Moral und Medien: große Worte
ZUSAMMENSTELLUNG:
KAI
HALLER
BILD: PHOTOCASE.DE
Jedermann,
wer immer es auch sei –
vorausgesetzt, dass er kein feindliches Element ist
und keine böswilligen Angriffe unternimmt – darf
seine Meinung äußern, und es macht auch nichts aus, wenn er etwas Falsches
sagt.
Mao Tse-tung (1944)
Wenn die öffentliche Meinung in den Händen derer ist, die durch sie
kontrolliert werden sollen, dann ist –
um im Bilde zu bleiben –
das Nervensystem unter Voll-Narkose.
Martin Walser (1985)
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Breite journalistischer
Qualitätsnormen und dass die Breite journalistischer
Moralstandards innerhalb der letzten zehn Jahre
rückläufig ist. Die wichtigste Ursache für diese Entwicklung sehe ich nicht
in einer „Verwilderung der Sitten“, sondern in den (politisch gewollten)
ökonomischen Konkurrenzmechanismen: die Jagd nach der Auflage, der
Einschaltquote, die immer differenziertere Austestung der Grenzen des
Publikumsgeschmacks, die Entwicklung neuer Mischformen wie das Infotainment
hat zu einem Rückgang professionell-journalistischer Moralstandards geführt.
Günter Bentele – Universität Leipzig (1996)
Die Parteien sollten nicht als Besitzer von Medien auftreten, die Besitzer
der Medien sollten aber auch nicht Ministerpräsident, Bundeskanzler oder was
sonst werden wollen. Die Verkopplung von politischer Macht und Medienmacht
muss, so gut es geht, verhindert, ausgeschlossen werden.
Peter Glotz (1994)
Wenn ich der Presse die Zügel locker ließe, würde ich keine drei Monate im
Besitze der Macht bleiben.
Napoleon (1769 – 1821)
Ich habe den Eindruck, dass es in der Presse
zuviel gottverdammte Selbstzensur gibt. Ich habe schon immer Reporter
verachtet, die ihre dubiosen, vertraulichen Beziehungen zu den Mächtigen
damit rechtfertigen, dass sie ihre Quellen offen
halten müssten. Das ist Mist. Auf diese Art
erfährt man nichts.
David Halberstam – Pulitzer-Preisträger
Information und Kommunikation sind Lebenselemente
moderner gesellschaftlicher Strukturen. Ständig wachsende Nachrichtenströme
suchen den Weg vom Ereignis über die Medien zum Empfänger. Je unbehinderter
durch Zensur, Nachrichtenunterdrückung, staatliche Reglementierung,
einseitige Abhängigkeiten und nachrichtentechnische Engpässe dieser Weg ist,
desto besser ist der Informationsstand der Öffentlichkeit und desto geringer
sind die Gefahren des Vorurteils, der Irreführung und Manipulation.
Auszug aus der Festschrift zur 25-Jahr-Feier
der dpa (1974)
Das Problem der versteckten Zensur ist nicht nur eine Sache der Zensoren.
Wer sich Manipulation und Einschränkung von Meinungsvielfalt gefallen lässt
und dem noch zustimmt, ist mitverantwortlich für die Aushöhlung
demokratischer Grundrechte. Die Zensur während des Golfkrieges war zum
Beispiel nicht nur wegen der strikten Regeln des Pentagon so effektiv,
sondern auch deshalb, weil so viele Menschen nicht kritisch nachfragten und
mit den einseitigen und gefilterten Informationen über den Krieg, der fern
von ihren Haustüren stattfand, zufrieden waren. Bedenkenlosigkeit, Ignoranz
und Desinteresse sind zumindest eben solche großen Feinde der
Meinungsvielfalt und der Informationsfreiheit wie politische oder
kommerzielle Zensur.
Cees Hamelink – Universität Amsterdam (1996)
Die Pressefreiheit kann nur dort gedeihen, wo Informationsfreiheit herrscht.
Und von seiner Meinungsfreiheit macht am ehesten und am nützlichsten
Gebrauch, wer umfassend informiert ist. Wenn es eine öffentliche Aufgabe der
Presse gibt, dann liegt sie darin, die Wechselbeziehungen zwischen
Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Informationsfreiheit in ständigem Fluss
zu halten.
Hans-Dietrich Genscher (1970)
Drei Faktoren bedrohen ständig die Pressefreiheit: 1. Machthabende
Politiker, 2. Das große Geld, 3. Überzogene politische Ambitionen der
Verleger und Chefredakteure. Die wichtigsten Verbündeten der Pressefreiheit
sind die Leser und der Markt. Beide spielen eine wichtige und regulierende
Rolle.
Jerzy Waldemar Rasala – polnischer Journalist (1996)
Das Fernsehen verführt seine Benutzer zu dauernder Verwendung, stumpft die
Sinne ab, macht die Erde zu einer Dorfgemeinschaft, die in der gleichen
Sekunde seufzt, erschrickt und lacht, verhilft der Menschheit zu einem
Gemeinschaftsgefühl. Und immer spielt es auf unseren Nerven. Zu fragen, was
das Fernsehpublikum auf seinen Nerven gespielt haben will, ist lächerlich.
