Nach jahrelangem Jammern und Wehklagen wagt die Musikbranche erstmalig optimistische Blicke in Richtung Zukunft. Klingeltondownloads und
Musik-Abodienste sind als schwache Hoffnungsschimmer am düsteren
Vermarktungs-Firmament aufgetaucht. Die Gegenwart sprach mit dem
Medienexperten Professor Thomas Breyer-Mayländer über die Rettungsanker der
Musikindustrie, Erfolg versprechende Musikdownload-Modelle und den seltsamen
Erfolg des Schnappi-Songs.
Die Gegenwart: Herr Professor Breyer-Mayländer, wie macht sich
die Trendwende in der Musikindustrie bemerkbar?
Thomas
Breyer-Mayländer: Ob man wirklich von einer Trendwende sprechen kann,
bleibt nach meiner Einschätzung noch abzuwarten. Schließlich haben wir schon
Zufriedenheit in der Branche, wenn der Rückgang sich verlangsamt.
Hoffnungsvoll stimmt aus meiner Sicht die Tatsache, dass in wichtigen
Segmenten der „Brenner-Studie“ über die meist illegalen Musikkopien sich in
einigen Bereichen Stagnationen und Rückgänge bemerkbar machen.
Die Gegenwart: Reichen
Klingeltöne und legale Mp3-Downloads aus, um das Kerngeschäft
der Musik-industrie zu stützen? Oder ist das Kerngeschäft gar nicht
derart dramatisch betroffen?
Thomas
Breyer-Mayländer: Ob der Bereich der Klingeltöne ein langfristiges
Geschäft ist, bleibt offen. Legale Downloads sind jedoch die Möglichkeit, um
zukunftsfähige Geschäfts-felder der Branche insgesamt
zu erhalten. Hier sollte man künftig noch mehr Ehrgeiz darauf verwenden.
Die Gegenwart: Die Zielgruppe für Handy-Klingeltöne
ist sehr flexibel und trendorientiert. Halten Sie Klingelton-Downloads für
einen anhaltenden Trend oder eher für einen kurzen Hype?
Thomas
Breyer-Mayländer: Ob wirtschaftlich gesehen Klingel-töne langfristig
entwickelbar sind, bleibt tatsächlich offen. Aber es wird auf jeden Fall
Folgeprodukte geben und die Zielgruppe ist zwar trendorientiert, aber auch
attraktiv für andere Werbungtreibende. Es wird daher mehr und mehr Versuche
geben, klassische Vermarktungsmodelle, die die Zielgruppenzusammensetzung
berücksichtigen, einzuführen.
ZUR PERSON
Prof. Dr. Thomas
Breyer-Mayländer
Dipl. Wirt.-Ing.
(FH), Dipl. Inf.-Wiss.
Thomas
Breyer-Mayländer ist Professor für Medienmanagement im Studiengang Medien
und Informationswesen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien
der Fachhochschule Offenburg.Seit
dem Wintersemester 02/03 leitet er zugleich
den Studiengang Medien und Informationswesen.
Breyer-Mayländer studierte in Stuttgart und Konstanz und
promovierte im Bereich Medienökonomie des Instituts für Journalistik
der Universität Dortmund. Nach dem Aufbau eines Online-Dienstes für einen
Zeitschriftenver-lag wechselte er 1995 zum
Bundesverband Deutscher Zeitungs-verleger (BDZV), wo
er in verschiedenen Funktionen tätig war. Von 1998
bis 2000 war er darüber hinaus Geschäftsführer der OnlineMedia DatenBankBetriebsgesell-schaft, Bonn. In den Jahren
2000 und 2001 war er Geschäftsführer der zentralen Marketingorganisation der
deutschen Zeitungsbranche, der Zeitungs-Marketing Gesellschaft GmbH & Co. KG
in Frankfurt am Main. Seit 1996 ist er regelmäßig als Seminarleiter und
Referent bei Fachseminaren der Medien- und Marketingbranche tätig.
Die Gegenwart: Was kommt als nächstes?
