Medien: Engagiert! Couragiert! Rotzfrech?



Kommentar:
Marion Buk-Kluger   Bild: Photocase.de


Journalismus ist laut Duden eine publizistische Tätigkeit, vor allem in den Massenmedien. Demzufolge ist der Journalist jemand, der in Wort, Schrift, Bild oder Film für die Massenmedien tätig ist. Die Art und Weise, wie ein Journalist tätig ist, wie er also berichtet, scheint jedoch der Knackpunkt zu sein. Seit Einführung der privaten Hörfunk- und Fernsehstationen in Deutschland wird mehr denn je über die Qualität des Journalismus debattiert. Und auch die Vermehrung des Boulevardjournalismus zieht die Qualitätsdebatte nach sich. Doch was will der Leser/Hörer/Zuschauer/User vom Journalismus tatsächlich?
 
In der Präambel des Deutschen Presserates ist zu lesen: „Die im Grundgesetz der Bundesrepublik verbürgte Pressefreiheit schließt die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik ein. Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen, wahr.“
 
So das Selbstverständnis der Branche. Doch in Zeiten von Macht und Ohnmacht im Spannungsfeld von kritischem Anspruch und geschäftlicher Wirklichkeit sind dies hohe Ziele. Die Anzeigenkunden scheinen zu diktieren, was der Leser beziehungsweise Seher serviert bekommen möchte. Es geht um Auflage bei den Blättern und um Quote bei den Rundfunk- und Fernsehsendern.
 
Diktiert die Quote wirklich alles? Ist sie Garant und aussagekräftiges Argument dafür, dass über sie definiert werden kann, was der Zuschauer tatsächlich sehen will?
 
Bei einem durchschnittlichen täglichen Fernsehkonsum von 230 Minuten (also fast vier Stunden) pro Person, wie der frühere RTL-Chef Helmut Thoma vor kurzem in Augsburg vor Journalisten berichtete, nimmt dieses Medium viel Raum im Leben der Menschen ein. Und schon allein deswegen lohnt es sich darüber nachzudenken, was Tag für Tag über die Mattscheibe flimmert und welchen produktiven Ergüssen wir ausgesetzt sind. Bei den vierten Augsburger Mediengesprächen, veranstaltet von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (dem Medienwächter in Bayern, kurz BLM), wurde eben dieses getan. „Fernsehen ohne Grenzen? – Extrem-Shows in der Diskussion“ so der Titel zu dem sich Wolf-Dieter Ring (Präsident der BLM und Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz, KJM) Markus Söder (Generalsekretär der CSU), Mario Gmür (Psychologe, Autor von „Der öffentliche Mensch“ und Dozent an der Universität Zürich), sowie Ingrid M. Haas (Generalsekretärin RTL Television GmbH) und Katja Hofem-Best (Unterhaltungschefin RTL II) unter Moderation von Astrid Frohloff (SAT.1) austauschten. Nicht ernsthaft konnte allerdings angenommen werden, dass die beiden Sender-Vertreterinnen nach dieser Talkrunde nach Hause fuhren, um in ihren Häusern grundlegend Veränderungen zu initiieren. Warum auch, gegen viele Formate sei rechtlich nichts zu machen, wie Wolf-Dieter Ring eingestehen musste. Immerhin würde im internationalen Vergleich Fernsehen in Deutschland dem Zuschauer nicht alles zumuten.
 
