INTERVIEW MIT HELMUT HALLER
Ein Leben am Ball


TEXT: MARION BUK-KLUGER
BILD: PHOTOCASE.DE


Ein Leben für und mit dem Fußball führt Helmut Haller. Der heute 65jährige, mit 18 in die deutsche Nationalmannschaft geholt, bekam schon 1961 das Angebot nach Italien zu gehen.

„Doch das war vor der WM 1962 nicht möglich. Vorher ins Ausland gehen, das ging nicht für Sepp Herberger“, erzählt Helmut Haller und berichtet auch von seinem großen Respekt vor dem Bundestrainer: „Er war für mich wie ein Vater und brachte mir erst einmal bei, wie man sich als Profi verhält. Dass man zum Beispiel morgens einen Orangensaft trinken sollte und all die wichtigen Aspekte, die ein Sportler beachten müsse. Wir waren ja zu Hause neun Kinder, mein Vater musste arbeiten, Fußball lernte ich auf der Straße zwischen den zerbombten Häusern. Fußballschuhe hatte ich keine und  so spielte ich mit den Sonntagsschuhen. Als ich ein wichtiges Tor schoss, dabei aber die Sohle ruinierte, gab es statt Lob Schläge“, erinnert sich der Vize-Weltmeister von 1966 und fügt an: „Heute erlebe ich, dass bei Trainingslagern die Kinder schon komplett ausgerüstet ankommen, aber auch, dass manchmal die weniger ausgestatteten die besseren Spieler sind.“

Allgemein müsse man aber bedenken, dass die 60er Jahre einfach eine andere Zeit waren. „Als ich 1962 zum FC Bologna ging, war das für mich wie ein Sechser im Lotto, ich verdiente beim BC Augsburg 120 Mark im Monat. Ich musste diese Chance nutzen. Aber in meinen 11 Jahren in Italien war vertraglich stets geregelt: wenn der DFB mich braucht, muss ich freigestellt werden. Für die Nationalmannschaft zu spielen war eine Ehre, da standen mir die Haare zu Berge, wenn die Hymne erklang“.

Haller spielte 33 Länderspiele und stand bei den Weltmeisterschaften 1962, 1966 und 1970 ( WM-Bronze für Deutschland in Mexiko) auf dem Platz. Trotzdem erhielt er nach seinem Wechsel nach Italien Briefe, in denen er als Vaterlandsverräter beschimpft wurde. „Damals gab es neben mir nur noch einen Dänen in Bologna. Heute ist der Ausländeranteil in den deutschen Clubs ja schon bei 60%“.

Die Integration sei eine Schwierigkeit dabei, er habe bereits nach einem halben Jahr ein Interview in Italienisch gegeben. Heutzutage dagegen würden manche ausländische Spieler in der Bundesliga nach zwei, drei Jahren immer noch den Reportern auf Englisch antworten. Doch viel problematischer erachtet Helmut Haller, „dass heute 40 Profis in einer Mannschaft sind und eben nur maximal 15 spielen können. Da kann keine Mannschaft zusammenwachsen. Alles ist zudem eher schnelllebig, man kann heute nichts mehr aufbauen wie früher, da muss ein Trainer gehen, wenn er dreimal verliert.“

Für Helmut Haller ist auch die Berichterstattung nicht mehr die gleiche: „Inhalte zählen nicht mehr, es wird immer weniger über das Spiel berichtet und wie es zu bestimmten Situationen kam. Ganz andere Dinge stehen im Vordergrund.“

Helmut Haller selbst hat dies selbst schon hautnah erlebt, vor einigen Jahren stritten zwei englische Boulevard-Zeitungen über die Exklusiv-Rechte an einem Bild mit dem Original-Ball vom Endspiel 1966 gegen England, als Deutschland durch das legendäre Wembley-Tor verlor. Haller hatte diesen Ball damals mitgenommen. Rückblickend resümiert der Europacup-Finalist 1973 (mit seinem damaligen Verein Juventus Turin, bei dem er von 1968 an spielte, gegen Ajax Amsterdam): „Ich hab nicht aufs Geld geschaut, ich wollte spielen, auf meinen Körper achten. Ich hatte nie einen Berater, natürlich hatte auch ich Einbrüche, vor allem menschliche, privater Natur. Aber was ich besonders positiv empfand: es gab keinen Neid. Meine Teamkollegen in Bologna sagten immer, wenn du gut spielst Helmut, dann laufen wir, weil wir dann auch mehr bekommen. Und tatsächlich wurden nach dem Meistertitel sechs meiner Mannschaftskameraden italienische Nationalspieler.“

Für die deutsche Nationalmannschaft hat Helmut Haller folgenden Tipp: „Wir brauchen eine vernünftige Mannschaft mit jungen Talenten, davon gibt es viele, die müssen nur integriert werden. Plus zwei bis drei ältere Spieler, die führen können.“ Und für den Rest sollte einfach wieder bewusst werden: „Wenn ich keine gescheite Mannschaft habe, dann qualifiziere ich mich eben nicht.“
Schau 'mer mal und nehmen's sportlich.

AUSGABE 39
"UND JETZT
DER SPORT"




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EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
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