1, 2, 3 from
New York to Germany
TEXT:
KATJA EMBACHER, JENNY SCHNABEL UND KRISTINA
SCHNEIDER
BILD:
PHOTOCASE.DE
Eine der bedeutendsten amerikanischen Jugendkulturen ist der „HipHop“, der
weit über die Grenzen der USA hinaus bekannt und beliebt geworden ist.
Fasziniert von Musik und Lebensgefühl projizieren Künstler weltweit diesen
Musikstil in ihre eigene Sprache, ständig im Zwiespalt zwischen dem
amerikanischen Vorbild und der Entwicklung eines eigenständigen
musikalischen Genres. So auch in Deutschland.
Ist es jedoch angesichts der allgegenwärtigen Präsenz amerikanischer
Konkurrenten überhaupt möglich, sich von seinen Ursprüngen, seinen
Vorbildern zu lösen? Sind kommerzielle Erfolge auch ohne Vermarktung durch
Videoclips, die dem Klischee des amerikanischen Gangster-Rappers nacheifern,
erreichbar? Antworten könnte ein Überblick über die
Entwicklung
des HipHop in den USA liefern und ein Blick
in die Zukunft des deutschen HipHop.
Ende der sechziger Jahre entstand in den Straßen der New Yorker Stadtteile
Harlem und South Bronx ein neuer Musikstil. Erste DJs und MCs unterhielten
ihr Publikum mit einem Mix aus Sprechgesang und Sounds. Als Sprachrohr der
schwarzen Jugend transportierte HipHop Nachrichten aus dem Ghetto, über die
US-Medien kaum berichten.
Erste kommerzielle Erfolge verzeichnete der HipHop, als 1979 auf dem
„schwarzen“ Label Sugarhill die Single „Rapper´s Delight“ der Gruppe
Sugarhill
Gang veröffentlicht wurde, die sich
über eine Million Mal verkaufte: Der erste internationale Rap-Hit war
geboren. Nun stürzten sich auch große Musikkonzerne wie Atlantic und Mercury
auf die Vermarktung der HipHop-Szene. Dabei wurden Musik und Texte auf den
„weißen“ Markt abgestimmt, das heißt entschärft. HipHop entwickelte sich von
einer Subkultur zu einer Jugendbewegung, aus der sich Profit schlagen lässt.
Anfang der Neunziger ist die Diskrepanz zwischen Kunst und Kommerz immer
größer geworden: Aufmerksamkeit und Popularität konnte nur erreichen, wer
einen Vertrag bei einer der großen Plattenfirmen hatte und so mit aufwendig
produzierten Videoclips in die MTV-Dauerrotation einsteigen konnte. Zur
gleichen Zeit begannen in Deutschland erste Künstler zunächst auf Englisch,
später auch auf Deutsch zu rappen. Die Möglichkeiten der Vermarktung waren
hier allerdings noch beschränkt. Da MTV vorrangig Videoclips amerikanischer
Künstler ausstrahlte, existierte deutscher HipHop zu dieser Zeit nur als
musikalische Randbewegung.
Im Jahr 1992 veröffentlichte die Stuttgarter Combo „Die Fantastischen Vier“
die Single „Die da!?“. HipHop Made in Germany wurde erstmals kommerziell
erfolgreich und von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.
Der 1993 gegründete deutsche Musiksender Viva avancierte zur Plattform für
weitere nationale Künstler. Erstmals hatten diese hier die Möglichkeit, ihre
Videoclips zu veröffentlichen. Plötzlich waren Top Ten-Chartplatzierungen
keine Seltenheit mehr. 1997 ging MTV
Deutschland auf Sendung und bietet ebenfalls ein Sendeformat, durch welches
sich weitere Vermarktungsmöglichkeiten für deutsche Künstler bieten. 2001
traten „Die Fantastischen Vier“ sogar als erster deutscher HipHop-Act bei „MTV-Unplugged“
auf. Der deutsche HipHop scheint sich endgültig
vom Vorbild Amerika lösen zu können.
Ein Blick in die aktuellen Hitparaden zeigt allerdings ein völlig anderes
Bild: Bereits 2003 sind Charterfolge selten geworden. Zu groß ist die
Konkurrenz der aufwendig produzierten Videoclips und glamourös in Szene
gesetzten Stars aus den USA.
Der Ruf nach Eigenständigkeit ist dem Kopieren von amerikanischen
Erfolgskonzepten oder Kollaborationen mit Stars aus Übersee gewichen. So
hat sich DJ Tomekk bereits 1999 mit Grandmaster Flash eine amerikanische
HipHop-Ikone ins Boot geholt und mit dem Hit „1, 2, 3…rhymes galore“
für Aufsehen in den deutschen Charts gesorgt.
Das Konzept „amerikanischer Superstar hilft deutschem Sternchen“ hat sich
inzwischen bewährt, kommerzielle Erfolge scheinen ohne die Unterstützung
amerikanischer Idole nicht möglich zu sein: So konnte 2003 nur ein einziger
deutscher HipHop-Act den Sprung in die Top Zwanzig der Jahrescharts schaffen:
Xavier Naidoo sicherte sich Platz vier – dank kräftiger Unterstützung des
US-Superstars RZA.
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