Seit einem Monat ist in Berlin und Brandenburg der
Radiosender "Motor FM" auf Sendung. "Motor FM" bezeichnet sich als
Download-Radio: abgespielte Musik kann gegen Gebühr
direkt heruntergeladen werden. Die Idee hinter dem neuen Programm klingt
also zunächst wenig spektakulär. Dennoch könnten die Macher mit ihrem
Dienst ein großes Problem des Musikdownloads im Netz gelöst haben: wie
bewege ich Musikfans dazu, die Musik bei mir zu kaufen und nicht beim gleich
aufgestellten Wettbewerb– und vor allem:
wie werden kostenpflichtige Musikdownloads attraktiver gegenüber den noch
immer zahlreichen kostenlosen, aber illegalen Alternativen?
Das Download-System von
Motor FM ("Potato", entwickelt vom Fraunhofer
Institut) unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den
Konkurrenten. Die Käufer der Musik sollen als Wiederverkäufer der Stücke
eine Provision erhalten und somit mit ihrer Online-Musiksammlung Geld
verdienen können. Was bei Online-Medienhändlern wie zum Beispiel Amazon.com
funktioniert, könnte so schon bald zu einer starken Verbreitung des Dienstes
führen, sollte es konsequent umgesetzt werden. Ein Provisionsmodell generiert einen Zusatznutzen für den
Konsumenten, der beim Kauf der CD im Musikladen und natürlich auch beim illegalen
Download entfällt. Ein unbürokratischer Ansatz für den Wiederverkäufer, denn
die Abwicklung der Kosten für Datenspeicherung, Online-Bezahlungssysteme
oder die Gema-Gebühr werden von Motor FM zentral abgewickelt.
Das Programm des Senders kommt zunächst aus Prinzip, aber natürlich auch aus
Kostengründen fast ohne Moderationen aus und
verzichtet nach eigenen Angaben daher zum Beispiel auf "die von guter Laune dominierten morning
shows".
Und auch der oft kritisierten Unglaubwürdigkeit der
Musikanbieter will Motor FM entgegentreten.
Die Nähe zu Musikern und zur Musik soll besonders ausgeprägt sein,
insbesondere Independent- und Alternative-Bands sowie Nachwuchskünstler
bekommen ihre Chance zur Veröffentlichung – die sind für den Start
natürlich auch nicht so teuer und haben zunächst nicht unbedingt einen
Plattenvertrag. Grundsätzlich soll der Hörer das Gefühl bekommen, dass beim Download-Radio Leute am Werk
sind, denen Musik etwas bedeutet. Das soll ein bisschen wie der Plattenhändler
wirken, dem
es wichtig ist, die neue Scheibe aufgrund ihrer Qualität möglichst vielen
Käufern näher zu bringen, nicht nur aufgrund ihres Preises.
Bislang ist das Angebot des Senders noch sehr begrenzt und liegt etwas
versteckt auf der Website der Plattenfirma
Motor
Music. Doch der Sender ist noch nicht vollständig aufgestellt,
das Programm noch stark im Aufbau.
Die Gegenwart sprach mit dem geschäftsführenden Gesellschafter von Motor
Entertainment, Tim Renner, über den ersten Monat auf Sendung, den Ausbau des
Angebotes und seine Zukunftspläne.
Die
Gegenwart: Herr Renner, Motor FM ist jetzt einen Monat auf Sendung.
Sind Sie zufrieden mit dem Angebot, oder gibt es Verbesserungs-bedarf?
Tim Renner:
Würden wir es uns leisten können, hätte ich liebend
gerne mehr Moderation...
Die Gegenwart: Das Download-Portal scheint noch in
der Anfangsphase zu sein. Wie viele Songs kann man zurzeit herunterladen?
Wie soll sich das Angebot entwickeln?
Renner: Wir
sind in der Tat noch im Aufbau, uns gibt es ja auch erst drei Wochen,
momentan dürften es knapp 200 Tracks sein.
Die Gegenwart: Interessant
ist das Provisionsmodell Ihrer Download-Plattform Potato. Die Käufer der
Musik sollen die erworbenen Musikstücke anderen Interessenten zum
Weiterverkauf anbieten. Bis zu 78 Prozent der weiteren Einnahmen gehen an
die Weiterverkäufer. Wie schützen Sie sich gegen
Betrüger, die wertlose Daten weiter-verkaufen wollen?