Thomas Breyer-Mayländer:
Prognosen sind in diesem Umfeld sehr
schwierig. Es wird jedoch sicherlich künftig Community orientiertes Marketing geben, bei dem Elemente, wie wir sie jetzt bei Klingeltönen im
Abo, Call-in im TV erleben, zielgruppenorientiert genutzt werden. Dies
ermöglicht einen neue Art des erlebnisorientierten Community-Marketings, das
wir insbesondere bei jungen Zielgruppen derzeit als Anforderung im Markt
erleben. Hier bieten sich auch wieder Querverbindungen zum Eventmarketing
an.
Die Gegenwart: Die Zahl der Musikdownloads hat sich 2004 gegenüber
dem Vorjahr verzehnfacht. In Japan sind bereits 100 Millionen Dollar mit
Musik auf Mobiltelefonen umgesetzt worden. Wie schätzen Sie den Erfolg von
Klingelton-Downloads in Deutschland mittelfristig ein? Werden diese als
Nebenprodukt der Musikindustrie überbewertet?
Thomas
Breyer-Mayländer: Ich kann mir vorstellen, dass es hier
Anwendungsbereiche im Bereich „Freizeit“ und „portable devices“ geben wird,
die derzeit noch nicht absehbar sind. Was hier vor allem auffällt ist die
attraktive Zielgruppe, ihr Alter,
ihre Konsummerkmale, die sich mit diesen Medien
auseinandersetzen.
Die Gegenwart:
„P2P – Wir sind alle Piraten“. Das steht über einem Manifest, das von
dem französischen Wochenmagazin „Le Nouvel Observateur“ veröffentlicht
worden ist. Darin heißt es: „Wie acht Millionen andere Menschen in
Frankreich haben auch wir schon Musik aus dem Internet herunter geladen und
sind demnach potentielle Verbrecher. Wir verlangen die sofortige Einstellung
dieser absurden juristischen Verfolgung.“ Zu den ersten Unterzeichnern des
Schreibens zählen Musiker wie Khaled oder Manu Chao, Globalisierungsgegner,
Politiker, Künstler und Wissenschaftler. Ist die kostenlose Verbreitung von
Mp3s nur durch eine konsequente „Illegalisierung“ zu stoppen?
Thomas
Breyer-Mayländer: Es kann nur um Aufklärung der Konsumenten,
Klarstellung der Rechtslage und Erhöhung des Kundenservices und der
Attraktivität der Angebote gehen. Ein Element allein wird hier nicht
ausreichen, sondern eine ausschließliche Fixierung auf die gegenwärtige
Rechtslage birgt die Gefahr einer Änderung im Rahmen einer Nachregulierung
in sich.
Die Gegenwart: Napster.com
bietet einen Abo-Dienst für Musik an, bei dem man für 15 Dollar unbegrenzt
viel Musik herunterladen kann. Der Haken: Digital Rights Management
verhindert, dass die Stücke dauerhaft im Besitz des Users bleiben. Kündigt
er Napster wieder, verschwinden auch die Tracks. Haben solche Modelle
Zukunft? Oder ist eher Apples "iPod"-Modell Erfolg versprechend, bei dem für
jeden Song 99 Cent bezahlt werden müssen?
Thomas
Breyer-Mayländer: Die übersichtlichen Modelle mit „unbegrenzter
Haltbarkeit“ sind einfacher zu vermitteln und zu vermarkten. Alles andere
birgt die Probleme des Clubmarketings in sich, was derzeit ja im Buch- und
Tonträgersektor nicht ganz einfach zu handlen ist.
RECHTS-INFO
Stichwort Klingeltöne Eine Rechts-Info des Hamburger Medienanwaltes Jens
O. Brelle:
„3
mono Töne & Logos für € 2,99/Monat bzw. 5 poly Töne & Logos bzw. 4 Reals &
Logos je € 4,99/Monat (zzgl. Musicnews + WAP-Inhalte) im Jamba! Sparabo zum
Abruf (+ Transport). Abo-Kündigung per SMS mit “Stopgigaton” (mono Giga Ton)
bzw.
