Sie sind immer bei dir



Die Älteren erinnern sich vielleicht: Früher konnte es passieren, dass man mit dem Handy in der Hand auf der Straße schief angesehen wurde. Ruhestörung! Wichtigtuerei! Die Akzeptanz war gering, die Reizschwelle niedrig. Zum Telefonieren ging man in eine Telefonzelle, basta. Dort befahl in Bundespost-Zeiten ein Schild: „Fasse dich kurz“.

Heute verströmt der Besuch in einer Telefonzelle geradezu exotisches Flair. Telefonzellen sind rare Sammelpunkte für Menschen geworden, deren Handy-Akku leer oder deren Prepaid-Guthaben aufgebraucht sind. Auch schnell sprechende und hastig Münzen einwerfende Ausländer, die keinen deutschen Mobilfunkvertrag haben, können häufiger beobachtet werden. Ansonsten werden die verbliebenen Geräte Opfer der selektiven Wahrnehmung.

Inzwischen telefonieren die meisten Menschen mobil. Wie selbstverständlich schreiben sie seit Jahren Kurznachrichten, knipsen hochauflösende Bilder, hören Musik aus digitalisierten Sammlungen tausender Stücke. Manche teilen gar die Eindrücke ihres Alltags in Moblogs mit anderen. Immer kleiner, flacher, leichter und leistungsfähiger sind die Handys aller Hersteller geworden. Doch je mehr Internet-Inhalte über Mobiltelefone abgerufen werden können, desto schwieriger wird die Miniaturisierung der Hardware. Das liegt vor allem am Display.

Selbst wenn Handy-Technik auf winzigem Raum zusammengefasst werden kann, scheitert die Verkleinerung an der menschlichen Schnittstelle. Um einen Text in einem Layout erkennen zu können, muss die Fläche eine gewisse Mindestgröße haben. Apple hat als erster Hersteller mit dem
iPhone ein Gerät veröffentlicht, dessen Bildschirm im Vergleich zur aktuellen Handy-Generation geradezu riesig ist. Online-Journalisten, die ihre Angebote aus nachvollziehbaren Gründen gerne auf mobilen Endgeräten verbreiten würden, brauchen Bildschirme, die Layout anzeigen können. Die Reduktion auf puren Text ist denkbar unattraktiv.

Seit in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort Web 2.0 eine neue Generation von Angebotsformen entstanden ist, schreiben Nutzer selbst Texte in Blogs und kommentieren sich gegenseitig, veröffentlichen Bilder und Videos auf Internet-Plattformen wie Flickr oder YouTube und knüpfen virtuelle Geschäfts- und Freizeitkontakte. Wie ist der Reiz dieser Formate wohl zu steigern, wenn sich die
bislang virtuellen Netzwerke auf die Straße, in den Supermarkt, in Cafés verlagern? Und welche neue Dienstleistungen sind denkbar, die sich direkt am Standort der Nutzer orientieren? Was die inhaltlichen und technischen Veränderungen in der Mobilkommunikation für den Online-Journalismus bedeuten könnten, hat Neue Gegenwart in dieser Ausgabe Focus Online-Chefredakteur Jochen Wegner gefragt.

Und während Datenschützer schon heute angesichts der Fülle an Informationen nervös werden, die wir über unser Kaufverhalten, unsere persönlichen Vorlieben, unsere soziale Kontakte, unsere Gesundheit und über unsere Liquidität veröffentlichen,
stoßen die Datensammlungen der Zukunft in ganz neue Dimensionen vor. Die Journalistin und Sachbuch-Autorin Christiane Schulzki-Haddouti blickt für Neue Gegenwart in die mobile Zukunft:  Gläserner Bürger 2.0.

Doch nicht nur Datensammlungen beunruhigen die Kritiker. Die ständige Erreichbarkeit und die Möglichkeit permanenter Kommunikation fordern ständige Aufmerksamkeit. Always on-sein macht
süchtig – und fördert das Gefühl einer ständigen Krise. Linda Stone, ehemalige Top-Managerin bei Apple und Microsoft, hat Neue Gegenwart in dieser Ausgabe den Text ihres Vortrages zur Verfügung gestellt, den sie auf der Digital Life Design-Konferenz (DLD) Ende Januar in München gehalten hat. Die internationale DLD-Konferenz wird jährlich von Hubert Burda Media ausgerichtet und versammelt Manager, Kreative und Künstler der weltweiten Medienbranche.

Weitere Themen finden Sie wie immer auf der aktuellen Startseite des Magazins. So hat der Medienwissenschaftler und Blogger Steffen Büffel alternative Lehrkonzepte an der Universität erprobt und einen Ausblick auf die Mobilisierung der Wissensarbeit gewagt. Medienanwalt Jens O. Brelle beschäftigt sich mit den rechtlichen Bedingungen der Übertragung von Kreativleistungen auf mobile Endgeräte. Neue Gegenwart-Autor André Donk hat sich Kinofilme angesehen, deren Handlung ohne Handy nicht funktionieren würde, Stefan Nicola erinnert sich an die ersten Tage des Mobilfunks, Kai Haller fasst die Trends zusammen, die er auf einem CeBIT-Rundgang gesammelt hat. Und Kristina Schneider, freie Illustratorin für Neue Gegenwart, hat mehrere Beiträge dieser Ausgabe erneut mit ihren Zeichnungen bereichert.


Ihr
Björn Brückerhoff

 

A
usgabe 51
Die Macht unserer ständigen Begleiter


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Editorial von Björn Brückerhoff
„Wir gestalten nur eine Übergangsphase“
Gläserner Bürger 2.0
Continuous Partial Attention

Die Mobilisierung der Wissensarbeit
Überwachung und Verrat

Sag mir, wo Du stehst...
Revolution der Mobilfunkbranche?
Der Alltag denkt mit
Uneingeschränkte Mobilität
Mobile Inhalte: keine Selbstbedienung
Der Visionär
Autoren dieser Ausgabe
Serie: Schönheiten des Alltags


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