Blogging:
PR zwischen Euphorie und Ignoranz


Text:
Thomas Pleil   Bild: Photocase.de

Blogger berichten über Parteitage. Blogger kontrollieren Journalisten. Sportler durften nicht bloggen – zumindest während der Olympischen Spiele. Manager bloggen. Es heißt, Blogger können ihre Firma in Gefahr bringen. Es heißt aber auch, Blogging sei „die“ Chance für PR. Was also bedeutet Blogging für die Public Relations? Eine Revolution? Ein kleines zusätzliches Tool? Einige meinen, Blogging sei das Ende von Public Relations. Andere sehen darin den Anfang.

Schon lange übernimmt das Internet massenmediale Funktionen: Es stellt Öffentlichkeit her und trägt zur Meinungsbildung bei. Doch die Meinungsbildung im Internet geschieht nicht nur durch die klassischen journalistischen Formate, durch Unternehmenswebsites oder Websites von NGOs, sondern auch durch Veröffentlichungen von Privatpersonen, häufig innerhalb von Communities, Foren oder Boards. Hinzu kommen kommerzielle Angebote, die einzelnen Usern die Möglichkeit geben, ihre Meinung zu publizieren. Klassische Beispiele sind Buchbesprechungen bei den bekannten Internet-Buchhändlern oder Erfahrungsberichte in Verbraucherforen wie
Dooyoo oder Ciao. Allerdings entsteht hier keine öffentliche Meinung im politischen Sinn, sondern es stehen Erfahrungsberichte und Kaufberatung in Vordergrund. Etwas weitergehend sind die zahlreichen nicht-kommerziellen Foren wie beispielsweise verbraucherforum.org, die sich kritisch mit Geschäftspraktiken von Unternehmen auseinandersetzen.

Beim Blogging kommen die genannten Akteure dann wieder zusammen, nutzen diese Publikationsform jedoch zu unterschiedlichsten Zwecken: Vorwiegend Privatpersonen haben die Blogging-Bewegung mit Alltagsthemen in Gang gesetzt. Sowohl 9/11 wie auch der Irakkrieg waren dann wichtige Katalysatoren für Blogs zu politischen Themen, also klassischen Themen der öffentlichen Meinung. „Betrieben wurden sie von Journalisten, Militärangehörigen, Vertretern von Hilfsorganisationen, Friedensaktivisten und Zivilisten“, so
Christoph Neuberger in der Gegenwart über die während des Irak-Krieges entstandenen Warblogs. Gerade wenn journalistische Medien ihrem Informationsauftrag nur mangelhaft nachkommen (können), werden Weblogs zu komplementären Angeboten – allerdings ohne sich notwendigerweise an journalistische Standards zu halten – schon die große Bandbreite der Blogger legt dies nahe.

AUSGABE 40
NEUER JOURNALISMUS?





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PR-Leute in der Blogosphäre

In dieser Szene tummeln sich seit einiger Zeit auch PR-Leute. Weltweit diskutieren sie in eigenen Weblogs wie
Corporate PR, Corporate-blogging.info oder dem PR-Blogger sowie auf virtuellen Konferenzen über die Einsatzmöglichkeiten von Blogging in ihrem eigenen Fach, der PR. Natürlich bleibt es nicht bei der Meta-Diskussion – einzelne Unternehmen wie auch Nonprofit-Organisationen setzen Blogging im Sinne ihrer PR-Strategien ein. Der amerikanische Präsident-schaftswahlkampf markiert für das Blogging einen neuen wichtigen Schritt:

ZUR PERSON


Prof. Dr. Thomas Pleil

Thomas Pleil, 37, ist seit August 2004 Professor für PR im Studiengang für Onlinejournalismus der Fachhochschule Darmstadt.

