Wenn ein
Unternehmen einen Neuanfang markieren will, muss oft ein neuer Name her. Das
ist die Stunde der Markengestalter. Im Herbst 2007 war wieder Zeit für eine
große Enthüllung.
Doch ein Schritt zurück:
Aus der RAG AG (ehemals Ruhrkohle AG) ist im September 2006 ein Unternehmen
ausgegliedert worden, das die ehemaligen RAG-Sparten Chemie, Energie und
Immobilien vereint. In der RAG-Unternehmenssprache heißen diese Sparten
"weißer Bereich". Das Unternehmen trug zunächst die sperrige
Bezeichnung RAG-Beteiligungs-AG. Ein Wort-Ungetüm, das nicht für einen Neuanfang in der
Markenkommunikation taugt. So beauftragte man den Werbetexter und
Markengestalter Manfred Gotta, dem neuen Kind einen Namen zu verpassen, der
etwas mehr nach Aufbruch klingt. Gotta zählt zu den erfolgreichsten Vertretern seiner Zunft. Er hat vieles
von dem benannt, was wir heute täglich nutzen: Autos, Waschmittel,
Telefongeräte, Software.
Das Ergebnis klingt technisch, leicht und ein bisschen wie eine Firma aus
einem Science-Fiction-Film: Evonik Industries, kurz Evonik. Die
RAG gibt es
freilich weiterhin, sie umfasst den schwarzen Bereich, das Bergbaugeschäft.
Markus Langer leitet die Abteilung Konzernmarketing von Evonik. Er
verantwortet damit die Steuerung der neuen Konzernmarke. Doch bevor die
Marke mit Relevanz aufgeladen werden konnte, musste sie mit viel Schwung die
Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen binden. Und diese Zielgruppen sind äußerst
vielfältig.
Im Neue Gegenwart-Interview spricht Markus Langer über die Strategie hinter
der Markeneinführung und die crossmediale Kampagne "Wer macht denn so was".
Und er berichtet darüber, wie Evonik den Markennamen 16 Monate lang geheim
halten konnte – obwohl bei der
Markeneinführung ein Großplakat zum Einsatz kam, das fast
die gesamte Fassade der Konzernzentrale beanspruchte.
Herr Langer, wie sind die Kampagnen zur Einführung der Marke Evonik aufgebaut?
Markus Langer:
Im Herbst 2007 ging es darum, die Marke Evonik einzuführen. Für diese neue
Marke mussten wir erst einmal Relevanz schaffen. Man kann ja nicht per se
eine große Aufmerksamkeit erwarten, wenn sich ein Unternehmen einen neuen
Namen gibt. Schließlich hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe
von Unternehmen umbenannt, ohne dass dies eine große Resonanz gefunden
hätte. Wir wollten eine neue Unternehmensmarke einführen und sie bei unseren
wichtigen Zielgruppen verankern. Damit brauchten wir eine
aufmerksamkeitsstarke Einführungskampagne. Der Dreh- und Angelpunkt war die
Geheimhaltung des Markennamens. Wir haben den Namen 16 Monate lang geheim
gehalten. Um diese Geheimhaltung herum konnten wir eine Einführungskampagne
konzipieren, die zweigeteilt war. In der „Teaserphase“ haben wir mit
überraschenden Bildern und der Frage „Wer macht denn so was?“ – aber ohne
Absender – Neugier geweckt. Diese Phase begann im Internet bereits drei
Wochen vor der Veröffentlichung des neuen Namens, im Fernsehen und in den
Printmedien ging es zehn Tage vorher los. In der sechswöchigen
Auflösungsphase haben wir anschließend das Geheimnis um Absender und
inszenierte Leistungen gelüftet. Durch diese Konzeption haben wir es
geschafft, eine große Neugier auf das, was da kommen würde, zu erzeugen –
und damit Relevanz zu schaffen.
Bitte bewegen Sie den Mauszeiger auf das Bild, um das Menü
einzublenden.
(Bilder: Evonik Industries).
Haben sie bei der Konzeption die Besonderheiten der Medien berücksichtigt?
