„Die
Wertschätzung für die
deutsche Sprache stärken“
Interview:
Björn Brückerhoff
Bild:
©
Herlinde Koelbl
Jutta Limbach ist
Präsidentin des Goethe-Institutes. Die "Förderung der Kenntnis der deutschen
Sprache" im Ausland steht im Mittelpunkt des Aufgabenbereichs der 128
Institute in 79 Ländern. Limbach ist zugleich auch Vorsitzende des Deutschen
Sprachrates, der im Oktober das "schönste deutsche Wort" gekürt hat.
"Habseligkeiten" konnte den Sieg davontragen, die Worte "Geborgenheit" und
"lieben" folgten knapp. Vorschläge durfte jeder einreichen, der auch eine
schöne Begründung lieferte. Letztlich war also vor allem die Begründung
entscheidend. Dennoch konnte sich Prof. Dr. h.c.
Bernhard
Victor Christoph-Carl von Bülow (alias Loriot)
mit seinem Beitrag nicht durchsetzen. Sein "schönstes deutsches Wort" könne
als "Charakterisierung des Deutschen in
Schlichtheit, Korrektheit aber auch Großzügigkeit nicht übertroffen werden",
so von Bülow optimistisch. Er hatte das Wort "Auslegeware" vorgeschlagen.
Die Gegenwart
sprach mit Jutta Limbach über die Vorzüge der deutschen Sprache, die
Begeisterungsfähigkeit der Kinder für Deutsch und ihren persönlichen
Favoriten bei der Wahl des "schönsten deutschen Wortes 2004." |
AUSGABE 41
DIE
GEGENWART FÜR KINDER
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT JUTTA LIMBACH
DIE SESAMSTRASSE
ZIGEUNER
IM BAHNWAGGON
FÜHRERSCHEIN MIT FÜNF?
DIE WELT IST KEIN SPIELZEUG
WILDE KERLE UND WUNSCHFEEN
SEHR FRÜH ÜBT SICH
TAGESSCHAU KINDERLEICHT
AMPUTIERTE KLASSIKER
JUGENDMEDIENSCHUTZ
OHRENSCHMAUS IM UNTERGRUND
ES WAR EINMAL, ...
AMERIKA HAT GEWÄHLT
IN
EIGENER SACHE: RÜCKBLICK 2003/04
ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
DIE GEGENWART IN STICHWORTEN
ÜBER DAS MAGAZIN
IMPRESSUM
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Die Gegenwart: Frau
Professor Limbach, warum wird „Das schönste deutsche Wort“
gewählt?
Jutta Limbach:
Die Idee zu diesem Wettbewerb ist im Deutschen Sprachrat ent-standen.
Sie ist entstanden aus dem gemeinsam getragenen
Wunsch, die Freude an der deutschen Sprache zu beleben. Und dies nicht
defensiv zu tun, sondern offensiv und verbunden mit intellektueller
Anregung. Denn es muss darum gehen, den Menschen wieder ein
Bewusstsein dafür zu verschaffen, wie reich die
deutsche Sprache ist, welche Differenzierung sie uns ge-stattet.
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IN EIGENER SACHE |
Die Gegenwart: Das Wort „Habseligkeiten“ ist zum
schönsten deutschen Wort gekürt worden. Ist
„Habseligkeiten“ auch ihr Favorit? Oder finden sie „Geistesgegenwart“ noch
immer schöner?
Limbach:
Ich wäre vorher nicht auf Habseligkeiten gekommen, wenn man es mir nur als
Wort mitgeteilt hätte. Aber als wir die Begründung – und um die ging es uns
ja bei unserem Wettbewerb – gelesen haben, haben sich immer mehr von uns
dafür entschieden. An der Begründung von Frau Kalka, der Preisträgerin, hat
uns bestochen, dass sie so ein wunderbares Bild gezeichnet hat. Das Bild
eines kleinen Jungen, der alle seine Schätze in der Hosentasche bei sich
tragen kann. Ein Bild, das uns daran erinnert, dass es oft die kleinen und
unscheinbaren Dinge sind, die unsere Wertschätzung besitzen. Und es ist ein
so typisch deutsches, eben zusammengesetztes Wort.
An meinem persönlichen Favoriten
„Geistesgegenwart“ gefällt mir, dass es eine Festigkeit innehat, die mir
liegt, und es einen Zustand beschreibt, den ich immer anstrebe.
