Amerika, wir
wollen deine Explosionen
Europa, uns langweilen deine Implosionen
TEXT:
FRITZ
U. KRAUSE
BILD: PHOTOCASE.DE
Kapitel 1
Achtung: Hier spricht das Theater!
Die
US-Amerikaner schauen auf die Explosionen des Universums.
Amerika pflegt seine Explosionskultur.
Die Europäer orientieren sich rückwärtsgewandt an den Implosionen der Natur.
Europa schleppt an seiner Implosionskultur.
Das Theater erkämpft eine immer neue Katharsiskultur. Inszeniert
werden Explosionen als innovierende Synthesisbildungen und Implosionen als
repetierende Synthesisbildungen. Beide Inszenierungsrichtungen müssen den
Anspruch des Realeffekts erfüllen. Ohne Realitätsempfindung gibt es keine
Katharsis.
Kapitel 2
Die Organik ist das letzte äonale Synthesis-Produkt universal-kosmischer
Explosionen. Aus dem Anorganischen treten Objekte heraus, für die es Objekte
gibt. Organische Objekte entwickeln sich wandelnde Einflußnahmen
aufeinander. Die auffallendste Einflussnahme ist die Selbstzerstörung der
Natur zur Neubelebung der Natur: die Implosion.
Die Organik selbst setzt auf Implosionen und die Reproduktion des Gleichen.
Hier herrschen Dauer und Langsamkeit.
Kapitel 3
Im Theater der Langsamkeit wird aus dem Hintergrund ein Schrei inszeniert:
Amerika, wir wollen deine Explosionen!
Das Universum sei auch unser
Vorbild! Wir spielen aber erst mal wieder Cechov.
Im Theater der Geschwindigkeit inszeniert man verklemmt und verschämt, vor
allem betroffen die Nostalgie des Erzählens als des Sich-Erinnerns:
Europa, oh Land der politkulturalen Implosionen!
-Politische Implosionen des Dreißigjährigen Krieges von 1914 bis
1945: der Politiker als Massenmörder, sodann bis heute: der un-aufhaltsame
Aufstieg der Politiker im Verbrecher-Syndikat
-kulturale Implosionen der bildmedialen Wirklichkeitskonstrukte:
Computerwelten
-Theaterimplosionen: Aufhebung der Rampe zwischen Bühne und
Zuschauer: der un-aufhaltsame Aufstieg des Politikers zum Schauspieler.
Das Theater erlebt seinen Verfall ins Kulinarische und Unausstehliche.
Kapitel 3
Die europäische Phantasie hat eigentlich nur zu transatlantischen
Abenteuerfahrten gereicht und endete mit dem Erreichen Amerikas. Doch die
Europäer zeigen aus dem Lehnstuhl, aus der Atemnot seelischer Implosion
Erbarmen mit einem Amerika, mehr noch, sie zeigen Ekel. Sie ekeln
sich vor dem verfetteten Kriegsamerikaner. Eine europäisch-dekadente
Mitleidstour, mit Bigotterie und Unverständnis gegenüber der elementaren Wut
der Überfallenen. Die Europäer entsetzen sich über das AugeumAuge der
jüdischen Wut, der israelische Wut auf die feiste Moral der altfaschistoiden
Mörderbanden und neufaschistoiden Terrorbanden. Die Europäer sind
implodierende Ignoranten.
Die Explosionen haben Neues geschaffen: „Erstmals dominiert eine totalitäre
Denkfigur das Weltbild demokratisch gewählter Machthaber“ (H-EBahr, 2003).
Eine alte Demokratie hat die Explosion wieder entdeckt.
Die US-Film-Explosionen kennt jeder; sie sind zumeist primitive Botschafter
der amerikanischen Explosionskultur. Doch nur die Explosion ermöglicht die
Synthese neuer Materiezustände.
Amerika versuche dich in kosmischen Explosionen!
Kapitel 4
Jede neue Synthesis ist Avantgarde der Theaterkunst; Theaterkunst ist
Experiment des Menschengemäßen. Am Anfang ist das Symbol. Das Symbol
hat keine Ähnlichkeit mit dem, was es meint. Die Symbole sind
Synthesisergebnisse, die ihr eigenes System ausbauen in Unähnlichkeit zu
allem und expansiv neue Welten schaffend. Die Ikone sind die Scheinzeichen
der Implosion
Die Theaterkunst schafft das Wirkliche, wenn sie das Abgebildete als Neues
schafft und in Gang setzt. Das Menschengemäße befreit sich von der Organik.
Das Menschengemäße sind die Symbolsysteme. Das Natursystem wird sich
auflösen in selbstzerstörender Ermattung.
Die Selbstorganisation der Symbolsysteme ist das evolutionäre Ergebnis der
Befreiung der Materie aus dem Determinismus.
Kapitel 5
Das moderne Gehirn ist zunehmend undeterminiert.
Seine Plastizität findet ihre Parallele in der kulturellen Plastizität.
Das Theater ist das Symbol der Plastizität.
Das Gehirn wird zunehmend der Ort, der sich von den Bedingungsgefügen
menschlichen Erfahrens und Sprachdenkens absetzt. Das Problem des fehlenden
externen Standpunkts für objektivierte Erkenntnis und somit die ständige
Behauptung einer natürliche Beschränkung menschlicher Erkenntnisfähigkeit (FvKutschera,
1993) werden mit der neuronalgesteuerten Tendenz zur Befreiung des
Entscheidungs- und Synthesiswillens zunehmend bedeutungsloser.
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