Quo vadis Markenführung im Web

 

Ausgabe 57
Upgrade der Wirklichkeit:
Zur Zukunft des World Wide Web





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Quo vadis Markenführung im Web

Geistiges Eigentum muss
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Presse

Text: Markus Hübner    Bild: Daniel Gebhart

Da ist sie nun. Die Idee aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die sogleich die Produktenwicklung auf den Kopf stellen soll. In zahlreichen Marktforschungsstudien werden monatelang Szenarien mit unterschiedlichsten Zielgruppen erforscht. Das Ganze wird dann noch vom Produktmanagement und Marketing „marktkonform“ aufbereitet und anschließend über die PR-Abteilung in den Kreislauf eingekippt.

Massenprodukte werden über Massenmedien an Mainstream-Kunden gebracht. Die Markenführung ist linear und wohlbehütet. Die Unternehmen funktionierten entlang der Wertschöpfungskette als ein in sich geschlossener Kreislauf. Die Werbekanäle Print und TV waren die Königsdisziplinen der passiven Kommunikation und geliebte Inseln der eigens verstandenen Markenidentität und deren Inszenierung.

Seit damals hat sich die Welt radikal verändert, ein Prozess der mit der verstärken Interaktion und sozialen Vernetzung im Web 2.0 seine Weiterentwicklung fand. Doch wohin geht die Markenführung im Web-Zeitalter? Welche neuen Anforderungen und Herausforderungen gilt es zu meisten?

Wenn man den einstigen Ansatz der großteils steril, linear und passiv entwickelten Kommunikation als Vergleich heranzieht, so wird offensichtlich, wie grundlegend der Wandel in der Neuzeit angekommen ist. Zwar meinte 2007 beispielsweise Trevor Edwards, Vice President of Global Brand Management bei Nike: „Gone are the days of ‚one shoes, and advertising campaign. Now you’ve got to engage consumers on every level”, doch drückt dies nur einen Teil der vielschichtigen Entwicklungen der Markenführung aus.

Vorbei sind die Zeiten der Einzelanstrengungen. Die Macht der Gemeinschaft schlägt sich in multidimensionaler Basis nieder. Angefangen vom Prozess, sich mit dem eigenen Unternehmen zu öffnen und im Sinne von Employer Branding bzw. der unternehmensinternen Markenführung die neuen Möglichkeiten von Enterprise 2.0 zu nutzen. Dabei bedarf es keiner umfangreichen IT-Tools, sondern primär der mentalen Bereitschaft, sich dem partizipativen Geist der Mitarbeiter zu stellen. Erfreulich zu sehen, wenn Studien über den Gesamtwert von Unternehmen die Komponenten Markenwert und Human Resources als die beiden wichtigsten Werttreiber identifizieren. Doch genau für diese beiden Bereiche müssen auch die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden.

Das Wissen der Mitarbeiter ist in einem vernetzten und dynamischen Umfeld abzubilden und zu verdichten. Ob dies über Wikis, Blogs oder Microblogging-Tools wie Twitter gelebt wird, hängt vom jeweiligen Unternehmensumfeld ab. Synergien, wie beispielsweise ein effizienteres Wissensmanagement oder eine erhöhte Motivation, sind zusätzliche Anreize.

Im Zusammenspiel Unternehmen-Markt werden derartige Open-Innovation- und Crowdsourcing-Ansätze einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg beitragen. Jene Unternehmen die sich strategisch den Innovationsprozessen öffnen, werden auch markante Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren Mitbewerbern ausnützen können.

Die Wertschöpfungskette wird neu überdacht werden müssen und der Konsument wird nicht mehr als externer Empfänger, sondern als integrativer Bestandteil gesehen. Dabei wird entscheidend sein, ein attraktives Belohnungsmodell für die Teilnehmer zu entwickeln, denn die neuen Möglichkeiten sind keine Selbstbedienungsläden der Unternehmen. Ein faires Geben und Nehmen ist notwendig, damit die Identifizierung der Teilnehmer mit der Marke und die Bereitschaft für Word-of-Mouth-Marketing als Hebel der weiteren Kommunikation auch gewährleistet sind.