“Stopgigapoly” (Poly Giga Ton) bzw. “Stopgigareal” (Giga Reals) an 33333 (€
0,20/SMS). Tel:
0180-5554890 (€ 0,12/Minute). Minderjährige Besteller benötigen die
Einwilligung eines Erziehungsberechtigten.“
Diese und andere kaum
durchschaubaren Bestellbedingungen lösten Mitte Dezember 2004 eine wahre
Anti-Jamba-Hysterie aus. Der Klingeltonlieferant geriet
durch eine Welle der Empörung in Weblogs unter Druck.
Die
Rechtsprechung hält solche unüberschaubaren Bedingungen zudem für
unzulässig:Eine gezielte Werbung für Telefonmehrwertdienstleistungengegen-über Kindern
und Jugendlichen in Jugendzeitschriften ist sittenwidrig, wenn sich die
Kosten nicht übersehen lassen und das Produkt an jedem Ort und zu jeder Zeit
bestellt werden kann, so das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg in einem Urteil vom 10. April 2003
zur „BRAVO Girl“. Ähnlich das OLG Hamm, in einem Urteil vom 24. Juni 2004:
Werbung in Jugendzeitschriften für das Herunterladen von Klingeltönen über
0190-Telefonnummern nutzt die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen
in wettbewerbswidriger Weise aus.Das Marktpotenzial für Logos und Klingeltöne ist riesengroß: es wird auf dem
europäischen Markt nach einer Studie des Marktforschungsinstitutes Strand
Consult mit einem Gesamtvolumen auf ca. 1,45 Mrd. US-Dollar geschätzt.
Neben der wettbewerbsrechtlichen Problematik kommt jedoch eine
urheberrechtliche Problematik hinzu. Bisher war es strittig,
ob Klingeltöne eine neue Nutzungsart darstellen oder nicht. Nach diesem
Kriterium des
§31 Abs.4 UrhG kann der Urheber immer dann eine Nachvergütung verlangen,
wenn das ursprüngliche zur Nutzung übertragene Werk in Form einer neuen,
bislang unbekannten Form genutzt wird. Inzwischen wurde dies für die Nutzung
von Klingeltönen bestätigt. Zudem haben inzwischen alle
Verwertungs-gesellschaften sich die entsprechenden Nutzungsrechte übertragen
lassen. Umstritten bleibt lediglich, ob Klingeltöne eine einwillungsbedürftige Bearbeitung des Urhebers darstellen. Das LG Hamburg
hat das Erfordernis eines Bearbeitungsrechts eines Urhebers im Dezember 2004
bejaht.Die Urheber haben also sowohl ein Recht auf Nachvergütung und müssen der
Bearbeitung ihrer Musik für Klingeltöne zustimmen.
Die Gegenwart: Digital
Rights Management ist ein weiterer Schritt zum gläsernen Kunden. Machen die
Leute das mit?
Thomas
Breyer-Mayländer: Sie werden es dann mitmachen, wenn es den
Konsumkomfort erhöht und nicht verringert. Solange unterschiedliche
technische Plattformen dazu führen können, dass der Aufwand zum Abspielen
legaler Musik verhältnismäßig groß ist, haben solche Systeme keine Chance.
Voraussetzung ist jedoch eine offene Vermarktung der Digital
Rights Management-Ansätze.
Die Gegenwart: Wie
erklären Sie sich den riesigen kommerziellen Erfolg des Schnappi-Songs,
obwohl er im Internet monatelang kostenlos herunter geladen werden konnte?
Thomas
Breyer-Mayländer: Wir werden immer wieder Nischen erleben, wo
zeitlich oder von der Zielgruppe begrenzt Songs eine riesige Themenkarriere
machen, wie das bei Karneval oder anderen Saisonveranstaltungen,
zum Beispiel Fußball oder ähnliches schon vor Jahrzehnten der Fall war. In einem solchen Fall entsteht
eine „künstliche Konsumrivalität“, die dazu führt, dass man diesen Song
haben muss. Das heißt der Druck im Markt und die Tendenz zum Konsum werden sehr
groß. Dies hat mit der Qualität der Songs nicht viel zu tun, sondern
gehorcht dem Prinzip des Agenda-Settings.
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