Militainment
made in Washingwood
TEXT: BEN BINKLE, JANA JUNGHARDT, KAI MEINERT UND ANDREA OSTHAUS
BILD:
MGM
Im Film „Pearl Harbor ist über hundertmal die US-Flagge auf der Leinwand zu
sehen. Ist es Zufall, dramaturgische Notwendigkeit oder steckt mehr
dahinter?
Phil
Strub (Special Assistant for Entertainment Media at the
Department of Defense) ist offizieller Verbindungsmann zwischen dem Pentagon
und Hollywood. Laut seiner
Army-Broschüre
für Filmproduzenten fördert das Verteidigungsministerium solche
Produktionen logistisch und finanziell, die „das öffentliche Verständnis der
Streitkräfte fördern und die Streitkräfte in ihren
Rekrutierungsanstrengungen und Geheimhaltungs-richtlinien unterstützen“. Das
„richtige“ Bild des amerikanischen Militärs soll gezeigt werden: US-Soldaten
rauchen und fluchen nicht, reden von Werten und Moral, Ehre und Pflicht,
natürlich von Heldentum und davon, für das Vaterland zu sterben. Dazu
greift das Pentagon in die Arbeit der Regisseure, Drehbuchautoren und
Produzenten ein: Es kürzt und streicht beliebig Szenen und liefert
Requisiten.
Nur – weshalb lässt Hollywood diese Einflussnahme von Seiten des Pentagon
zu?
Ein Grund ist die Authentizität. Denn die vom Pentagon gesponserten Filme
erhalten zum Beispiel echte Helikopter, Flugzeugträger
und Ausbilder,
die den Schauspielern Unterricht im richtigen Umgang mit Waffen erteilen.
Doch der eigentliche Grund ist das Geld, denn das Equipment ist beinahe
kostenlos – zumindest nach Hollywood-Maßstäben: Für Kampfjets zahlt ein
pentagontreuer Produzent einen Stundensatz von circa 8000 Dollar. Stimmt er
den Änderungen im Drehbuch nicht zu, kostet ihn eine Flugstunde in Jets auf
dem freien Markt rund 20.000 Dollar. Nach „geringfügigen“ Korrekturen
im Drehbuch ist es
sogar möglich, für 400 Dollar pro Stunde auf einem Flugzeugträger zu drehen
– inklusive der militärischen Original-Ausstattung. |
AUSGABE 36
SCHWERPUNKT AMERIKA
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT M.
MÜLLER V. BLUMENCRON
ANDY WARHOLS TIME CAPSULES
EXPLOSION/IMPLOSION
MILITAINMENT MADE IN
WASHINGWOOD
FÜNF FRAGEN - ZEHN
ANTWORTEN
IM
WESTERN NICHTS NEUES
VIER RINGE DER MACHT
MACHT STATT MUSKELN
KAMPAGNEN FÜR DIE MORAL
FROM WURSTFEST TO GEMUETLICHKEIT
1, 2, 3
FROM NEW YORK TO GERMANY
ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
ÜBER DIE GEGENWART
IMPRESSUM
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Gewinne nicht mehr nur am materiellen Wert Geld misst,
sondern besonderen Wert auf den Verkauf von Lebensstilen
legt. Ein Image wird da
an den Mann gebracht.“ Denn auch über den Film lassen sich versteckte Ideen
an den Mann bringen. Seit dem Zweiten Weltkrieg bedient sich das Pentagon
regelmäßig der „Traumschmiede“ Hollywood als Ideologieträger. Dabei ist die
Aussage immer die gleiche: Amerika als Retter in der – oftmals bedrohten –
Welt. In Kriegsfilmen wie
Pearl
Harbor geht es primär darum, militärisches
Eingreifen als plausible Lösung zur Konfliktbewältigung zu etablieren. Eine
Idee, die filmisch verbreitet wird, lässt sich realpolitisch leichter
durchsetzen, sagen Kritiker.
Doch vorbei die Zeit, als nur Filme umgeschrieben wurden. Längst profitieren
Pentagon und Hollywood auf andere Weise voneinander. So entwickeln
Unterhaltungsspezialisten im
Institute
for Creative Technologies Simulatoren als
virtuelle Trainingsorte für US-Soldaten. Hollywoods Phantasie beflügelt die
Entwicklungen des Militärs. So dienten schon Filmkostüme als Vorlage für die
Uniformen von morgen. Zudem legte Produzent Jerry Bruckheimer dem Militär
den Entwurf für die Reality-TV-Serie
"Profiles"
vor, in der US-Soldaten im Afghanistan-Krieg von Kamerateams begleitet
wurden. Hieraus ging dann das Konzept der
„Embedded Correspondents“ im Irak-Krieg hervor.
Sicher hält Phil Strub für den Kinobesucher in Zukunft weitere
Propaganda-Überraschungen bereit. Doch stellt sich die Frage nach der
Effektivität dieser Maschinerie. Sind mehr Soldaten in die
US-Army eingetreten? Wurde das Bild des Militärs international
gefestigt? Egal: Washingwood macht weiter.
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