Renner: Die Daten liegen zentral bei Potato auf dem Server und werden auch von uns
vorher geprüft.
Die Gegenwart: Im August 2004 haben
Sie in einem Interview gesagt, Motor FM wolle gute
Neuerscheinungen und musikalische Raritäten spielen, die dann über eine
Website zum Download angeboten werden sollen.
ZUR PERSON
Tim Renner Tim Renner wurde am 1. Dezember 1964 in Berlin geboren. 1986 stieg er bei
Polydor ein. Er nahm die Berliner Band Element of Crime unter Vertrag und landete schließlich mit dem Dortmunder
Pop-Avantgardisten Phillip Boa seinen ersten Chart-Hit. 1989 übernahm Tim
Renner die Leitung der neu gegründeten Abteilung Polydor Progressive Music.
Fünf Jahre später gründete er innerhalb des PolyGram-Konzerns eine
neue Platten-firma, die Motor Music GmbH, die er als
Geschäftsführer leitete. Hier baute er Acts wie Phillip Boa, Tocotronic und
Absolute Beginner auf. International kamen Künstler wie Portishead, 2Pac, A*Teens
und The Cardigans hinzu. Seinen bislang größten Erfolg verbuchte Tim Renner
mit der Berliner Formation Rammstein. Weltweit wurden
über fünf Millionen Alben verkauft.Als PolyGram 1998
mit Universal zu Universal Music Deutschland fusionierte, übernahm Tim
Renner die Position des President Music. Anfang des Jahres 2001
wurde er CEO und Chairman des zum weltweit größten
Tonträgerhersteller Universal gehörenden Unternehmens. Bei Universal Music
Deutschland arbeitete er mit Stars wie Eminem, Sting,
Texas, Pavarotti, U2, Howard Carpendale, Bon Jovi oder Rosenstolz und vielen
mehr. Auch als Konzernchef verlor er nie das Interesse an den lokalen
Künstlern. Anfang 2004 verließ Renner das Unternehmen.
Nach einer Weltreise schrieb er das Buch "Kinder, der Tod
ist gar nicht so schlimm. Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie".
Vorher hatte Renner schon mehrere Buchbeiträge veröffentlicht und ist
einer von weltweit hundert Managern, die das World
Economic Forum zum Global Leader of Tomorrow ernannt hat.
Renner:
Motor FM hat bereits allerlei Raritäten im Programm, Mit „Geräusche aus den
Achtzigern“ bekommen diese demnächst auch eigene
Sendeblöcke.
Die Gegenwart: Zusätzlich
zu Motor FM haben Sieein
kostenpflichtiges „musicload“-Angebot auf Ihrer Website. Wo liegen
die Hauptunterschiede zwischen den beiden Formaten?
Renner:
Musicload bietet nahezu Vollständigkeit beim
Major-Repertoire, mit Potato bedienen wir kleine Indies und unsigned Acts.
Die Gegenwart: Wenn ein Song im Radio gespielt wird,
kann man ihn über gängige Download-Plattformen leicht finden und
kaufen. Funktioniert Motor FM daher nur mit Alternative-und
Independent-Bands,
die in den großen Plattformen noch nicht vorkommen?
Renner:
Nein, Motor FM funktioniert auch für Majorsongs,
sobald wir die Verlinkung zwischen unserem Stream und
deren Angebot gebaut haben. Der Download sollte nicht mehr als ein Click
sein, aber bis dahin ist noch einige Arbeit vonNöten…
Die Gegenwart: Auf motor.de heißt es: „irgendwann
sollen alle Songs, die im Radio laufen, auf motor.de einfach und komfortabel
heruntergeladen werden können und jeder Song, der
gespielt wird, zum sofortigen, einfach bezahlbaren Download zur Verfügung
stehen, und zwar mit nur einem Knopfdruck direkt aufs Handy.“ Sind auch
weitere Formate geplant, beispielsweise Klingeltöne passend zum aktuellen
Musikangebot?
Renner: Der
Schwerpunkt liegt auf dem Fulltrack-Download, aber
additive Services sind natürlich nicht ausgeschlossen. Zur Entwicklung
dessen was uns final vorschwebt, brauchen wir sicher noch ein Jahr.
Die Gegenwart: Was ist Ihr derzeitiger
Lieblingsdownload?
Renner:
Trend mit
„Wir haben einen Auftrag“.
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