Markus Langer:
Uns war von Anfang an klar, dass die Kampagne crossmedial ausgerichtet sein
musste. Die verschiedenen Medien sollten sich mit ihren spezifischen
Vorteilen ergänzen. Unser Vorteil ist, dass wir eine sehr prägnante
Markengestalt haben: die Verbindung einer ungewöhnlichen Farbe mit einem
starken Markenzeichen und einem eigenständigen Gestaltungselement, dem Clip.
Der Clip ist aus dem Schriftzug Evonik abgeleitet – eine rechteckige Form,
die mit einem Halbkreis abschließt, immer im Anschnitt steht und ins Bild
hineinragt. Diese Markengestalt hat uns geholfen, die Kampagne über die
verschiedenen Medien zusammenzuhalten. Das Fernsehen ist natürlich
unverzichtbar, wenn man sehr schnell eine hohe Bekanntheit aufbauen will, es
hat eine sehr starke emotionale Kraft. Print ist wichtig, um mehr
Informationen zu vermitteln und um Markentypik aufzubauen – also zu
vermitteln, wie die Marke auftritt, damit sie später leichter erkannt werden
kann. Das Internet hat den Vorteil, dass man die Informationen vertiefend
anbieten kann, auf die man im Fernsehen und in den Printmedien neugierig
gemacht hat.
In welchem Medium haben sie mit ihren Kampagnen den größten Erfolg?
Markus Langer:
Wenn es nur um den schnellen Aufbau von Markenbekanntheit geht, kommen sie
am Fernsehen nicht vorbei. Dort haben wir auch die besten Werte erzielt,
wenn es um die Erinnerung unserer Werbung durch Testpersonen ging. Trotzdem
wäre es falsch zu sagen, dass wir im Fernsehen am erfolgreichsten gewesen
sind. Eine reine Fernsehkampagne würde uns nichts nützen, denn jedes Medium
hat seine spezifischen Vorzüge. In unserer aktuellen Kampagne gibt es zum
Beispiel einen
Werbespot, der in einem Sportgeschäft spielt. Ein Junge
probiert einen Fußballschuh an und tritt dabei versehentlich gegen einen
Schuhlöffel. Der Schuhlöffel geht ab wie eine Rakete und zerlegt auf eine
unglaublich präzise Weise das Sportgeschäft. Am Schluss kommt die Frage:
„Wer macht eigentlich, dass Fußballschuhe präzise schießen können?“ Wenn sie
sich den Spot ansehen, werden sie sagen: Das ist pfiffige Werbung. Und sie
werden verstehen, dass Evonik in diesem Schuh drin ist und zu der Präzision
beiträgt. Aber was genau die Leistung von Evonik ist, das kann ihnen das
Fernsehen nicht verraten. Das erfahren sie erst, wenn sie ins Internet
gehen, wenn sie unseren Online-Werbebannern folgen oder direkt unsere
Website aufrufen.
Videos:
Evonik-Spots
Tun das viele? Geht die Aufmerksamkeit für die Marke also so weit, dass die
Wirkung des Fernsehens bis ins Internet reicht?
Markus Langer:
Wir wissen natürlich nicht, ob die Besucher unserer Website über das
Fernsehen zu uns gekommen sind. Wir schalten ja auch Werbung auf den großen
Websites wie Spiegel Online oder Handelsblatt.com. Aber in diesen
Werbebannern sind unsere Fernsehspots eingebettet. Sie sehen den farbigen
Clip und einen Teil des Werbefilms. Wenn sie mit der Maus über den
Werbebereich kommen, fährt das Banner aus, und sie sehen den ganzen
Fernsehspot. In einem zusätzlichen kleinen Fenster wird in fünf Sätzen
erklärt, welche Leistung dahinter steckt. Wenn sie das Banner anklicken,
gelangen sie zu unserem Internetauftritt, wo sie weitere multimediale
Inhalte zu diesem speziellen Thema finden. Auf diese Weise haben wir
sichergestellt, dass die Zielgruppe den Fernsehspots auch im Internet
begegnet, so dass die beiden Medien sich gegenseitig verstärken. In den
ersten vier Wochen haben unsere Online-Banner rund 54.000 Nutzer auf unsere
Website gezogen.
