From Wurstfest to Gemuetlichkeit Days

TEXT:
LAURA KASBERG, SASCHA WEDDE, SASCHA HANSEN,
TIM LÜBBERING UND SABRINA WEISNER

BILD: GDAYS.ORG



Bier, Brezeln, Bratwurst - ein Paradies für jeden Bayern-Fan. Doch wer glaubt, das gäbe es nur in Deutschland, der hat sich getäuscht. Die Münchner Wiesn haben Konkurrenz in Übersee. Die amerikanische Antwort auf das traditionelle deutsche Oktoberfest: Im  Biergarten tanzt die Masse zum „Chicken Dance“ in Lederhosen auf den Tischen, nebenan eine lange Schlange vor der „Germania Schnitzel Bude“. Wir befinden uns mitten auf dem Zinzinnati-Oktoberfest, das größte der zahlreichen Oktoberfeste in den USA, das jährlich über 500.000 Fans anzieht. Für die Amis eine gelungene Alternative, wenn das Geld für das Original nicht reicht. Doch hiermit nicht genug: Damit den Daheimgebliebenen die deutsche Gemütlichkeit nicht entgeht, setzen sie noch eins drauf. In Jefferson (Wisconsin) feiert man im September die Gemuetlichkeit Days. Ein Wochenende lang versucht man dort, die typisch deutsche Eigenschaft dem stressgeplagten und hektischen US-Bürger nahe zu bringen. Bei Bier und Schunkelmusik werden Gemuetlichkeits-Queen und King gewählt.

Ortswechsel: New Braunsfels (Texas). Hier wird jährlich das
Wurstfest zelebriert. Unsere Vorfahren brachten die deutsche Delikatesse einst in die USA, wo sie bis heute eine Attraktion ist. Jährlich im November wird das kleine verschlafene Nest zu einer Pilgerstätte für Wurstliebhaber: Das Massenpublikum wird zum Augenzeugen der typisch deutschen Wurstzubereitung. Für musikalische Untermalung sorgt die City Sausage Band – die amtliche „Stadt Wurst Kapelle“.

Während sich in Deutschland viele über die Amerikanisierung aufregen, entdeckt man in den USA die deutschen Wurzeln wieder. Zu den Festen werden manchmal sogar deutsche Blaskapellen eingeflogen.

Doch woher stammt das Interesse an deutscher Festkultur? Übernehmen unsere amerikanischen Freunde ein mediengeprägtes Bild wie in der Fernsehserie „Ein Käfig voller Helden“? Oder liegt es daran, dass die Deutsch-Amerikaner mit rund 60 Millionen Menschen die größte Gruppe  europäischer Einwanderer in den USA sind? Die Deutschen und die Deutschstämmigen machen fast ein Viertel der US-Gesamtbevölkerung aus. Sechs Millionen Menschen sind sogar der deutschen Sprache noch mächtig. Das heißt: In den USA leben mehr deutschsprachige Menschen als in der Schweiz. Diese werden sogar mit über 300 Zeitungen und Zeitschriften in ihrer Sprache versorgt. Die
Nordamerikanische Wochenpost und das Magazin Das Fenster sind nur zwei Beispiele.

Authentizität spielt bei der Übernahme deutscher Lebensgewohnheiten eher eine untergeordnete Rolle: „Deutsch“ bedeutet in Amerika „bayerisch“. Unumgänglich sind bei einem Deutschland-Aufenthalt Besuche von Hofbräuhaus und Neuschwanstein. Berlin, Köln oder Hamburg sind zweitrangig.


Auf den amerikanischen Oktoberfesten tanzt man statt Schuhplattler den Ententanz (eine holländische Erfindung, die man auch nicht gerade als Tradition bezeichnen kann). In die Maß wird „Budweiser“ gefüllt, und gegrüßt wird mit dem in Deutschland weit verbreiteten Ausruf „Gemutlichkeit!“.

Auch wenn die Spuren des deutschen Kultureinflusses wohl kaum noch als „deutsch“ erkennbar sind: Vielleicht helfen sie ja, das Interesse für Deutschland und seine (wahre) Kultur in Amerika zu vertiefen. Denn fast drei Viertel aller Amerikaner wissen nicht, wo sich Deutschland auf dem Globus befindet, wie Michael Moore in seinem Film „Bowling for Columbine“ bemerkt.




ZUM SEITENANFANG

 

AUSGABE 36
SCHWERPUNKT AMERIKA




STARTSEITE

EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT M. MÜLLER V. BLUMENCRON
ANDY WARHOLS TIME CAPSULES

EXPLOSION/IMPLOSION
MILITAINMENT MADE IN WASHINGWOOD
FÜNF FRAGEN - ZEHN ANTWORTEN

IM WESTERN NICHTS NEUES
VIER RINGE DER MACHT
MACHT STATT MUSKELN
KAMPAGNEN FÜR DIE MORAL
FROM WURSTFEST TO GEMUETLICHKEIT
1, 2, 3 FROM NEW YORK TO GERMANY


ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
ÜBER DIE GEGENWART
IMPRESSUM




Diesen Artikel drucken Diesen Artikel an einen Freund senden


Diesen Artikel an einen Freund senden

DIESE SEITE EMPFEHLEN


Bitte geben Sie hier die E-Mail-Adresse des Empfängers ein.