LEISTUNGSSPORT
Moderne
Gladiatoren
KOMMENTAR:
JONS
MAREK SCHIEMANN
ILLUSTRATION: STANISLAUS
MÜLLER-HÄRLIN
Der
antike Gladiatorengruß „Morituri te salutant“, "die Todgeweihten grüßen Dich",
gilt zwar heute nicht mehr Aber im Kampf um die allerletzten
Tausendstel Sekunden treibt der moderne Sportler seinen Körper bis
zum allerletzten. Ohne moderne Technik, Medikamente (nicht
gemeint ist das Doping) und allerlei Schnickschnack werden die geringsten
Zeitabstände rausgeholt, die der Körper und das Können allein nicht mehr
schaffen können.
Bei der Tour de France werden die Materialien des Fahrrades immer wichtiger:
je leichter das Rad ist, desto schneller kann es gefahren werden. Die Anzüge
beim Eislaufen und Skirennen werden aerodynamisch angepasst, so dass sie
windschnittiger werden und die Bruchteile von
Atemzügen zum Sieg verhelfen können. Bei sämtlichen Wettkämpfen,
bei denen die
Schnelligkeit entscheidend ist, entscheidet ein derart
geringer Zeitabstand über den Sieg,
dass nur noch mit modernster Technik
überhaupt ein Sieger zu ermitteln ist.
Solche technischen Tricks sind zwar nicht neu, haben sich doch schon die antiken Ringer mit Öl
eingerieben, damit der Gegner einen nicht zu fassen bekommt.
Aber in unserer
Zeit hat die Bedeutung der Technik überhand genommen. Irgendwann
ist die Leistungsfähigkeit des menschlichen Körpers erreicht und
–
um noch stärker und schneller zu werden, wird der Körper
überzüchtet. Der Tod tritt ein.
Hier schließt sich der Kreis.
Die Sensationslust ist eine der zentralen Triebfedern der Zuschauer.
Denn seien wir einmal ehrlich: was ist so spannend daran, ultramoderne Autos
im Kreis fahren zu sehen? Es ist die Möglichkeit,
Zeuge eines
spektakulären Unfalls zu sehen. Beim Boxen, Rugby und
teilweise beim Eishockey steht die Gewalt sogar im Zentrum.
Interessant ist das Scheitern der Sportdarstellung im Spielfilm. Sport hat
den Charakter eines Events und das Ergebnis ist meist nicht vorhersehbar (außer
in der Formel Eins, wo ohnehin immer
Michael Schumacher gewinnt). Im Spielfilm
dagegen sind die Hauptpersonen die Helden, die durch einen Reifungsprozess
geführt werden, der zum sportlichen Sieg führt. Es ist von
Anfang an klar,
dass die Hauptperson oder Hauptpersonen den Wettkampf am Ende gewinnen
werden. Sämtliche dramaturgischen Wege und Charakterisierungen sowie
filmische Gestaltung sind in diese Richtung ausgelegt. So bleibt das eigentliche Thema Sport eher Nebensache. Stattdessen wird das
individuelle Herauswachsen und der Teamgeist thematisiert. Aber das ist
nichts Neues. Im Grunde ist das auch ein wichtiges Thema des Kriegsfilms.
„Das dreckige Dutzend“ schildert zum Beispiel das Zusammenführen von einzelnen
starken Individuen. In der Herausforderung und durch Disziplin werden sie
zum Team zusammengeschweißt, der einzelne wächst
durch das Team über sich
hinaus. Die Folge ist klar: der Sieg wird errungen. „Eine Klasse für sich“, ein Film über ein
weibliches Baseballteam, „Bodycheck“, ein Film über ein Eishockeyteam, und
mit Abstrichen auch „Das Wunder von Bern“ thematisieren diese Aspekte.
Und so wird im Spielfilm der Sport zur Nebensache. Aber auch in seiner
eigentlichen Form gerät er in Gefahr: die Inszenierung des Sports durch die
Medien, die Technik, die Ausstattung und der Personenkult werden immer
wichtiger. Die körperliche Betätigung
gerät zur Nebensache. Auch im Alltag ist der Sport nur mehr Mittel
zum Zweck, um den Körper in
Form zu bringen oder soziale Kontakte zu knüpfen. Dieses ist auch völlig in
Ordnung. Überwiegen aber die finanziellen Aspekte, ist meines Erachtens der
Sinn des Sports, nämlich das natürliche Zelebrieren des natürlichen Körpers,
verfehlt. |
AUSGABE 39
"UND JETZT
–
DER SPORT"
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EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
ÖFFENTLICH-RECHTLICHE ATHLETEN
FUSSBALL IST NICHT NUR
FÜR BLÖDIANE
SCHUTZ DER
OLYMPISCHEN RINGE
FÜNF FRAGEN/ZEHN
ANTWORTEN
WAS IST SPORT?
HELMUT HALLER: EIN LEBEN AM
BALL
MODERNE GLADIATOREN
NUR GOLD
GOLD-HEIDI
SCHLUCHTEN UND GRÄBEN ZUM TROTZ
SPORT ALS REALITÄTSMODELL
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