Hier sind die unterschiedlichsten Spielarten von Weblogs zu beobachten. Und erstmals werden Weblogs systematisch in die PR-Strategien eines Großereignisses integriert. Schon Anfang 2003 gelang es dem Bewerber Howard Dean mit seinem Blog for America nennenswerte Teile der Bevölkerung anzusprechen – zumal der Blog selbst häufig zum Thema in den klassischen Medien wurde. John Kerry und schließlich auch George W. Bush zogen nach und lassen nun ebenfalls in ihrem Namen auf ihrer Website bloggen.

Für große öffentliche Aufmerksamkeit sorgten zudem die Demokraten, die zu ihrem Parteitag im Sommer eine kleine Anzahl von Bloggern akkreditierte. Erstmals wurden die einst Belächelten als Informationsmittler anerkannt und wie Journalisten behandelt. Doch gleichzeitig erlebt die kritische Kommunikation in Weblogs zum Wahlkampf einen Boom: Zahlreiche amerikanische Online-Redaktionen, aber auch deutsche wie
Handelsblatt.com oder Tagesschau.de, haben inzwischen Weblogs ihrer Korrespondenten zum Wahlkampf in ihr Nachrichtenangebot integriert. Noch wichtiger sind die vielen Einzelpersonen, unbekannte oder bekannte wie der Investor George Soros, die sich in ihren Blogs mit der amerikanischen Politik auseinander setzen. Noch während der Debatten der beiden Kandidaten Bush und Kerry hinterfragen Blogger die Aussagen der Kandidaten und entblößen so manche Übertreibung - oder sich selbst als überzeugte Wahlhelfer.

Solche so genannte Watchblogger haben natürlich auch die Medien im Visier. So waren es Blogger, die die
Rathergate-Affäre des US-Fernsehsenders CBS lostraten: Sie zeigten, dass der Sender einem offenbar gefälschten Dokument über George W. Bushs Militärdienst aufgesessen war.

Wie kann die PR mit Blogs umgehen?


Aus dem Beispiel dieses gebloggten Wahlkampfes lassen sich mehrere Folgerungen für die Kommunikation ableiten:


Für Online-Journalisten ergänzen Weblogs die herkömmlichen Darstellungsformen.

Personality Blogs wie jene von Kerry und Bush können die Markenbildung von Persönlichkeiten – vielleicht auch der Institution, für die sie stehen – unterstützen.

Blogger wie die Convention Blogger können im Rahmen einer PR-Strategie wie Journalisten angesprochen werden.

Watchblogs, also Blogs, die sich kritisch mit Themen auseinandersetzen, haben Einfluss auf die Meinungsbildung und sogar auf das Verhalten der gebloggten Organisation.

Es liegt auf der Hand, dass diese Folgerungen auch für die PR von Unternehmen gelten.

Nicht nur die von Bloggern beobachteten Medien, sondern auch Unternehmen oder politische Institutionen werden in Zukunft mit kritischer Begleitung durch Watchblogs zu tun haben. Zieht man in Betracht, dass einige Blogs regelmäßig 30.000 oder deutlich mehr Leser haben, so können PR-Praktiker erahnen, welche Relevanz Blogging bekommen kann.


Weblogs als Frühwarnsystem für die PR


Die PR kann Weblogs deshalb nicht mehr ignorieren und muss sie zumindest im Rahmen ihres Issues Managements wie journalistische Medien oder andere Quellen beobachten – zumal Blogger häufig schneller berichten als die klassischen Medien. Issues Management wird in der PR als eine Strategie gesehen, um frühzeitig kommunikative Risiken, aber auch Chancen, zu erkennen, um dann gegebenenfalls die Kommunikation oder sogar das eigene Verhalten zu ändern.


