"The Ramp" ist
ein Film über eine 454 Meter hohe und 1,3 Kilometer lange Rampe, die die
Bewohner des bayerischen
Dorfes Oberpfaffelbachen errichtet haben. Sie wollen damit einen BMW der
Einser-Reihe mit viel Anlauf nach Amerika schießen.
Der Amerikaner Jeff Schultz, der während einer Zugfahrt durch Bayern die
gewaltige Anlage entdeckt, steigt aus Neugier kurzerhand in
Oberpfaffelbachen aus. Dort trifft er sich mit den Dorfoberen, allesamt
schräge Vögel. Einer von ihnen, Franz Brendl, Betreiber einer PR-Agentur und
eine Art Vater der Rampe, zeigt Schultz schließlich eine Präsentation, die
das Vorhaben veranschaulicht. Der Flug des
Einser nach San Franzisko soll BMW hohe Absätze bescheren. Aber Brendl hat
vor allem den Tourismus im Sinn. Vom Hinterwäldlernest soll
Oberpfaffelbachen zum Standort
eines Weltwunders avancieren. Die Freiheitsstatue (93 Meter Höhe), die
Brendl nicht
ganz maßstabgerecht zum Vergleich in seine Präsentation gemalt hat, sieht
neben der Rampe wie
ein Dominostein aus.
Im Film lernen wir alle kennen, die in Oberpfaffelbachen etwas zu sagen
haben: Dorfpfarrer Theo Kattelbacher, Bürgermeister Loisl Eder,
Rampenkonstrukteur Hans Unterholzner und Schorsch
Pfaffelbichler, der die Flügel für den Einser entworfen hat und eigentlich
Physiklehrer zu sein scheint. Alle hegen große Hoffnungen,
schließlich ist die Rampe für die Ewigkeit gebaut. Auch das
Merchandisinggeschäft des Dorfes ist längst angelaufen. Die Bäckerei
verkauft Rampenkuchen und Rampenbretzeln. Im Souvenirshop liegen
bedruckte Rampenteller, Rampentassen, T-Shirts und Mützen mit Rampenmotiven bereit für
die Millionen Touristen, die das Spektakel anziehen soll.
The Ramp als Aufmacher einer
viralen Kampagne
Natürlich ist
alles erfunden. "The Ramp" ist Teil einer geschickten Werbekampagne des
Automobilherstellers BMW. Losgelöst von sonstigen Kampagnen für die
Stufenheck-Variante des Einser-BMW soll die Kampagne offenbar
Aufmerksamkeit in Zielgruppen schaffen, die gut über das Internet erreicht
werden können (und eventuell weniger fernsehen). Dass die Story um die Rampe erfunden
ist, daran besteht zwar mit der ersten Minute von "The Ramp" kein Zweifel.
Doch der Film markiert in der Strategie lediglich
den Aufhänger einer viralen Kampagne mit viel Liebe zum Detail.
Der BMW, dessen Bezeichnung übrigens von den Dorfbewohnern als
einziges Wort korrekt ausgesprochen wird, spielt dabei zunächst auch nur eine
Nebenrolle. Jeff Schultz dagegen, der amerikanische Filmemacher, hat ein eigenes
Weblog,
ein Profil in der Social-Networking-Plattform
Facebook
(inzwischen eine Werbeseite für den Film), Accounts bei
Flickr
und
del.icio.us.
Auch bei
Youtube
und
Vimeo
ist er zu finden.
Das Dorf Oberpfaffelbachen präsentiert sich der Weltöffentlichkeit auf
einer eigenen
Website (Achtung zünftige
Musikuntermalung), die weitaus
besser
aussieht
als
vergleichbare
Originale
und sogar mit einer wortkargen
Videobotschaft des Bürgermeisters aufwartet.
Bei Youtube kursieren zudem Fragmente des Films, beispielsweise
verwackelte
Aufnahmen aus einem Zugfenster
("huge ramp from train in Germany"), die die Rampe neben einem
vergleichsweise winzigen Kirchturm zeigen und ziemlich echt aussehen. Genug
Raum für Spekulationen bieten sie allemal.
Die Geister, die ich rief
BMW ist nicht der erste Konzern, der über
die Nutzung von Social Media-Diensten versucht, Aufmerksamkeit für seine Produkte und Konzernmarken zu
schaffen. Smart hat kürzlich mit der fiktiven Automarke
Cin
King eine ähnliche Strategie verfolgt, die mit abstrusen Automobilen für Verwirrung
gesorgt hat. Auch Volkswagen hatte virales Marketing bereits mit dem Blog von Hape
Kerkelings Kunstfigur Horst Schlämmer ausprobiert. In den Videoepisoden um
Kerkelings alter ego Horst Schlämmer aus Grevenbroich fiel
die doch recht penetrante Präsenz des VW-Modells Golf schnell auf, die Werbung wurde "enttarnt".
Den Weg in die Presse und in unzählige Blogs fand das Spektakel dennoch.
Die Schaffung eines dichten Social-Media-Netzwerkes rund um Protagonisten
von Werbekampagnen,
hier beispielsweise um die Person des Filmemachers Jeff Schultz, ist dank einfacher Handhabung
und fehlender Nutzungsgebühren der Social-Media-Anbieter schnell umzusetzen.
Doch ist die Kampagne nicht mit viel Charme und Witz ausgestattet, droht
schnell das Desaster. Gefälschte Identitäten können einen Vertrauensbruch
bedeuten, die Kampagne kann zur Demonstration von Manipulierbarkeit werden.
Doch Probleme scheinen die Betreiber
auch bei der Eindämmung oder Beendigung von Kampagnen zu haben. Während das "Schlämmerblog"
nach dem Ende der offiziellen Kampagne eine Weile unbemerkt vom Betreiber
mit
Sexnachrichten überflutet wurde und inzwischen von einer Privatperson betrieben
wird, sind auch bei BMW die gezielt platzierten Jeff-Schultz-Profile kaum
noch von Trittbrettfahrern zu unterscheiden.
Hier sind Strategien der
Marketingabteilungen gefragt, eine einmal im Netz begonnene virale Kampagne
gleich so zu begrenzen, dass zuviel Partizipation und professionell wirkende
Adaption der
Marke nicht schadet. Denn noch immer gilt: Was einmal ins Netz losgelassen wurde,
kann so leicht nicht wieder eingefangen werden. |
|