Revolution der Mobilfunkbranche?
Apple hat
das iPhone vorgestellt
Text:
Philipp Drenkelforth Bild:
Courtesy of Apple
Noch nie war ein Hype um
ein Mobiltelefon so groß. Selten wurde ein Markteintritt von
Endverbrauchern, Analysten und einer gesamten Branche mit solcher Spannung
erwartet wie der des iPhones. Folgt nach dem Siegeszug des iPods, der die
Musikindustrie umkrempelte, jetzt die Fortsetzung auf dem milliardenschweren
Mobilfunkmarkt?
Am neunten Januar waren die Augen der Elektronik- und Computerindustrie auf
die Eröffnungsansprache des Apple-Chefs und Mitgründers Steve Jobs
gerichtet. Auf der jährlich in San Francisco stattfindenden Messe „MacWorld“
demonstrierte Jobs „Apple TV“, eine Set-Top-Box, die Wohn- oder Schlafzimmer
per Funk mit bis zu sechs Computern verbindet. Fotos, Filme und Musik können
so auf dem heimischen Breitbildfernseher angesehen werden. Ansonsten waren
im Vorfeld kaum Informationen über mögliche Produkt-Neuvorstellungen
durchgesickert. Die seit Jahren erprobte Strategie der Geheimhaltung
lieferte zuverlässig ein höchstes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit.
Geheimniskrämerei als sicheres Zeichen, dass Großes bevorstand.
Während sich Analysten und Anteilseigner nach einer Aktualisierung des seit
etwa anderthalb Jahren kaum veränderten Erfolgsträgers iPod sehnten, träumte
die wachsende Apple-Fangemeinde aufgrund von vorab bekannt gewordenen
Patentanmeldungen gar von einem Mobiltelefon mit integriertem MP3-Player –
ähnlich dem sehr erfolgreichen Sony Walkman-Handy.
Als Steve Jobs die Bühne des Moscone Theaters in Downtown San Francisco
wieder verließ, war es der Firma Apple gelungen, was seit Jahren nicht mehr
geklappt hatte – sie hatte sämtliche Erwartungen übertroffen. Innerhalb
kürzester Zeit stieg die Apple-Aktie an der US-Technologiebörse Nasdaq um
8,3 Prozent auf 92,57 Dollar, während am gleichen Tag die Kurse der
Mobilfunkkonkurrenz Nokia, Motorola und Co. um durchschnittlich rund fünf
Prozent förmlich einbrachen. Der bislang größte deutsche Gewinner von Apples
neuester Produkt-Innovation ist die in Bad Oeynhausen ansässige Firma Balda.
Obwohl diese Ende 2006 noch enorm unter der BenQ-Mobile-Pleite zu leiden
hatte, ließ die Information, dass Balda die Touchscreens des iPhones liefern
würde, ihre Aktie am Folgetag um bis zu zehn Prozent (Reuters) in die Höhe
schnellen.
Welche Merkmale und Innovationen zeichnen also ein Produkt aus, das einen
solchen Hype auslösen konnte? Bei der Betrachtung der technischen
Eigenschaften fällt auf den ersten Blick nichts weltbewegend Neues auf. Beim
iPhone handelt es sich um ein Quad-Band Handy, das sämtliche GSM-Netze
unterstützt, Datenverbindungen über W-LAN, GPRS, dem in Europa kaum
verbreiteten EDGE Standard sowie über Bluetooth 2.0 ermöglicht und über eine
Zwei-Megapixel-Kamera verfügt. Es ist nicht besonders klein (115 mal 11.6
mal 61 Millimeter) und nicht besonders leicht (135 Gramm). Der Unterschied
liegt im Touchscreen des Telefons. Der Bildschirm füllt fast die gesamte
Oberfläche des Gerätes aus. Er erkennt nicht nur einfaches Antippen, sondern
auch mehrfache gleichzeitige Berührungen und Bewegungen. Zur Bedienung
benötigt man keinen Stift, sondern lediglich seine Finger. Durch
Auseinanderziehen der Finger lassen sich Fotos vergrößern oder verkleinern,
die Musik- und Fotosammlung wird durch einfaches Streichen über das Display
durchblättert – alles ziemlich intuitiv.