Corporate Blogs: Beziehungsknüpfer und Risiko


Doch PR wäre nicht PR, würde sie auf Blogs nur reagieren. Schließlich bietet das neue Format auch Chancen für die PR. Neben den Spin Doctors des US-Wahlkampfes versuchen einzelne Unternehmen diese mit Hilfe so genannter Corporate Weblogs zu nutzen. Solche  Blogs werden auf der Website eines Unternehmens gehostet und entweder von beliebigen Mitarbeitern, von Führungskräften oder von PR-Praktikern gepflegt. Einer der bekanntesten bloggenden Manager ist der Chief Operating Officer von Sun,
Jonathan Schwartz. Schwartz avancierte in kurzer Zeit zu einer Ikone des Corporate Blog. Ohne den PR-Etat zu beanspruchen bindet er tausende Leser. Der persönliche Ton des Weblogs gibt seiner virtuellen Community das Gefühl, einem der wichtigsten Manager der Branche über die Schulter sehen zu können, und das gleich mehrmals in der Woche. Doch Schwartz’ Kommentare zur eigenen Firmenstrategie, zur Branche und gar zu Wettbewerbern sind nicht ohne Risiko. Schon jetzt wird diskutiert, ob der Blog des COO den Aktienkurs von Sun gelegentlich beeinflusst, und ein häufiger genannter Wettbewerber reagiert äußert verschnupft auf Erwähnungen im populären Sun-Blog. Ein kleiner Horrorladen tut sich da auf für so manchen PR-Manager, der lieber die Kommunikation unter Kontrolle halten will.

Doch manche Firmen gehen noch weiter: Microsoft, Macromedia, aber auch Sun, ermuntern gar ihre Mitarbeiter, eigene Weblogs einzurichten. Ziel solcher Corporate Blogs ist, unabhängig vom Gatekeeper Journalismus direkte Kommunikation zu wichtigen Stakeholdern aufzubauen. Und das scheint zu funktionieren: Marketing- und Vertriebsleute, besonders aber Entwickler der genannten Firmen bloggen regelmäßig, und sie haben ihre Gemeinde. Beziehungen, die herkömmliche PR-Strategien mit den üppigsten Etats kaum aufzubauen vermögen. Euphorische Blogger begannen bereits das Ende der PR zu diskutieren – denn wenn diese schon die Kontrolle über die Kommunikation verliere und zudem viel zu teuer sei, um Beziehungen zu ihren Umwelten zu pflegen – wozu sei die PR dann noch gut? Ein Frontalangriff auf das Selbstverständnis der PR.


Blogger in die Presseverteiler?


Andere Einsatzmöglichkeiten von Weblogs im Rahmen von PR-Strategien stehen noch weiter am Anfang. Beispielsweise eignen sich Weblogs als Instrument der Krisenkommunikation: So können Unternehmen im Falle einer Katastrophe via Weblog die Öffentlichkeit quasi im Minutentakt informieren. Ein anderer Ansatz ist, Blogger in die eigene Pressearbeit einzubeziehen. Amerikanische Unternehmen und PR-Agenturen haben bereits damit begonnen, Blogger in ihre Presseverteiler aufnehmen. Allerdings mit unterschiedlichen Reaktionen: ein Teil der Blogger lehnt es strikt ab, Presseinformationen zugesandt zu bekommen, während
dies für andere in Ordnung ist, solange die Meldungen zu den Themen des Blogs passen.

Allerdings fällt in der Diskussion um PR und Weblogs eine Diskrepanz auf: Weltweit tauschen sich einige blogfizierte PR-Praktiker und –Theoretiker über Blogging in der PR aus. Der größte Teil der PR-Community hat jedoch Blogging noch kaum wahr genommen. Und so musste der weltweit größte PR-Berufsverband, die
Public Relations Society of America , einigen Spott  über sich ergehen lassen: Denn auf seiner Jahreskonferenz Ende Oktober 2004 war zunächst keine Auseinandersetzung mit Blogging vorgesehen. Erst in letzter Minute wurde das Thema dem üppigen Tagungsprogramm hinzugefügt. Die Diskussion beginnt also erst. Zu sagen gäbe es viel über neue Kommunikationskanäle und schwindende Kontrolle durch die PR-Abteilungen zum Beispiel. Oder zum Wert der Firmenkultur – schließlich sind zufriedene Mitarbeiter auch via Weblog die besten Botschafter ihres Unternehmens.


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