Humor in der Werbung ist
Provokation. Und Provokationen sind bekanntlich Garant für Aufmerksamkeit.
Und so
ist auch die Website „Die
Krise ist eine blöde Kuh“ natürlich die Erfindung einer
Werbeagentur. Dumm nur, dass dort kaum etwas steht.
Rabatte und Rabatz
Im
Gegensatz zu den Banken hatte die deutsche Automobilindustrie ein Ass im
Ärmel: die Umweltprämie. Unter dem überraschend „sexy“ Schlagwort
„Abwrackprämie“ hat sie das ganze Volk elektrisiert und Auto-Werbung
plötzlich sehr einfach gemacht.
Auch abseits des Premiumsegments erfreut sich
der Krisen-Jargon bei den bekannten Preisboxer
großer Beliebtheit. Der einstige „20-Prozent auf alles (außer
Tiernahrung)“- Baumarkt nennt sein Angebot nun Konjunkturpaket.
McDonalds und Burger King verteilen Konsumgutscheine und rufen „Satt essen
statt Sparen“. Da passt es, dass Trendforscher jetzt auch in diesem Sound
mitswingen und erklären: Dicksein wäre wieder hip, da es Stabilität in
schwierigen Zeiten präsentiere. Tadaa!
So was wie Wahrheit
„Wäre
die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet“. Die Überdosis Krise in
den Medien und der Politik nutzt Greenpeace geschickt für sich. Auch in
einer französische Kampagne, die die seltene Qualität besitzt, unausgesprochene
Gedanken zu enttarnen. Sie zeigt einen Bumerang mit der Aufschrift: „First, let’s fix
the economic crisis. Then, we’ll think about the environment“.
Wer sich auf ernsthafte Weise dem Thema nähert – und zwar im Gegensatz zu
Greenpeace als Mitfahrer im Konsumkarussell – muss vorsichtig sein mit
seinen Versprechen und Bildern. Das zeigt das Beispiel eines gefühlvoll gemeinten Media-World-Spots aus Italien. Welche Assoziation wecken wohl
Personen, die aus Gebäuden springen? Da kann auch der Slogan: „Falling
prices that keep your feet on the ground“ das Unbehagen
des Zuschauers nicht abwenden.
„Let’s be completely honest”, beginnt ein Spot von General Motors.
Er
beschreibt in Ansätzen überraschend die Ist-Situation und damit das Scheitern des
Unternehmens in seiner bisherigen Form. Was er suggeriert ist: Authentizität
und Ehrlichkeit kennzeichnen den gleichzeitig ausgerufenen Neubeginn. Zwei der unerfüllten Versprechen der Werbung. Doch dieses
Mal ist es notwendig. Denn Heile-Welt-Werbeblöcke neben widersprechenden
Nachrichtensendungen werden schwerlich funktionieren.
Zaghafte Eingeständnisse wie „Nur ein
starker Partner kann auch in schwierigen Zeiten ein guter Ratgeber sein“ der
Deutschen Bank können noch nicht die Antwort sein auf das, was die
Krise hinterlassen hat. Offensive Kommunikation
braucht ein bisschen mehr. Den Witz der ganz
großen Wahrheit, den haben ohnehin die anderen:
„Let’s be completely honest. Our lawyers
say we have to“, so
eine Parodie der GM-Kampagne.
Und selbst? Muss.
Die Krise ist ein Minenfeld besetzter, benutzter und verirrter Wörter. Das
beweist nicht nur das Unwort des Jahres 2008, „notleidende Banken“. Auch dem
einen oder anderen Top-Manager rutschten im Branchenblatt „Werben und
Verkaufen“ mitunter Plattitüden á la „kühlen Kopf bewahren“ heraus. Dabei
muss Werbung gerade jetzt mit neuen Parolen Werbung für sich machen. Nach
dem Prinzip
„Help me, help
you“ ist gute Werbung schließlich ein Schlüssel, um die Wirtschaft
anzukurbeln.
„Konjunktur wird im Kopf gemacht“, bekräftigt GWA-Präsident Peter John
Mahrenholz.
Mit dem
Browser-Tool
von
Leo Burnett ist das ganz einfach:
Krise raus aus dem Wortschatz, Chance rein. Darüber hinaus
jedoch muss man sich bisweilen zum Optimismus zwingen. Par excellence zeigt
das der kleine Film „Rezession als Chance“ vom Gründer der Miami-Ad-School,
Oliver Voss, der Interviews mit internationalen Top-Werber zeigt. Hier ist
das Erschaffen einer „brand new world“ so etwas wie eine Herausforderung.
Aus weniger mehr machen. Ganz neue Kreativmotoren anschmeißen.
Die Krise als Erhöhung der Messlatte. Denn: Arbeiten Kreative nicht
sowieso am besten unter Druck?
Bis dies in allen Köpfen ankommt,
hilft es allerdings auch sich mit alten Slogans über Wasser zu
halten: Ohren steif halten, nach vorne schauen, positiv denken.
Und noch was: weitermachen.
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Die Autorin
Petra Bäumer
Jahrgang 1980,
Absolventin des Studiengangs Kommunikationswissenschaft, Psychologie und
Kultur, Kommunikation und Management in Münster. Mit dem Abitur kam der
klassische Start durch freie Mitarbeit bei einer Lokalzeitung im
Münsterland. Über diese Grenzen
hinaus absolvierte sie neben dem Studium unter anderem Praktika in Hamburg,
Berlin oder München, von überregionaler Tageszeitung bis zum
Online-Journalismus. Aber auch auf anderen Ebenen geht es weiter: Studium an
der Facultad de Ciencias de la Comunicación in Málaga, Spanien und
Erfahrungen in Hörfunk, Öffentlichkeitsarbeit, Text oder Werbung. Heute
arbeitet sie in den Bereichen Kommunikationsberatung und Journalismus.
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