Zusätzlich hat Apple drei verschiedene Sensoren eingebaut, die unter anderem
die Batterielaufzeit verlängern sollen. Neben einem Lichtsensor, der die
Displayhelligkeit automatisch den Umgebungslichtverhältnissen anpasst,
verfügt das iPhone auch über einen Lagesensor, der erkennt, ob das Gerät
horizontal oder vertikal gehalten wird. Der Displayinhalt wird stets der
aktuellen Position angepasst. So können beispielsweise Querformatfotos, die
vertikal betrachtet das iPhones-Display nicht ausfüllen, durch Drehen um 90
Grad im Vollbild betrachtet werden. Um eine Fehlbedienung beim Telefonieren
zu vermeiden, schaltet ein zusätzlicher Entfernungssensor das Display
automatisch ab, sobald man das iPhone zum Ohr führt.
Herzstück des Telefons ist sein
Betriebssystem „OS X“. Mobil abgerufene Websites werden nicht in
abgespeckter Form dargestellt, sondern genau wie im Webbrowser auf dem PC
oder Mac
–
und wenn gewünscht durch einfaches Drehen des Gerätes
auch im Querformat. Ähnliches gilt auch für HTML-E-Mails, deren
Hintergrundfarben und Fotos direkt angezeigt werden. Und auch Google ist mit
an Bord: das Programm Google Maps, mit
dem man sich neben diversen Karten auch die Standorte, Adressen und
Telefonnummern von verschiedensten Geschäften anzeigen lassen kann,
erleichtert die Orientierung. Selbst Satellitenbilder lassen sich mit Google
Maps auf dem Display darstellen.
Zur Standardsoftware gehört neben einem Taschenrechner auch eine Kalender-
und eine Adressbuch-Anwendung, die sich automatisch mit dem PC oder Mac
synchronisieren lassen. Börsenkurse und Wetternachrichten gehören zum
Programmumfang. Eingehende Kurznachrichten werden nach Namen geordnet und
gespeichert. Zum Verfassen von SMS wird auf dem iPhone eine vollwertige
Tastatur dargestellt, die ähnlich wie bei der T9-Funktion bisheriger Handys
vorausschauend arbeiten soll und Fehler automatisch korrigieren will.
Neu ist auch der visuelle Anrufbeantworter, der die eingegangenen
Sprachnachrichten nach Uhrzeit, Datum und Namen ordnet, damit zur
Orientierung des Nutzers beiträgt und es ihm ermöglicht, einzelne
Nachrichten direkt anzuwählen. Ebenfalls erwähnenswert ist auch der
Push-E-Mail-Service, den Apple auf dem iPhone in Kooperation mit dem
weltgrößten E-Mail-Anbieter Yahoo! kostenlos anbieten will, wodurch E-Mails
bei Eingang direkt auf das iPhone weitergeleitet werden.
Die ursprüngliche Idee hinter dem iPhone besteht jedoch darin, den iPod und
das Mobiltelefon zu einem Produkt zu vereinen. Erstmals kann man mit Hilfe
von Cover Flow – einem digitalen, visuellen CD-Regal – einfacher denn je
zuvor durch seine Musiksammlung navigieren. Dank des großen Displays können
Videos im Breitbildformat angezeigt werden. Beeindruckend für ein solches
multimediafähiges Handy soll auch seine mit bis zu fünf Stunden angegebene
Batterielaufzeit beim Abspielen von Videos, Surfen im Internet oder
Gesprächen sein. Wird nur Musik abgespielt, soll die Batterie des iPhones
sogar bis zu 16 Stunden halten.
Das iPhone, das in Europa voraussichtlich ab dem vierten Quartal 2007
verfügbar sein soll, wird in zwei Versionen mit einer Speicherkapazität von
vier und acht Gigabyte angeboten. Da es jedoch auch als Video-iPod dienen
soll und ein neunzigminütiger Film in der Regel über ein Gigabyte
Speicherplatz benötigt, erscheinen die Kapazitäten vor diesem Hintergrund
doch eher gering. Höhere Speicherkapazitäten wären allerdings derzeit nicht
wirtschaftlich, da die Preise für Flashspeicher, auf dem das iPhone basiert,
noch extrem teuer sind.
Als größte Schwäche des iPhones haben Kritiker bislang die fehlende
Unterstützung von UMTS ausgemacht. Hierauf hatte Apple vorerst verzichtet,
da sich dieser Mobilfunkstandard in den USA noch in den Kinderschuhen
befindet und bislang nur in wenigen Ballungsräumen verfügbar ist. Ob bis zum
geplanten Verkaufsstart Ende 2007 auf dem Europäischen Markt UMTS
unterstützt wird, bleibt abzuwarten.
