Spiele und Jugendmedienschutz
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Möglichkeiten und Grenzen
Text:
Jens O. Brelle
Bild: Photocase.com
Die Bluttat
von Erfurt hat in Deutschland und in vielen Teilen der Welt Bestürzung und
Betroffenheit ausgelöst. Am 26. April 2002 erschoss der 19-jährige Robert S.
im Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen, bevor er sich selbst tötete.
Als ihn die Polizei fand, trug er eine Pump-Gun über der Schulter. Die
Pistole hielt er noch in der Hand. Die Ermittlungen ergaben, dass der
Schüler auf seinem Computer 35 Spiele gespeichert hatte, die vielfach nur
ein Ziel haben: töten und nicht getötet zu werden – unter anderem die Spiele „Counterstrike“
und „Return to Castle Wolfenstein“. |
AUSGABE 48
DIE GESELLSCHAFT DER SPIELER
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
DIE ZUKUNFT DES SPIELENS
ENDLICH MAL
RUNTERKOMMEN
SNIPERN, ROTZEN, RAUSROTZEN
INNOVATION UNTER DRUCK
MEIN LEBEN MIT (UND OHNE) DR.
JONES
FLUCHT IN DIE TRAUMWELT
SCHLEICHWERBUNG IN COMPUTERSPIELEN
HEIMWEH NACH ZUKUNFT
MOBILE GAMING
LILA GEGEN GRÜN
STEILVORLAGE FÜR DIE FANTASIE
DIE FASZINATION DER STEINE
SPIELE UND
JUGENDMEDIENSCHUTZ
FRÜHE ZEICHEN DER GLOBALISIERUNG
CYBERSPORT, CHEATS UND VIEL
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IMPRESSUM
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Erstmals erhalten damit Computerspiele verbindliche und
nicht nur als Empfehlung zu verstehende Altersfreigaben. Es wurden schärfere
Bestimmungen für gewaltverherrlichende Videofilme und Computerspiele für
Kinder und Jugendliche eingeführt. Ferner wurde der Zugriff für Kinder und
Jugendliche auf schwer jugendgefährdende Medien – insbesondere die mit
Gewaltdarstellungen – verboten.
Zudem kann die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien – die bis dahin
„Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ hieß – seither
auch bei allen neuen Medien eingreifen und gewaltdarstellende Inhalte auf
den Index setzen. Dies gilt auch für das Internet. Das Indizierungsverfahren
der Bundesprüfstelle wurde zudem neu geregelt. Anders als bisher kann sie
jetzt auch ohne Antrag gegen jugendgefährdende Darstellungen tätig werden.
Außerdem wurde der Jugendmedienschutz systematisch neu gegliedert. Seither
wird zwischen so genannten Trägermedien wie Büchern, Musik-CDs,
Videokassetten, CD-ROMs sowie DVDs und so genannten Tele-, das heißt
Online-Medien unterschieden. Selbst ohne eine Indizierung durch die
Bundesprüfstelle sollen Trägermedien, die Krieg verherrlichen und die
Menschenwürde verletzen, mit weitreichenden Abgabe-, Vertriebs- und
Werbeverboten belegt werden können.
So wurde zum Beispiel im Jahre des Irak-Krieges 2003 das Computerspiel „Command&Conquer
Generals“ aufgrund von "kriegsverherrlichenden Inhalten" indiziert, da das
Spiel Szenen enthielt, die nahe Wirklichkeit des Krieges heranreichten, etwa
den Überfall von Terroristen auf einen UN-Konvoi, den Einsatz von
Nuklearwaffen und Flächenbombardement im Kampf um eine Stadt oder einen
Anschlag mit chemischen Waffen auf Zivilisten. Kurze Zeit nach der
Indizierung erschien in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine
entschärfte Version.
Der Jugendschutz ist ein Rechtsgut mit Verfassungsrang. Grundrechtlich
abgesichert ist er durch das Recht der Jugendlichen auf ungestörte
Persönlichkeitsentwicklung, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1
Abs. 1 GG ergibt. Daneben besteht das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6
Abs. 1 GG, das die Erziehung des Kindes in erster Linie den Eltern
überträgt. Der Jugendschutz dient vor allem der Abwehr von Gefahren, die
speziell den Kindern und Jugendlichen drohen - nicht zuletzt von Seiten der
Medien.
Dabei bewegt sich das Verhältnis von Jugendschutz und den Medien im
Spannungsfeld der Gewährleistung der Kommunikationsgrundrechte nach Art. 5
Abs. 1 GG zur nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässigen Schrankensetzung für diese
Grundrechte im Interesse des Schutzes der Jugend.
Das neue Jugendschutzsystem ist dreistufig aufgebaut: Telemedien, die gegen
einen Straftatbestand verstoßen oder die Menschenwürde verletzen,
unterliegen gemäß § 4 Abs. 1 Jugendmedienstaatsvertrag einem absoluten
Verbreitungsverbot. Die nächste Stufe erfasst schwere jugendgefährdende
Inhalte. Solche dürfen nur innerhalb so genannter geschlossener Gruppen verbreitet
werden (§ 4 Abs. 2 Jugendmedienstaatsvertrag). Die dritte Stufe erfasst
Telemedienangebote, die geeignet sind, Minderjährige in ihrer Entwicklung zu
beeinträchtigen. Bei ihnen hat der Anbieter sicherzustellen, dass Kinder und
Jugendliche sie üblicherweise nicht wahrnehmen können, beispielsweise durch den
Einsatz technischer Filter.
Das Jugendschutzgesetz enthält ferner ein Versandhandelsverbot für
indizierte und schwer jugendgefährdende Trägermedien sowie für zur
Weitergabe geeignete Bildträger. Grund hierfür sind Anonymitätsrisiken der
Vertriebsform, die eine effektive Alterskontrolle kaum zulassen. Eine
praktisch bedeutsame Einschränkung vom Versandhandelsverbot besteht dann,
wenn eine effektive Alterskontrolle gewährleistet ist. Dies ist jedoch durch
den Einsatz von so genannten Altersverifikationssystemen möglich.
Ferner sind direkte Kaufappelle an Kinder oder Jugendliche, die deren
Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit ausnutzen, oder zu einem
entsprechenden Kaufverlangen gegenüber ihren Eltern auffordern, unzulässig.
Letztlich neu geregelt wurde auch Alterskennzeichnung für Computerspiele.
Demnach muss auch bei Computerspielen eine Alterskennzeichnung stattfinden – dies war zuvor nur bei Kino- und Videofilmen der Fall. Die Altersstufen sind
mit der bisherigen Kinofreigabe identisch.
Neben den einschlägigen Normen des Strafgesetzbuches hat der Gesetzgeber
auch innerhalb der jugendschutzspezifischen Gesetze diverse straf- und
ordnungsrechtliche Vorschriften erlassen. So ist beispielsweise das (auch
fahrlässige) Verbreiten oder Zugänglichmachen offensichtlich schwer
jugendgefährdender Angebote ohne die erforderlichen Sicherungssysteme in
Telemedien strafbar.
Kritiker merken jedoch immer wieder an, dass das Verbot von Video- und
Computerspielen ins Leere gehe, da Kinder und Jugendliche ohne weiteres über
das Internet Spiele von Anbietern vor allem aus Japan, Singapur, den USA
oder anderen Ländern herunterladen können.
Daher wird die konsequentere Anwendung der bestehenden Regelungen gefordert.
So werde etwa der Paragraf 131 des Strafgesetzbuches, der für die grausame
und unmenschliche Darstellung von Gewalt Freiheitsstrafen androhe, kaum
angewendet. |
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