Ihre Kampagne ist sehr präsent und richtet sich offenbar an alle. Warum muss
jeder Evonik kennen?
Markus Langer:
Wenn sie als Unternehmen eine starke Marke sind – also nicht nur über starke
Produktmarken verfügen – dann heißt das auch, dass sie einen
Vertrauensvorsprung haben in all den Zielgruppen, die sie als Unternehmen
ansprechen. Das betrifft den Kapitalmarkt, aber auch den Arbeitsmarkt. Dort
wird es immer wichtiger, sich als starke Marke zu positionieren. Der Kampf
um die besten Talente wird immer schwieriger. Wenn man sich die Rankings der
einschlägigen Wirtschaftsmagazine über die beliebtesten Arbeitgeber von
Hochschulabsolventen ansieht, dann kann man feststellen, dass oben fast
immer die Unternehmen stehen, die starke Marken sind. Aber das trifft
natürlich genauso auf das gesellschaftliche Umfeld und auf unsere Kunden zu.
Insofern macht es auch für ein Business-to-Business-Unternehmen sehr viel
Sinn, in eine Unternehmensmarke zu investieren. Auf keinen Fall
unterschätzen darf man auch die Wirkung, die eine solche Marke nach innen
hat. Eine Marke dient auch dazu, die Mitarbeiter zu integrieren.
Mitarbeiter können sich über die Marke leichter mit dem Unternehmen
identifizieren, das ist ein Faktor in der Motivation.
Haben dazu nicht auch die vorherigen Marken beigetragen?
Markus Langer:
Wir haben diese neue Marke eingeführt, weil wir deutlich machen wollten,
dass hier ein neuer Industriekonzern entstanden ist. Vom Start weg sollte
der Konzern als ein eigenständiges Unternehmen wahrgenommen werden; er
sollte nicht mehr im Schatten der verschiedenen Vorgängergesellschaften
stehen. Nicht im Schatten der RAG, aus der Evonik als Spin-Off
hervorgegangen ist, auch nicht im Schatten der Degussa, die die
Vorgängergesellschaft für das Chemiegeschäft war. Und wenn sie wieder an die
Mitarbeiter denken: Wir haben eine ganze Reihe von Fusionen durchlaufen.
Nehmen wir den Mitarbeiter aus Darmstadt, für den Evonik die vierte neue
Marke innerhalb von zwanzig Jahren ist. In den 90er-Jahren arbeitete er noch
bei einem Unternehmen, das Röhm hieß. Dann wurde das Unternehmen
übernommen von Hüls. Dann fusionierte Hüls mit Degussa
zur Degussa-Hüls. Und dann fusionierte die Degussa-Hüls mit
der SKW Trostberg und hieß nur noch Degussa. Und jetzt kommt
Evonik als neue Unternehmensmarke. Wie viel Bereitschaft können sie
nach so vielen Namenswechseln von einem Mitarbeiter erwarten, sich mit der
neuen Marke zu identifizieren? Ich würde sagen: so gut wie keine. Sie können
nur dann eine Bereitschaft erwarten, wenn sie ihm etwas an die Hand geben,
womit er sich identifizieren kann. Und da hat unsere Kampagne sehr stark
nach innen gewirkt.
Was ist das wichtigste Element ihrer Einführungskampagne?