Aus Verbraucher- und auch aus betriebwirtschaftlicher Sicht kritisch zu
betrachten ist noch der Exklusiv-Vertrieb des iPhones von Apple durch nur
einen Mobilfunkanbieter. In den USA hat sich Apple auf den mit über 58
Millionen Kunden beliebtesten Mobilfunkanbieter AT&T festgelegt.
Hauptkriterium bei der Wahl war neben größtmöglicher Netzabdeckung, hoher
Sprachqualität und großem Kundenstamm die Möglichkeit, den weltweit
populärsten Mobilfunkstandard GSM zu nutzen. Auch in Europa gilt
mittlerweile ein Exklusiv-Vertrieb des iPhones als sicher. Wer jedoch zum
Ende des Jahres das Rennen machen wird, ist momentan noch nicht abzusehen.
Sollte das iPhone jedoch an den Erfolg des iPods anknüpfen können, wären
sämtliche Mobilfunkanbieter gut beraten, sich ähnlich aktiv um den Zuschlag
zu bemühen, wie sie es damals bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen getan
haben. Gerüchten zufolge werden derzeit jedoch Vodafone und O2 die besten
Chancen eingeräumt. Während Vodafone europaweit sicherlich über die bessere
Netzabdeckung verfügt, ist O2 der Roamingpartner von AT&T in Europa und
könnte über seinen spanischen Mutterkonzern Telefónica auch den
südamerikanischen Markt bedienen.
Der gesamte Mobilfunkmarkt hatte 2006 ein weltweites Volumen von 957 Mio.
Mobiltelefonen und ist somit mehr als doppelt so groß wie der
Spielkonsolenmarkt (26 Mio. Einheiten), der Digitalkameramarkt (94 Mio.
Einheiten), der MP3-Player-Markt (135 Mio. Einheiten) und der PC-Markt (209
Mio. Einheiten) zusammen. Apples ausgeschriebenes und durchaus realistisches
Ziel ist, 2008 einen Marktanteil am Mobilfunkmarkt von einem Prozent zu
erringen, was einem Verkauf von etwa zehn Millionen iPhones in 2008 gleich
käme. Bei einer Vertragslaufzeit von in der Regel zwei Jahren laufen bis zum
Verkaufstart des iPhones in Europa etwa 40 Prozent aller Verträge aus.
Insgesamt gab es Ende des zweiten Quartals 2006 etwa 735 Millionen aktive
SIM-Karten. Im Jahr 2007 werden voraussichtlich etwa 810 Millionen Menschen
in Europa leben (Quelle: Internet World Stats). Wenn man berücksichtigt,
dass sich 2006 unter den 957 weltweit verkauften Mobiltelefonen lediglich 64
Millionen Smartphones befanden – was einem Anteil von nur knapp sieben
Prozent entspricht – stünden Apple zum Anfang des vierten Quartals dieses
Jahres theoretisch um die 20 Millionen potenzielle iPhone Kunden in Europa
zur Verfügung. Sicherlich wird sich nur ein Bruchteil von ihnen tatsächlich
für den Kauf eines 500 Euro teuren Handys entscheiden, vor allem in
Anbetracht der Tatsache, dass andere Mobilfunkgeräte bereits für einen Euro
zu haben sind. Dennoch hätte 2001 ebenfalls niemand gedacht, dass jemand
bereit wäre, 400 Dollar für einen MP3-Player auszugeben. Heute hat Apples
iPod einen Marktanteil von 72,7 Prozent bei über 100 Millionen verkauften
Geräten. Ein ähnlich erfolgreicher Siegeszug des iPhones auf dem
Mobilfunkmarkt kommt derzeit sicherlich den Albträumen der Manager in den
Chefetagen der Mobilfunkkonkurrenz sehr nahe.
Sollte das iPhone auch langfristig exklusiv bei nur einem Mobilfunkanbieter
vertrieben werden, so könnten iPhone-Kunden auf der einen Seite
untereinander sicherlich zu unschlagbar günstigen Konditionen telefonieren,
auf der anderen Seite würde der betroffene Mobilfunkanbieter jedoch auf
diese Weise nahezu eine Monopolstellung erlangen, was aus Verbrauchersicht
kaum von Vorteil sein kann.
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Ausgabe
51
Die Macht unserer ständigen Begleiter
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Editorial von Björn Brückerhoff
„Wir
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Die Mobilisierung der
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Der Alltag denkt mit
Uneingeschränkte Mobilität
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