Ausgabe 58
Balsam fürs Volk





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Presse

Print wird gewinnen

Neue Chancen für Inhalt und Optik



Text:
Nikola Wachsmuth

Illustration: Kristina Schneider


„Print hat keine Krise, denn Krise heißt, dass es wieder besser wird...“

So positiv äußerte sich kürzlich der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung. Doch dann folgte leider: „... aber daran glaube ich nicht!“ Schade, Herr Kilz, mit Pessimismus lässt sich nichts Neues bewegen. Das Jammern und Klagen wird langsam zum Markenzeichen in diesem Land. Gut betuchte, aber klagende Rentner oder hoch bezahlte Manager, die den Staat um Hilfe bitten oder sich mit Bonuszahlungen aus dem Staube machen, signalisieren wenig Bereitschaft für Neues.

In den Zeitungskiosken an Flughäfen, Bahnhöfen oder Supermärkten
verschwindet sukzessive der ein oder andere Titel. Braucht man wirklich fünf Lifestyle- oder People-Magazine? Das ohnehin erdrückende Angebot wird langsam dezimiert und schafft Platz für Neues. So schmerzlich es auch für manch einen Verleger, Herausgeber oder Mitarbeiter sein mag, aber die Marktbereinigung in der Print-Landschaft ist nötig und eröffnet neue Chancen.

Nicht die so viel zitierte Finanzkrise ist der Hauptgrund für Einstellungen einiger Objekte, Kündigungen und dem Verlust in den Werbe-Etats. Nein
auch die Gier nach immer mehr Umsatz und hohen Auflagen lässt Verleger das Besinnen auf „Gutes“ leider vergessen! Wie beim Thema Ernährung werden aufmerksame Bürger kritischer und wählerischer auch die Leser fordern ergänzende gedruckte Inhalte zur täglich technischen Informationsflut.

So zeigt Zeit Wissen in Kooperation mit der angesehenen Institution Stiftung Warentest einen gelungenen monothematischen Ratgeber „Ernährung“. Hervorragende Bildideen sind ein wahrer Augenschmaus, ebenso wie der Nutzwert des gut recherchierten Textes mit überschaubarer Gliederung und tabellarischer Übersicht für Tipps zum gesunden Einkauf. Eine genussvolle Kost
die dem Leser so viele anstrengende „Surf-Stunden“ erspart! Doch der Blick an den Kiosk zeigte den Kampf um jeden Leser. Ein wahrer Boom zum Thema Ernährung war auf vielen Titelseiten von anderen Magazinen zu sehen. Das Nacheifern und Ringen um hohe Auflagen führt zum ständigen Kopieren von Themen oder zum gesamten Nachahmen von Produkten.

Verpasst die deutsche Presse vielleicht mit ihrem Sparsinn, ihrer Angst um Verlust und dem Wunsch nach Sicherheit die Chancen für neue Herausforderungen? In der internationalen Presselandschaft ist der Mut zur Veränderung im Print-Bereich schon lange zu beobachten. Mit der Umstellung auf das Tabloid-Format vieler Zeitungen und dem Layout-Stil des Magazins gewann man zusätzliche
auch jüngere Leser. Angesichts der inzwischen unverzichtbaren Internetnutzung müssen als Ergänzung zum Printbereich neue Wege gesucht werden. Auch Altbewährtes kann wieder Früchte tragen.

„Guter Qualitätsjournalismus braucht Zeit, um sich von der Massenware abzuheben. In der komplexen Welt-Orientierung müssen Widersprüche und Ambivalenzen offen gelegt werden. Auch Zeitungen müssen sinnlich gemacht sein, mit schöner Sprache und guter Optik. Print und Online sollte man in Ihrer Verschiedenheit belassen!“
Giovanni de Lorenzo beweist als Chefredakteur von Die Zeit mit stetig steigender Auflage, wie auch hier die junge Leserschaft wieder gewonnen werden kann. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung beweist es im großen Format mit immer wieder guten Bild- oder Illustrations-Ideen, wie die oft trockenen Wirtschaftsthemen mit gekonntem Layout dem Leser näher zu bringen sind. Auch das ehemals revolutionäre künstlerische Layout der Twen von Willy Fleckhaus ist wie beim Versuch des neuen Magazins Nido deutlich wieder zu erkennen.

Der Buchbereich zeigt mit seinen erfolgreichen Umsätzen die Hinwendung zum Gedruckten. Der Wunsch zum Rückzug sowie die Liebe zum Papier wird auch im 21. Jahrhundert noch bestehen bleiben, auch wenn oft genug das Gegenteil behauptet wird. Es gibt viel zu tun, schöne neue Herausforderungen stehen an.

So werden wohl
vorerst in kleinen Stübchen neue Ideen von Einzelkämpfern mit dem Wunsch nach etwas Anderem entwickelt. Das vorerst leider nur per Mausklick dargestellte Dummy
Programm zeigt neue Wege zu den vielen sich ähnelnden TV- Illustrierten nur leider noch ohne Erfolg. Der Journalist Markus Reiter schrieb dazu in der Süddeutschen Zeitung: „Eigentlich der Traum eines jeden Verlagsmanagers, der teuere Anzeigen verkaufen will. Nur: die großen Verlage zeigen sich in den Zeiten der Medienkrise überdurchschnittlich spröde. Für Experimente ist gerade kein Geld da. Die „Programm“-Entwickler bekamen von den Zeitschriftenverlagen freundliche, aber klare Absagen.“

In der Schweiz hingegen hat der Verleger Michael Ringier mit Erfolg in den vergangenen Jahren das Politikmagazin Cicero und die Kulturzeitschrift Monopol für eine ganz ähnliche Zielgruppe auf den Markt gebracht. Es ist an der Zeit
auch mit weniger hohen Auflagen den Printbereich um Neues zu ergänzen. Dabei sollte der Computer beim Schreiben und Gestalten wieder als Handwerkskasten eingesetzt werden und nicht als Kreativ-Börse.



Die Autorin



Nikola Wachsmuth

Nikola Wachsmuth, Jahrgang 1950, studierte nach dem Abitur in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste. Parallel belegte sie das Studium für Pädagogik und Psychologie an der Universität Hamburg. Mit einem Volontariat beim Jahr-Verlag begann sie ihre berufliche Karriere. Es folgten umfangreiche Erfahrungen in großen Verlagshäusern (G+J, Bauer, Burda und Springer) bis hin zur Übernahme der Artdirection und Titelgestaltung bei namhaften Magazinen. Seit 1982 ist sie als freie Creative Directorin konzeptionell und beratend in der gesamten Bundesrepublik für marktführende Objekte tätig. Sie berät ferner Neuentwicklungen und Relaunches. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Anfertigung qualifizierter Blattkritiken, wobei sie auch bei der Umsetzung und Schwachstellen-Analyse begleitend zur Seite steht. Zudem lehrt Nikola Wachsmuth seit 1999 Editorial Design an Fach- und Hochschulen sowie an Akademien für Journalistik.

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