Markus Langer:
Ganz wichtig ist die Markengestalt. Wir haben uns für eine Farbe
entschieden, die in unserem Wettbewerbsumfeld sehr ungewöhnlich ist. Wir
haben analysiert, wie die anderen Unternehmen in den Bereichen Chemie,
Energie und Immobilien auftreten. Und wir haben festgestellt, dass es da
einen blinden Fleck gibt, eine Farbe, die niemand benutzt. Eine Farbe, die
aber gleichzeitig sehr gut zu der Markenidentität unseres Unternehmens
passt. Das ist die Farbe Purpur. Purpur steht für Kreativität, für
Individualität, für das Unkonventionelle. Das passt also gut zum
Markencharakter eines kreativen Industriekonzerns. Purpur grenzt uns aber
auch gleichzeitig maximal ab von allen anderen Unternehmen, mit denen wir im
Wettbewerb stehen. Diese ungewöhnliche Farbe in Verbindung mit einem sehr
prägnanten Gestaltelement, nämlich dem Clip, sorgt für eine große
Aufmerksamkeit. Wie stark diese Markengestalt wirkt, sehen sie auch darin,
dass wir im Juni und Juli Teil der Kampagne „Print wirkt“ in Spiegel, Focus,
Stern und vielen weiteren Magazinen sein werden. „Print wirkt“ funktioniert
so: Der Bundesverband der Zeitschriftenverleger bittet Unternehmen mit
starken Marken, eine Anzeige zur Verfügung zu stellen, die bisher noch nicht
geschaltet worden ist. Die nehmen dann das Logo, den Text und das Produkt
raus und setzen in der Typographie der Marke „Print wirkt“ in diese Optik.
Und wenn das eine starke Marke ist, dann erkennt das jeder. Dass wir mit
Evonik jetzt schon Teil dieser Kampagne werden, ist ein ebenso
ungewöhnlicher wie überraschender Erfolg. Keine andere Marke hat es bisher
geschafft, innerhalb einer so kurzen Zeitspanne – in etwas mehr als einem
halben Jahr – in „Print wirkt“ aufgenommen zu werden. Alle anderen Marken
haben dafür Jahre oder Jahrzehnte gebraucht.
Sie waren auch sehr präsent in allen Medien.
Markus Langer:
Wir haben auf eine sehr aufmerksamkeitsstarke Mediastrategie gesetzt. In den
zehn Tagen vor und nach der Kampagne haben wir besonders intensiv Werbung
geschaltet. Im Fernsehen konnten sie innerhalb eines Werbeblocks drei
unserer Werbespots sehen. Auch in den Printmedien war das so: Im Spiegel
haben wir zum Beispiel drei Anzeigen hintereinander geschaltet. In
Tageszeitungen gab es montags, mittwochs und freitags Anzeigen von uns. Das
ist natürlich sehr auffällig gewesen.
Zusätzlich haben sie die Marke sehr lange geheim gehalten.
Markus Langer:
Das Schlüsselelement der Einführungskampagne war sicherlich die
Geheimhaltung des Namens. Der Name an sich hat keine Bedeutung. Aber durch
die extreme Geheimhaltung konnten wir um den Namen herum die Einführung
eines neuen Industriekonzerns inszenieren. Das hat sehr gut funktioniert,
weil der Name 16 Monate lang vertraulich blieb.
Wie konnte das gelingen?
Markus Langer:
Nur ganz wenige Leute kannten den Namen. Und die, denen der Name vertraut
war, haben ihn nie benutzt. Selbst wenn man im kleinen Kreis zusammen saß,
wo jeder den Namen kannte, hat man immer nur von „N. N.“ gesprochen. Denn
wenn man den Namen einmal nennt, dann liegt er auf der Zunge. Und bei der
nächsten Gelegenheit rutscht er raus. Das war schon eine extreme
Konditionierung. Hat bei mir dazu geführt, dass ich auch nach der
Markeneinführung noch öfters von „N. N.“ gesprochen habe.
Immerhin haben sie ein Großplakat mit dem neuen Namen des Unternehmens an
ihrer Firmenzentrale angebracht, wenn auch zunächst verdeckt. Daran sind
viele Menschen beteiligt gewesen. Wieso hat niemand gepetzt?