"Noch nicht, aber bald", mag einem da auf der Zunge liegen, denn erlaubt ist anscheinend, was gefällt. Also: was Quote bringt. Darum geht es letztendlich, die Quote entscheidet und in den TV-Anstalten sitzen betriebswirtschaftlich orientierte Menschen, denen einzig und allein das wirtschaftliche Überleben des Senders am Herzen hängt. Immerhin muss man sich ja ohne jegliche Unterstützung durch Gebührengelder im Gegensatz zu den Öffentlich-Rechtlichen über Wasser halten. Dies erscheint dann auch eine einfache Formel zu sein: Innovative Formate, „die an der ein oder anderen Stelle zum Image von RTL gehören“, wie Ingrid Haas stolz verkündete, schaffen Quote, und die wiederum bringt Werbeeinnahmen. Etwas, was Markus Söder so gar nicht gefällt und so war sein Hauptanliegen: „Wir brauchen doch keine Quotendebatte, sondern eine Qualitätsdebatte.“ Schließlich sei man ja nicht bei „Lass Dich überraschen“ und so wünschte er sich von den Sendern, ebenso wie Wolf-Dieter Ring, Kommunikation im Vorfeld eines neuen Formates und nicht erst, wenn ein solches schon ausgestrahlt würde. Komplizierte rechtliche Vorgänge seien hier die Folge und Ergebnisse gäbe es sowieso erst dann, wenn die Sendung bereits schon wieder abgesetzt sei und neue Formate in den Startlöchern stünden, so Markus Söder. Doch dies stieß nicht unbedingt auf Begeisterung bei den RTL-/RTL II-Damen, will man sich doch ganz klar nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Frau Haas betonte ausdrücklich, dass man sich bei RTL bei einigen Formaten regelrecht über den Hype, mit dem sich der Boulevardjournalismus darauf stürzte, erschrocken habe. Armes RTL und Co., lebt ihr denn nicht davon, dass eure Formate in Deutschlands Meinungsmacher Nummer eins, der Bild-Zeitung hochgeschrieben werden? Bei genauer Beobachtung lässt sich erkennen, dass Sendungen, denen eine hohe Aufmerksamkeit in den Schlagzeilen zuteil wird, durchaus Quotensteigerungen verzeichnen und wieder andere durch wenig oder nicht Beachtung quotentechnisch abstürzen.

Doch ist das des Rätsels Lösung, reguliert sich die Fernsehkultur von selbst, wenn vermeintlich schlechten Formaten nicht diese hohe Aufmerksamkeit geschenkt wird. Astrid Frohloff konfrontierte daher Wolf-Dieter Ring mit der Frage, ob denn nicht erst die Aufregung bei den Medienanstalten zu Formaten die Quote anhebe, denn Provokation habe es im Fernsehen auch früher gegeben. „Natürlich geht es auch um Provokation im TV.“ so Rings Antwort, und der Unterschied in den TV-Programmen sei nicht nur schlimm, wobei seiner Meinung nach auch bei den Öffentlich-Rechtlichen genau die Jugendschutzbestimmungen, siehe die jüngsten Tatort-Folgen, geprüft werden müssten. Hier aber immer auf dem Thema Jugendschutz herumzureiten ist für Mario Gmür eben auch nicht die Lösung: „Der Jugendschutz wird oft zu hoch angesiedelt, die Unmoral wird nicht moralischer, wenn sie den Jugendschutz gewährleistet. Wir brauchen keinen Jugendschutz, sondern einen Menschenschutz.“ so seine Ansicht. Katja Hofem-Best schließlich war der Meinung, dass Reality-Formate, die ja oft der Stein des Anstoßes sind, noch über Jahre hinaus bestehen würden, da diese angeblich das Leben zeigten, wie es sei. Nun wenn wir zu unserer Ausgangsfrage zurückkehren, ist diese Art von Fernsehen eben das Spiegelbild dessen, was der Zuschauer haben will!

Und was lernen wir daraus?

Welche Konsequenzen hat dies für die schreibende Zunft?  Die Zeitung müsse sich ändern, so Ex-RTL-Chef Helmut Thoma, der bei einem Seminar der Bundeszentrale für Politische Bildung in Augsburg vor Zeitungsjournalisten sprach. „Mehr Unterhaltung, flottere Formulierungen, gute Erklärstücke. Zeitungen müssen Lese-Anreize bieten. Die Lokalzeitungen sind teilweise von einer Drögheit, dass man darüber nur staunen kann.“ so sein Urteil. „Nicht alles, was leicht und fröhlich daherkommt, ist schon bedenklich.“
 
Doch Frechheit sei nicht zwingend  ein Erfolgsfaktor. Weiter gab er´zu bedenken: „Wer jemandem nachläuft, sieht nur dessen Hinterteil!“ Diese Absage an reine dpa-Meldungen und die Imitation könnte aber auch als Absage verstanden werden, eben nicht so wie das Fernsehen immer öfter gänzlich auf Qualität zu verzichten. Caroline Methner (u.a. ehemalige Chefin des Boulevardblattes „Berliner Kurier“ und ehemals stellvertretende Chefredakteurin bei der Bild-Zeitung), bestätigte bei derselben Veranstaltung passend zum Thema Qualitätsverlust, der heutzutage ja oft mit der wirtschaftlichen Lage und dem notwendigen Stellenabbau mangels Anzeigenkunden begründet wird: „Man kann auch mit weniger Leuten gute Geschichten machen.“ Überhaupt sollten wir Journalisten uns dieses Ziel jeden Tag aufs Neue setzen.

AUSGABE 40
NEUER JOURNALISMUS?





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