Print wird gewinnen
Neue Chancen für Inhalt und Optik
Text:
Nikola Wachsmuth
Illustration:
Kristina Schneider |
„Print hat keine Krise, denn Krise heißt, dass es wieder besser wird...“
So positiv äußerte sich kürzlich der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung.
Doch dann folgte leider: „... aber daran glaube ich nicht!“
Schade, Herr Kilz, mit Pessimismus lässt sich nichts Neues bewegen. Das
Jammern und Klagen wird langsam zum Markenzeichen in diesem Land.
Gut betuchte, aber klagende Rentner oder hoch bezahlte Manager, die den
Staat um Hilfe bitten oder sich mit Bonuszahlungen aus dem Staube machen,
signalisieren wenig Bereitschaft für Neues.
In den Zeitungskiosken an Flughäfen, Bahnhöfen oder Supermärkten
verschwindet sukzessive der ein oder andere Titel. Braucht man wirklich fünf
Lifestyle- oder People-Magazine? Das ohnehin erdrückende Angebot wird
langsam dezimiert und schafft Platz für Neues. So schmerzlich es auch für
manch einen Verleger, Herausgeber oder Mitarbeiter sein mag, aber die
Marktbereinigung in der Print-Landschaft ist nötig und eröffnet neue
Chancen.
Nicht die so viel zitierte Finanzkrise ist der Hauptgrund für Einstellungen
einiger Objekte, Kündigungen und dem Verlust in den Werbe-Etats. Nein
– auch
die Gier nach immer mehr Umsatz und hohen Auflagen lässt Verleger das
Besinnen auf „Gutes“ leider vergessen! Wie beim Thema Ernährung werden
aufmerksame Bürger kritischer und wählerischer
– auch die Leser fordern
ergänzende gedruckte Inhalte zur täglich technischen Informationsflut.
So zeigt Zeit Wissen in Kooperation mit der angesehenen Institution Stiftung
Warentest einen gelungenen monothematischen Ratgeber „Ernährung“.
Hervorragende Bildideen sind ein wahrer Augenschmaus, ebenso wie der
Nutzwert des gut recherchierten Textes mit überschaubarer Gliederung und
tabellarischer Übersicht für Tipps zum gesunden Einkauf. Eine genussvolle
Kost
– die dem Leser so viele anstrengende „Surf-Stunden“ erspart! Doch der
Blick an den Kiosk zeigte den Kampf um jeden Leser. Ein wahrer Boom zum
Thema Ernährung war auf vielen Titelseiten von anderen Magazinen zu sehen.
Das Nacheifern und Ringen um hohe Auflagen führt zum ständigen Kopieren von
Themen oder zum gesamten Nachahmen von Produkten.
Verpasst die deutsche Presse vielleicht mit ihrem Sparsinn, ihrer Angst um Verlust und
dem Wunsch nach Sicherheit die Chancen für neue Herausforderungen? In der
internationalen Presselandschaft ist der Mut zur Veränderung im Print-Bereich schon lange zu beobachten. Mit der Umstellung auf das
Tabloid-Format vieler Zeitungen und dem Layout-Stil des Magazins gewann man
zusätzliche
– auch jüngere Leser. Angesichts der inzwischen unverzichtbaren
Internetnutzung müssen als Ergänzung zum Printbereich neue Wege gesucht
werden. Auch Altbewährtes kann wieder Früchte tragen.
„Guter Qualitätsjournalismus braucht Zeit, um sich von der Massenware
abzuheben. In der komplexen Welt-Orientierung müssen Widersprüche und
Ambivalenzen offen gelegt werden. Auch Zeitungen müssen sinnlich gemacht sein,
mit schöner Sprache und guter Optik. Print und Online sollte man in Ihrer
Verschiedenheit belassen!“
–
Giovanni de Lorenzo beweist als Chefredakteur von Die Zeit mit stetig
steigender Auflage, wie auch hier die junge Leserschaft wieder gewonnen
werden kann. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung beweist es im großen
Format mit immer wieder guten Bild- oder Illustrations-Ideen, wie die oft
trockenen Wirtschaftsthemen
mit gekonntem Layout dem Leser näher zu bringen sind.
Auch das ehemals revolutionäre künstlerische Layout der Twen von
Willy Fleckhaus ist
– wie beim Versuch des neuen Magazins
Nido
– deutlich
wieder zu erkennen.
Der Buchbereich zeigt mit seinen erfolgreichen Umsätzen die Hinwendung zum
Gedruckten. Der Wunsch zum Rückzug sowie die Liebe zum Papier wird auch im
21. Jahrhundert noch bestehen bleiben, auch wenn oft genug das Gegenteil
behauptet wird. Es gibt viel zu tun, schöne neue Herausforderungen stehen
an.
So werden wohl
– vorerst in kleinen Stübchen
– neue Ideen von Einzelkämpfern
mit dem Wunsch nach etwas Anderem entwickelt. Das vorerst leider nur per
Mausklick dargestellte Dummy
Programm zeigt neue Wege zu den vielen sich
ähnelnden TV- Illustrierten
– nur leider noch ohne Erfolg. Der Journalist
Markus Reiter schrieb dazu in der Süddeutschen Zeitung: „Eigentlich der
Traum eines jeden Verlagsmanagers, der teuere Anzeigen verkaufen will. Nur:
die großen Verlage zeigen sich in den Zeiten der Medienkrise
überdurchschnittlich spröde. Für Experimente ist gerade kein Geld da. Die „Programm“-Entwickler
bekamen von den Zeitschriftenverlagen freundliche, aber klare Absagen.“
In der Schweiz hingegen hat der Verleger Michael Ringier mit Erfolg in den
vergangenen Jahren das Politikmagazin Cicero und die Kulturzeitschrift
Monopol für eine ganz ähnliche Zielgruppe auf den Markt gebracht. Es ist an
der Zeit
– auch mit weniger hohen Auflagen
– den Printbereich um Neues zu
ergänzen. Dabei sollte der Computer beim Schreiben und Gestalten wieder als Handwerkskasten eingesetzt werden und nicht als Kreativ-Börse. |
Die Autorin
Nikola Wachsmuth
Nikola Wachsmuth,
Jahrgang 1950, studierte nach dem Abitur in Hamburg an der Hochschule für
Bildende Künste. Parallel belegte sie das Studium für Pädagogik und
Psychologie an der Universität Hamburg. Mit einem Volontariat beim
Jahr-Verlag begann sie ihre berufliche Karriere. Es folgten umfangreiche
Erfahrungen in großen Verlagshäusern (G+J, Bauer, Burda und Springer)
–
bis hin zur
Übernahme der Artdirection und Titelgestaltung bei namhaften Magazinen. Seit
1982 ist sie als freie Creative Directorin konzeptionell und beratend in der
gesamten Bundesrepublik für marktführende Objekte tätig. Sie berät ferner
Neuentwicklungen und Relaunches. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die
Anfertigung qualifizierter Blattkritiken, wobei sie auch bei der Umsetzung
und Schwachstellen-Analyse begleitend zur Seite steht. Zudem lehrt Nikola
Wachsmuth seit 1999 Editorial Design an Fach- und Hochschulen sowie an
Akademien für Journalistik.
Website |