Markus Langer:
Die Planen wurden im Ausland produziert und aus vielen Teilen
zusammengesetzt, so dass kein Mitarbeiter, der damit beschäftigt war, das
große Ganze sehen konnte. Nur eine Person hat den Namen gesehen – der Mann,
der den Druckprozess am Computer gesteuert hat. Und auch diese Person wusste
nicht, wofür die Plane bestimmt war. Das Ganze lief unter dem Codewort
„Tirol-Projekt“. Insgesamt wurden drei Schichten angelegt. Die Verhüllung
hat zehn Tage vor der Einführung begonnen. Das Gebäude wurde dann nach und
nach enthüllt. Erst wurde die zweite Schicht freigelegt, dort stand in
weißer Schrift auf purpurnem Grund: „Guten Tag, ich bin neu hier!“. Am Tag
der Bekanntgabe wurde diese Schicht dann blitzartig weggezogen, und man sah
das neue Markenzeichen. Das war so gesichert, dass man auch von innen nicht
erkennen konnte, was da am Haus prangte. Auf der Seite des Hauses, auf der
ich arbeite, war es dadurch für zehn Tage stockduster.
Zur Einführung des Markennamens Eon hat der Konzern einfarbige
Anzeigen ohne Text geschaltet und rote Plakatwände gebucht. Die Marke, wenig
später veröffentlicht, sollte so zum Gesprächsthema werden. Ihre Kampagne
zur Einführung der Marke Evonik funktioniert ähnlich. Wie haben sie
es geschafft, die Aufmerksamkeit mit einem ähnlichen Konzept zu gewinnen?
Immerhin wird ihr Publikum auch sonst von allen Seiten mit Reizen
bombardiert.
Markus Langer:
Solche Teaserkampagnen werden nicht oft gemacht, weil sie recht aufwändig
sind. Aber wenn man eine Teaserkampagne richtig umsetzt, kann man damit sehr
viel Aufmerksamkeit gewinnen. Eon ist mit seiner Einführungskampagne
sicherlich am stärksten vergleichbar mit der unsrigen. Man sieht aber auch
den Unterschied: Eon hat in der Teaserphase ganz auf die neue Farbe gesetzt.
Wir haben neben der Farbe auch schon Leistung kommuniziert. Man hat von
Anfang an Motive gesehen, die bestimmte Leistungen unseres Unternehmens auf
eine verschlüsselte Weise dargestellt haben. Die Frage „Wer macht denn so
was“ war doppeldeutig. Sie bezog sich einmal darauf, wer da eigentlich
auftritt – aber auch darauf, wer “so was“ eigentlich macht, also: „Wer
bringt einen Elefanten an die Wand“ oder „Wer lässt Seerosen in der Wüste
wachsen“.
Wie halten sie die Aufmerksamkeit auch in Zukunft aufrecht?
Markus Langer:
Um eine neue Marke nachhaltig in den Köpfen zu verankern, reicht eine
zweimonatige Einführungskampagne sicher nicht aus. Das kann nur der Anfang
sein. Man muss diese Marke immer wieder aktualisieren. Deshalb läuft im
Augenblick die Fortsetzung unserer Einführungskampagne. Das
Kommunikationsmuster „Wer macht denn so was? – Wir machen so was“ haben wir
beibehalten, denn es hat sich in der Öffentlichkeit sehr schnell
durchgesetzt und sogar zu einem geflügelten Wort entwickelt. Es ist auch
ideal für uns, um die Vielfalt an Lösungen, die wir als kreativer
Industriekonzern anzubieten haben, herauszustreichen und auf eine
unerwartete Art zu inszenieren. Schon jetzt ist klar, dass wir die Kampagne
im Herbst fortsetzen werden. Die ersten Jahre nach der Einführung betrachten
wir als Jahre des Markenaufbaus, bis wir einen stabilen Sockel an
Bekanntheit erreicht haben.
Die Zielgruppe ist inzwischen in der Lage, ihre Meinung ungefiltert als Text
oder gar Video im Web zu veröffentlichen und sie anderen mitzuteilen. Zu
ihrer Kampagne gibt es viele Beiträge in Blogs und auf Videoplattformen. Der
Trendforscher Peter Wippermann behauptet, „Einwegkommunikation“ in der
Unternehmenskommunikation und im Marketing verliere an Relevanz, der
tatsächliche Dialog mit den Adressaten von Kampagnen werde wichtiger. Wie
beobachten sie die neuen Veröffentlichungsformen im Web?
