Ohrenschmaus im Untergrund
Text:
Ricarda Lynn Otte
Bild:
Radijojo
Wer ein
Exklusiv-Interview mit Bundeskanzler Schröder bekommt, fragt ihn
zum Beispiel nach einer
Zukunftsprognose, nicht nach seinem Lieblingsgericht. Die Kinderreporter
Marlon und Jonathan von "Radijojo" lassen sich aber nicht beirren und sind
nach dem kurzen Interview um die Antwort „Currywurst oder
Kohlroulade“ reicher. Auch Renate Künast, Renate Schmidt und Johannes Rau
gaben den Nachwuchs-Radiomachern schon
Antworten. "Radijojo" ist bundesweit das
erste gemeinnützige Kinderradio und seit August 2003 auf
Sendung. Im Programm sind Hörspiele, Kinderbands, Interviews und Beiträge zu
Umwelt, Politik und Gesellschaft für Kinder von drei bis 13 Jahren.
Ein Programm
für Eltern gibt es auch. Sitz des Senders ist Berlin,
die theoretische Reichweite bundesweit.
Über einen Audiostream kann das Programm über das Internet sogar weltweit
empfangen werden.
Geschäftsführer Thomas Röhlinger, Soziologe und Absolvent des Medien-MBA der
Steinbeis-Hochschule Berlin (SHB), hat in seiner Masterarbeit das Konzept
für ein nationales Kinderradio entwickelt. Als Schirmherr konnte
Stardirigent Daniel Barenboim gewonnen werden, im Beirat sitzen neben dem
Vertretern des Berliner Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM) auch
Vertreter der Staatsoper
Berlin, des Europäischen Medieninstituts und der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung.
"Radijojo" versteht sich nicht nur als Radio,
sondern auch als Plattform für Musiker, Journalisten, Autoren,
Sponsoren, Eltern, Institutionen und eben für Kinder. Für Thomas Röhlinger ist
dieser „partizipatorische Ansatz“ die Vorraussetzung für anspruchsvolles,
lustiges und kindgerechtes Programm, das ohne Werbung auskommt. Finanziert
wird
"Radijojo"
bisher durch Stiftungsgelder, öffentliche Fördermittel und Spenden. Neben
vielen Ehrenamtlichen kann der Sender so rund 25 Mitarbeiter beschäftigen,
teils auf Honorarbasis, teils auf festen
Stellen.
Martin Kroetz betreut für
"Radijojo" ein Kiezprojekt
in Berlin-Wedding. In drei Grundschulen erproben die vierten Klassen
unter seiner Obhut das Medium Radio. Die Themen geben die Kinder vor –
Märchen, Sport, Streit – und am Ende sollen halbstündige Magazinsendungen
entstehen, die auf "Radijojo" gesendet werden können. Das Quartiersmanagement
im Wedding erhofft sich von dem Projekt mehr Sprachkompetenz bei den Kindern
und gezielten Umgang mit den Medien. Auch in der Kinderhauptstadt
"Fezitty", einem
Angebot in den Sommerferien, war der Sender aktiv. Sechs Wochen lang hat das
"Radijojo"-Team dort mit Kindern täglich eine einstündige Hörfunksendung
produziert. Mit der Zeit hat sich so ein Kern von fünf bis zehn Kindern
gefunden,
die soviel Spaß am Radiomachen hatten, dass sie jeden Tag
wiederkamen – potenzielle Hörer von
"Radijojo"?
Als großes Problem hat sich seit dem ersten
Sendetag des Kinderradios die Sendefrequenz
erwiesen. In Berlin und
Brandenburg können Kinder "Radijojo" über
Digitalradio
DAB empfangen, in Stuttgart eine Stunde wöchentlich auf UKW und Kabel,
in Sachsen per DAB. Wer wiederum einen schnellen Internet-Zugang hat, kann
auf der
"Radijojo"-Homepage verschiedene Programme auswählen und anhören. Kompliziert für Erwachsene, noch komplizierter für Kinder.
Das Radio einschalten und "Radijojo" hören –
keine Chance.
Seit Oktober diesen Jahres gibt es in Berlin die
UKW-Testfrequenz auf 104,1, die dem Betreiber T-Systems als Werbung für
DAB-Empfänger dienen soll. Neben "Radijojo" mit elf Stunden in der Woche
liefen auch „Mallorca – das Inselradio“ und „Twen FM – der Szenesender“ dort
Probe. Die Testfrequenz wurde vom Herausgeber T-Systems nun vorerst wegen
logistischer Schwierigkeiten abgeschaltet. „Das Konzept der Probefrequenz
ist im ersten Wurf nicht gelungen, aber die Verhandlungen mit den Sendern dauern
an“, so Peter Zimmer, Leiter der Regional Media Broadcast von T-Systems.
Nur macht ein Radioprogramm nur Sinn,
wenn es von der entsprechenden Zielgruppe auch gehört
werden kann. Die Möglichkeit des DAB wird in
Deutschland bisher nur von einer verschwindenden Zahl von Hörern überhaupt
genutzt, zumeist nur als Zusatzdienst. Sollte
"Radijojo" auch weiterhin nur so eingeschränkt senden
können wie bisher, stellt sich die Frage: Handelt es sich
bei dem Angebot überhaupt noch um das Medium Radio? Treffender wäre
die Bezeichnung "Kinder-Audio-Produktionsfirma", die als private Initiative gezielt Sendungen
produzieren und vermarkten könnte.
In Zukunft wird sich der bisherige Vorreiter "Radijojo" den Markt teilen
müssen: Auf der Berliner UKW-Frequenz 106,8
ist, nach einem Beschluss der Medienanstalt Berlin Brandenburg vom Oktober,
der Kindersender „Radio Teddy“ in die Planungsphase gegangen. |
AUSGABE 41
DIE
GEGENWART FÜR KINDER
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT JUTTA LIMBACH
DIE SESAMSTRASSE
ZIGEUNER
IM BAHNWAGGON
FÜHRERSCHEIN MIT FÜNF?
DIE WELT IST KEIN SPIELZEUG
WILDE KERLE UND WUNSCHFEEN
SEHR FRÜH ÜBT SICH
TAGESSCHAU KINDERLEICHT
AMPUTIERTE KLASSIKER
JUGENDMEDIENSCHUTZ
OHRENSCHMAUS IM UNTERGRUND
ES WAR EINMAL, ...
AMERIKA HAT GEWÄHLT
IN
EIGENER SACHE: RÜCKBLICK 2003/04
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