Das wäre so, als ob man die Leute fragen würde, was für Bilder und Töne sie
in einer Großstadt um sich haben wollen.
Marshall McLuhan (1982)
Es scheint ein Hauptziel der Medienpolitik in Deutschland zu sein, eine
Vielfalt des Angebots zu fordern, und diese Vielfalt verspricht man sich von
einem marktorientierten Fernsehen. Ich kann nur feststellen, dass
wir in den Vereinigten Staaten, wo wir ja ein marktorientiertes Fernsehen
haben, diese Vielfalt in politischen Dingen eben nicht bekommen haben
Neil Postman (1986)
Die Möglichkeit der verbesserten Informationsbeschaffung kann auch zur Krise
der Information werden, wenn nicht neue Wege im Umgang mit der Information,
ihrer Beschaffung, ihrer Selektion, ihrer Verarbeitung gegangen werden.
Thilo Pohlert (1982)
Unsere Medien haben gewiss dazu beigetragen, dass
ein Empfinden für eine Weltzivilisation zustande kam,
freilich ohne Tiefe an Einsichten in den Prozess des
Weltgeschehens, sondern auf der angenehmen Oberfläche. Dieses trügerische
Gefühl, die Welt in all ihren Zusammenhängen ohne Studium, Lebenserfahrung
und Nachdenken, sondern allein durch Fernsehkonsum begreifen zu können, hat
zur Erfahrung eines modernen Dilettantismus geführt.
Lothar Bossle – Universität Würzburg (1986)
Natürlich stellen sich mit dieser Technologie (der digitalen Effekte) auch
ethische Fragen: Nichts ist mehr wahr, man kann nicht nur Worte, sondern
auch Bilder manipulieren. In Zukunft wird man einen Star in ein digitales
Fotostudio schicken. Sein Körper, sein Gesicht kann auf Diskette gespeichert
werden. Und wenn der Star älter wird, lässt sich so
immer wieder auf sein jugendliches Aussehen zurückgreifen: Er könnte in ein
und demselben Film, ganz ohne Make-up, einen Teenager und einen Opa zugleich
spielen – wäre das nicht wundervoll? Das könnte natürlich auch beängstigend
sein.
Robert Zemecki – Regisseur (1994)
Das Bedürfnis, Feindbilder zu beschwören, entspringt offenbar unmenschlichen
Bedürfnissen. In primitiven Gesellschaften wird versucht, mit Hilfe von
Feindbildern die Solidarisierung gegenüber dem Nachbarstamm sicherzustellen;
in hoch entwickelten Industriestaaten, wie
beispielsweise Amerika, sind die Anlässe zwar andere, aber die Motive sehr
ähnlich: Jahrelang wurden dort blutrünstige Schreckensbilder von den Sowjets
entworfen, um den Bürgern vor Augen zu führen, wie wichtig die Aufrüstung
ist, und ihnen klarzumachen, warum sie zusätzliche Steuern zahlen müssen.
Solche Horrorbilder lassen sich gewöhnlich nur sehr schwer wieder
beseitigen. Denn die Regierungen werden mit der Zeit Opfer ihrer eigenen
Propaganda und halten ihre selbststilisierten Feindbilder schließlich für
die Wirklichkeit. Die Bürger einschließlich der Journalisten können sich
davon auch nur schwer freimachen.
Marion Gräfin Dönhoff (1994)
Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß
und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.
Bertolt Brecht (1898 – 1956)
Manche Wahrheiten sollen nicht, manche brauchen nicht, manche müssen nicht
gesagt werden.
Wilhelm Busch (1832 – 1908)
Unbequeme Journalisten sind für die Demokratie unentbehrlich, bequeme
dagegen entweder entbehrlich oder gefährlich.
Fritz Eberhard (1896-1982)
Selbstverständlich kenne ich auch die Vertreter von Medien, die als
Journalisten nicht informieren und übersetzen, sondern lediglich geschickt
die Vorurteile und Klischees der Konsumenten bedienen. Öffentliche
Informationen werden trivialisiert, Nachrichten und Bilder als Ware
gehandelt, um Seiten und Programme zu füllen, die Sprache wird reduziert auf
Slogans... Scharlatane und miserable Produkte haben auf Dauer keine Chance.
In der Öffentlichkeit ist durchaus ein Gespür vorhanden und entwickelt, wer
und was und sinnvoll ist. Das ist auch eine Leistung der Medien und lässt
mich für die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland optimistisch
bleiben.
Reinhard Bohse (1995)
Es gibt Medienmacht in Deutschland, aber es gibt (noch?) keine
Mediendemokratie.
Dieter Vogel (1995)
Das Wort ist eine geheimnisvolle, vieldeutige, ambivalente, verräterische
Erscheinung. Es kann ein Lichtstrahl im Reich der Finsternis sein..., doch
es kann auch ein todbringender Pfeil sein. Und das Schlimmste ist: Es kann
eine Weile dieses und eine Weile jenes sein, es kann sogar beides
gleichzeitig sein.