Unternehmen müssen lernen, sich mit ihrer Zuhörerschaft auseinander zu setzen. Dafür gilt es, die wesentlichen Markenkontaktpunkte zu analysieren. Deshalb ist die Markenführung aufgrund der enorm gestiegenen Vernetzung und Dynamik auch so anspruchsvoll geworden. Die bisherige Medienresonanzanlayse und der Pressespiegel werden von modernen Marken-Controlling-Tools abgelöst. Das Wissen um die Frage, wer wo und wie über meine Marke spricht, rückt in den Mittelpunkt.

In den verschiedenen Phasen der Markenführung, von der Produkteinführung bis zur Markenfusion, gilt es, die neuen Schauplätze der Interaktion und ihre Meinungsführer zu identifizieren. Dies ist die Grundlage für die Konzeption relevanter Themen und Dialoge. Unternehmen müssen realisieren, dass der Austausch über Produkte und Marken tagtäglich weltweit statt findet. Entweder lässt man dem freien Lauf, mit der Gefahr dass die Markenführung aus der Hand gleitet und auch Konkurrenten dies negativ steuern. Oder man bringt sich in einem ehrlichen und glaubhaften Dialog ein.

Das bedeutet: Vorbei sind die Zeiten, als man mal eben schnell in einer Print-Kampagne behauptete „Jetzt mit der X2-Technologie doppelt so leicht“ als Platzhalter für die vielen leeren Werbeversprechungen. Der mündige und kritische Konsument möchte Transparenz. Der weltweite Austausch bringt zwangsläufig die wahren Inhalte zu Tage. Als Konsequenz wird Markenführung wieder mehr zum Thema von relevanten Produkten und deren Inhalte.

Möchten Marken in der enormen Datenflut überhaupt zu den Empfängern durchdringen, müssen Inhalte zielgerichtet auf die Communities, Szenen und Verteiler abgestimmt werden. Nicht mehr der Absender (die Marke) steht im Mittelpunkt, sondern der Inhalt. Was relevant ist oder nicht, entscheidet der sich selbst bereinigende Kommunikationskreislauf. Schaffen es lapidare Werbebotschaften über die PR-Kanäle einmal gerade in die Standardplattformen und verpuffen dann, so haben Nachrichten mit hohem Nachrichtenwert das Potential, sich in Minutenschnelle weltweit zu verbreiten.

Durch die Zunahme der Zahl von Online-Plattformen die verschiedenste Nachrichten und Inhalte zentral zusammenführen (Content-Aggregatoren) und personalisierten Tools für Anwender, wird die Entwicklung von interessanten Themen für Unternehmen strategisch zu einer zentralen Aufgabe. Für Marken gilt es Inhalte zu schaffen, die eine Verbreitung über viele Kanäle erzielen. Optimalerweise haben sie auch noch das Potenzial für Mundpropaganda.

Der Stellenwert der persönlichen Empfehlung gewinnt in den unendlichen Weiten des Internet noch stärker an Bedeutung als in der Offline-Welt. Die User sind auf der Suche nach verlässlichen Anhaltspunkten. Die Verbreitung der Social Networks gibt Interessierten auch einen guten Einblick, wie sehr eine Person oder Marke vernetzt ist. Der Erfolg von Plattformen wie Qype, Holidaycheck und ähnlichen Angeboten zeigt deutlich, wie sehr die Orientierung nach vertrauenswürdigen Marken- bzw. Produktempfehlung erfolgt.


Auch zahlreiche Studien zeigen, dass das Internet bei den Kaufentscheidungen
wichtiger als traditionelle Medien ist. Der Trend zur personalisierten Zuordnung von Profilen und Empfehlung auf breiter Vernetzung im gesamten Social Media Umfeld ist ein wichtiger Schritt in der nächsten Stufe. Das zeichnet sich auch bereits in Entwicklungen wie Social Search (bei Google) ab.