Die Gegenwart: Das Goethe-Institut tritt dafür ein,
die Freude an der deutschen Sprache im Ausland zu
beleben. Was muss in Deutschland getan werden, um die Freude an
der deutschen Sprache im Inland wirkungsvoll zu erhalten?
Limbach:
Der große
Erfolg unseres Wettbewerbs „Das schönste deutsche Wort“ hat ein beredtes
Zeugnis darüber abgelegt, welch großes
– jedoch vielleicht etwas ruhendes
–
Bedürfnis an der Auseinandersetzung mit unserer Sprache besteht.
Und dieses Interesse gilt es weiter zu beleben, die Bürger zu aktivieren und
den Sinn für die Wertschätzung unserer reichen und schönen Sprache zu
stärken. Mit dem Engagement des Goethe-Instituts in Institutionen wie dem
Deutschen Sprachrat versuchen wir, auch im Inland diesem Anspruch gerecht zu
werden.
Die Gegenwart: Durch welche Trends sehen
sie die
deutsche Sprache im Inland gefährdet?
Limbach:
Einer der
großen Vorzüge unserer deutschen Sprache liegt in der Klarheit, Genauigkeit
und Kürze, mit der wir Deutschen selbst schwierige Sachverhalte anschaulich
„auf den Begriff“ bringen können. Diese Kunst scheint mir durch die
zunehmende Verwendung inhaltsleerer Floskeln, wie sie in der Politik oder
den Medien teilweise zu beobachten ist, verloren zu gehen.
Die Gegenwart: Welche englischen Begriffe der
deutschen Umgangs-sprache vermeiden sie am liebsten?
Limbach:
Eines der
Wortungetüme, die ich zu vermeiden suche, ist „Globalisierung“, ein
schreckliches Wort.
Die Gegenwart: Wie kann bei Kindern in Deutschland
die Lust an der deutschen Sprache unterstützt werden?
Limbach:
Die stärkste
sprachliche Prägung erfahren Kinder in der Familie und in der Schule. Der
kindliche Spracherwerb in der Familie ist nur indirekt über das
Sprachbewusstsein der Eltern zu beeinflussen. Der Deutsche Sprachrat wendet
sich mit seinen Empfehlungen daher auch an die Schulen. Ziel des schulischen
Deutschunterrichts muss eine mündliche und schriftliche Sprachkompetenz
sein, die zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben befähigt. Ich
plädiere dafür, Deutsch in allen Schularten und auf allen Klassenstufen als
Hauptfach zu unterrichten. Es muss uns gelingen, schon früh die Freunde am
Reichtum unserer Sprache zu wecken.
Die Gegenwart: Setzen sie in den Deutschkursen des
Goethe-Institutes auch multimediale Angebote zur
Vermittlung der Sprache ein? Wenn ja, wie sehen diese aus?
Limbach:
Im Unterricht werden häufig auch
multimediale Programme als Zusatzmaterial eingesetzt wie „Lina und Leo“,
„Einblicke“ und unser neues Multimedia-Angebot „redaktion-D“, das über eine
Video-, Radio- und Onlinekomponente verfügt. Diese Sprachlernprogramme
enthalten einen Filmteil und dazu ein reichhaltiges, multimediales,
interaktives Übungsangebot zu Grammatik, Wortschatz, Kommunikation,
Landeskunde, Spielen und Aufgaben zum Hör-Verstehen , Hör-Seh-Verstehen
sowie Internetrechercheaufgaben.
Die Gegenwart: Wie haben sie als Juristin Ihre
Begeisterung für die deutsche Sprache entdeckt?
Limbach:
Ich habe
schon von Kindes Beinen an gern gelesen und bin in einer sprachbegabten
Familie groß geworden. Mein Großvater war Korrektor bei der Zeitung
„Vorwärts“.
Die Gegenwart: Welche Formulierung im
„Juristen-Deutsch“ ist ihnen besonders ans Herz
gewachsen?
Limbach:
„Die Würde
des Menschen ist unantastbar“. Das ist der Auftakt und Kernsatz unseres
Grundgesetzes wie eine Lehre aus der Schreckensherrschaft der
Nationalsozialisten.
Die Gegenwart: Was haben sie
ihren Kindern früher
besonders gerne vorgelesen?
Limbach:
„Grimms Märchen“ und „Momo“ von Michael
Ende. |