Markus Langer:
Wir sind im Wesentlichen ein B2B-Unternehmen, deshalb hatten Blogs in der
Vergangenheit für uns noch nicht denselben Stellenwert wie für Unternehmen,
die sich direkt an den Verbraucher wenden. In der heißen Phase der
Markeneinführung haben wir die wichtigsten Blogs beobachtet, aber wir haben
uns nicht selbst an den Diskussionen beteiligt und auch kein eigenes Blog
angeboten.
Wie könnte sich das in Zukunft ändern?
Markus Langer:
Wir werden die Beobachtung der Blog-Landschaft sicherlich systematisieren.
Ob es für uns aber Sinn macht, selbst ein Blog für die breite
Öffentlichkeit anzubieten, bezweifle ich. Für ein B2B-Unternehmen wäre das
im Wesentlichen ein Akt symbolischer Kommunikation, der keinen anderen
Nutzen hätte, als allgemeine Dialogbereitschaft zu vermitteln. Führt aber
schnell in schwierige Situationen: Wie stark moderiere ich ein Blog? Setze
ich mich bei jedem Versuch der Steuerung dem Vorwurf der Zensur aus? Lasse
ich alles zu, nur um dem Vorwurf der Zensur zu entgehen? Muss ich nicht
konsequent eingreifen, um nicht selber für die Inhalte des Blogs zur
Verantwortung gezogen zu werden? Denken sie an die Diskussion über die
Kommentare im Blog von Stefan Niggemeier.
Ein Blog könnte für uns Sinn machen, wo wir auf eine genau umrissene
Zielgruppe treffen. Zum Beispiel, wenn das Unternehmen als Arbeitgeber im
Internet auftritt und ein Blog betreibt, um mit Studenten und Absolventen
zu kommunizieren. Da finden sie dann auch eine andere Ernsthaftigkeit in dem
Blog, die überhaupt erst einen echten Dialog ermöglicht.
Ihre Fernsehspots laufen auch bei Youtube und anderen Videoplattformen. Dort
kursieren auch simpel gemachte Parodien ihrer Marke, beispielsweise
„Eronik“. Wie reagieren sie darauf?
Markus Langer:
Gar nicht. Wir schauen uns das an, nehmen das mit Vergnügen zur Kenntnis und
werten es als Indiz für die Durchsetzungskraft unserer Kampagne. Je mehr
Parodien es gibt, umso besser: Parodiert wird ja nur das, was das Publikum
mit Sicherheit sofort wieder erkennt. Und das heißt: Es ist uns tatsächlich
gelungen, in einer breiten Zielgruppe Relevanz zu schaffen. Einschreiten
müsste man nur dann, wenn tatsächlich eine Verwechslungsgefahr bestünde.
Aber die handwerkliche Qualität der Parodien ist oft weit von der
professioneller Spots entfernt. Jeder sieht sofort, dass wir das nicht
selbst sind.
Vielen Dank für das Gespräch. |
Zur
Person
Markus Langer studierte Romanistik, Politik und
Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als freier Journalist für die
Frankfurter Allgemeine Zeitung und den WDR, bevor er seine
Kommunikations-Laufbahn als Pressereferent bei der Bertelsmann AG in
Gütersloh begann. Dort entwickelte er Ende der 90er Jahre als Leiter der
Online-Kommunikation unter anderem das erste Intranet des Medienkonzerns,
das als „BeNet“ zu einem viersprachigen Nachrichten- und Serviceportal für
rund 80.000 Mitarbeiter ausgebaut wurde. In den Jahren 2004 bis 2006
verantwortete er die Interne Kommunikation der Degussa AG in Düsseldorf.
Seit Januar 2007 leitet er das Konzernmarketing der
Evonik Industries AG. In
dieser Funktion verantwortet er die Einführung und Steuerung der neuen
Konzernmarke sowie die Markenstrategie des Konzerns. |