Die Abkehr von Einzelanstrengungen der Unternehmen, eigene und oft isoliert agierende Communities aufzubauen, wird die Effizienz der Markenführung steigern. Ein Hauptproblem der User von Social Networking-Plattformen wie Facebook, MySpace usw. war bisher die Verwaltung der zahlreichen Userprofile. Nun haben Unternehmen die Möglichkeit, sich an die Funktionen dieser Portale anzudocken. Google, Facebook und MySpace stellen Schnittstellen zur Verfügung, mit denen sich die Profildaten in die eigene Markencommunity einbinden lassen. Somit kann sofort auf ein Potenzial von mehreren Millionen Usern zugegriffen werden. Auch die Hemmschwelle der User für den Eintritt in eine Markencommunity ist weitaus geringer.

Markenführung braucht auch eine klare Orientierung. Das war in der linearen Welt bisher weitaus einfacher. Es stehen über Jahrzehnte bekannte Kennzahlen wie für Print- oder TV- Anzeigen zur Verfügung. Den Erfolg für eine Social Media-Kampagne mit zwei Millionen Abrufen über Youtube, 5.000 Fans auf der Facebook-Page usw. zu bewerten ist hingegen weitaus schwieriger. Im Laufe des Jahres 2009 werden hier sicherlich einige Kennzahlen und Richtwerte im Social Media-Umfeld definiert werden, um eine bessere Vergleichbarkeit zu erzielen.

Die Markenführung findet in immer mehr Formen Ausdruck. Das Web wird dabei als Schnittstelle zu weiteren Diensten führen. Musik und interaktives Fernsehen über das Internet wachsen intensiv zusammen. Mobile Marketing hat die Phase der schwierigen Bedienbarkeit und uneinheitlicher Standards hinter sich gelassen. Das iPhone als Paradebeispiel zeigt den Weg für die einfache Verbindung von Usability, Interaktion und offener Plattform für Weiterentwicklung auf globaler Basis. Egal ob als Anwendungen, Spiele oder Webtool.
Studien gehen sogar davon aus, dass 2020 der Internetzugang primär mobil erfolgen wird.

Der Weg von Marken führt nicht über „emotional abgedroschene Inszenierungen“ zum Ziel, sondern über relevante Inhalte und eine begeistertes Erlebnis der Kunden mit der Marke. Das Medium ist dabei als Teil dieses Erlebnisses so hautnah wie möglich zu integrieren. Werbung die in Spielen eingebettet ist (In-Game-Advertising) wird dabei durch die rasante Entwicklung in der Vernetzung mehr Marktanteile gewinnen. Dabei sind für Marketingentscheider Themen wie die unmittelbare Erfolgsmessung und die jederzeitige Optimierung der Werbeplatzierung attraktive Anreize. Egal, ob im Internet, auf dem Handy oder offline.

Marken müssen sich dort aufhalten, wo der Puls schlägt, in der Sprache sprechen, die dort verstanden wird und mit relevanten Inhalten die Botschaften im vernetzten Kreislauf am Leben halten. Das Internet und das World Wide Web rücken dabei als vernetztes Universalmedium in den Mittelpunkt.

Der Autor



Bild: Daniel Gebhart

Markus Hübner, Jahrgang 1977, startete seine Karriere Mitte der 90er Jahre als Chief Creative Officer von world-direct. Als einer der Internet-Pioniere konnte er bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen gewinnen und gilt als Experte für digitale und integrierte Markenführung. Er betreut globale
Etats führender Unternehmen. Aufgrund seines anerkannten Fachwissens wird er regelmäßig als Jury-Mitglied und Referent zu weltweiten Festivals
eingeladen. Er ist Gründer und Geschäftsführer von
Brandflow.