Vaclav Havel (1989)
Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie
gefunden haben.
André Gide (1869 – 1951)
Ohne jede Affektiertheit schreibe ich so, wie ich spreche; ich bemühe mich,
nur Wörter zu benutzen, die das was ich sagen will, gut bezeichnen, und ich
sage es so einfach und deutlich, wie es mir möglich ist, denn mir scheint,
dass die Affektiertheit in keiner Sprache gut ist.
Juan de Valdés (um 1535)
Man sagt, dass Talkshows die Fortsetzung der
Inquisition sind.
Thekla Carola Wied (1998)
Weil wir nur glauben, was wir sehen, glauben wir alles, seit es das
Fernsehen gibt.
Dieter Hildebrandt (1998)
Je knapper die Personalausstattung in den Redaktionen
wird, desto mehr hängen die Redaktionen am Tropf der PR.
Claudia Mast – Universität Stuttgart-Hohenheim (1996)
Die Sender in den Vereinigten Staaten und zunehmend auch in Europa schaukeln
sich bei der Jagd nach Einschaltquoten zu einem Sensationsfernsehen hoch,
das keinen Schutz mehr gewährt, denen nicht, die als Täter oder Opfer vor
die Kamera gezerrt werden, aber auch denen nicht, die das alles mit ansehen
vor dem Bildschirm. Beide, die im „reality-TV“ dargestellten Menschen wie
die Betrachter zu Hause, sind dem Medium gnadenlos ausgeliefert.
Klaus Bresser (1992)
Die Zeitigkeit der Aussage liegt in der alleinigen Verantwortung des
Journalisten, denn alle Uhren gehen anders als die der periodischen
Berichterstattung. Irgendwann wird jede Mitteilung problemlos; nur zeitig
kann sie der Information dienen.
Harry Pross – FU Berlin (1979)
Wenn es etwas gibt, wofür die Redakteure besonders verantwortlich sind, so
in ihrer Beurteilung der Zuverlässigkeit ihrer Quellen.
Walter Lippmahn – amerikanischer Publizist (1922)
Ihre Hauptfunktion ist es, den Werbern Publikum zu verkaufen. Sie machen
kein Geld mit ihren Abonnements, CBS News verdient kein Geld, wenn du deinen
Fernseher anstellst. Sie verdienen Geld, wenn ein Inserent sie bezahlt. Nun
zahlen Inserenten für gewisse Dinge. Sie bezahlen nicht für eine Diskussion,
die die Leute ermutigt an der Demokratie teilzunehmen und die Macht der
Firmen anzugreifen.
Noam Chomsky
Eine selbstbewusste freie Presse muss
Wert auf eine eigene, von wechselnden politischen und staatlichen Einflüssen
freie Nachrichtenversorgung legen.
Werner G. Hoffmann (1974)
Die Erfahrung lehrt, dass der Bürger bei den Medien,
vor allem den Massenmedien, mit einem Berichtigungsverlangen fast immer auf
Ablehnung stoßen wird. Freiwillig gibt man in der Welt der Medien nur selten
zu, etwas Falsches oder Ehrenrühriges in die Welt gesetzt zu haben.
Erich Schwinge (1989)
Nehmen Sie die zahlreichen Fälle, wo in Zeitungsartikeln über die
Privatsphäre von Menschen berichtet wird und Vermengungen, Verdächtigungen
und Unterstellungen geäußert werden. Und nicht nur das: man verurteilt und
vollstreckt auch in einem Zug. Die Art der Vollstreckung – ich weiß, dass
ich jetzt vielleicht etwas unangenehmes sage – ist mittelalterlich, denn die
Vollstreckung ist der Pranger. Haben Sie schon einmal überlegt, was es für
einen Menschen bedeutet, wenn er in den Medien der Öffentlichkeit
dargestellt wird, ohne dass er irgendeinen Einfluss
darauf nehmen kann? Der Betroffene befindet sich an einem modernen Pranger.
Dass die Gegendarstellung ein wirksames Gegenmittel
sei, wird wohl keiner der hier Anwesenden behaupten wollen.
Hinrich Lehmann-Grube – Oberbürgermeister Leipzig (1996)
Niemand wird die Tatsache leugnen, dass
verzerrende, manipulierende, einseitige journalistische Berichterstattung
nicht nur möglich ist, sondern dass sie allerorten
auch existiert.
Günter Bentele (1981)
Je dicker die Schlagzeilen, desto trivialer der Inhalt.
Franz Alt (1978)
Wartende Journalisten sind gefährlich. Vergeblich wartende Journalisten sind
doppelt gefährlich. Am gefährlichsten sind vergeblich wartende Journalisten,
die untereinander Informationen austauschen.
Malcolm Muggeridge – britischer Journalist und Schriftsteller (1963)
Nichts wird so leicht für eine Übertreibung gehalten wie die Schilderung der
nackten Wahrheit.
Joseph Conrad
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