Da ist sie nun. Die Idee aus der Forschungs-
und Entwicklungsabteilung, die sogleich die Produktenwicklung auf den Kopf
stellen soll. In zahlreichen Marktforschungsstudien werden monatelang
Szenarien mit unterschiedlichsten Zielgruppen erforscht. Das Ganze wird dann
noch vom Produktmanagement und Marketing „marktkonform“ aufbereitet und
anschließend über die PR-Abteilung in den Kreislauf eingekippt.
Massenprodukte werden über Massenmedien an Mainstream-Kunden gebracht. Die
Markenführung ist linear und wohlbehütet. Die Unternehmen funktionierten
entlang der Wertschöpfungskette als ein in sich geschlossener Kreislauf. Die
Werbekanäle Print und TV waren die Königsdisziplinen der passiven
Kommunikation und geliebte Inseln der eigens verstandenen Markenidentität
und deren Inszenierung.
Seit damals hat sich die Welt radikal verändert, ein Prozess der mit der
verstärken Interaktion und sozialen Vernetzung im Web 2.0 seine
Weiterentwicklung fand. Doch wohin geht die Markenführung im Web-Zeitalter?
Welche neuen Anforderungen und Herausforderungen gilt es zu meisten?
Wenn man den einstigen Ansatz der großteils steril, linear und passiv
entwickelten Kommunikation als Vergleich heranzieht, so wird offensichtlich,
wie grundlegend der Wandel in der Neuzeit angekommen ist.
Zwar meinte 2007 beispielsweise Trevor Edwards, Vice President of Global
Brand Management bei Nike: „Gone are the days of ‚one shoes, and advertising
campaign. Now you’ve got to engage consumers on every level”, doch
drückt dies nur einen Teil der vielschichtigen Entwicklungen der
Markenführung aus.
Vorbei sind die Zeiten der Einzelanstrengungen. Die Macht der Gemeinschaft
schlägt sich in multidimensionaler Basis nieder. Angefangen vom Prozess,
sich mit dem eigenen Unternehmen zu öffnen und im Sinne von Employer
Branding bzw. der unternehmensinternen Markenführung die neuen Möglichkeiten
von Enterprise 2.0 zu nutzen. Dabei bedarf es keiner umfangreichen IT-Tools,
sondern primär der mentalen Bereitschaft, sich dem partizipativen Geist der
Mitarbeiter zu stellen. Erfreulich zu sehen, wenn Studien über den
Gesamtwert von Unternehmen die Komponenten Markenwert und Human Resources
als die beiden wichtigsten Werttreiber identifizieren. Doch genau für diese
beiden Bereiche müssen auch die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden.
Das Wissen der Mitarbeiter ist in einem vernetzten und dynamischen Umfeld
abzubilden und zu verdichten. Ob dies über Wikis, Blogs oder
Microblogging-Tools wie Twitter gelebt wird, hängt vom jeweiligen
Unternehmensumfeld ab. Synergien, wie beispielsweise ein effizienteres
Wissensmanagement oder eine erhöhte Motivation, sind zusätzliche Anreize.
Im Zusammenspiel Unternehmen-Markt werden derartige Open-Innovation- und
Crowdsourcing-Ansätze einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg
beitragen. Jene Unternehmen die sich strategisch den
Innovationsprozessen öffnen, werden auch markante Wettbewerbsvorteile
gegenüber ihren Mitbewerbern ausnützen können.
Die Wertschöpfungskette wird neu überdacht
werden müssen und der Konsument wird nicht mehr als externer Empfänger,
sondern als integrativer Bestandteil gesehen. Dabei wird entscheidend sein,
ein attraktives Belohnungsmodell für die Teilnehmer zu entwickeln, denn die
neuen Möglichkeiten sind keine Selbstbedienungsläden der Unternehmen.
Ein faires Geben und Nehmen ist notwendig, damit die Identifizierung der
Teilnehmer mit der Marke und die Bereitschaft für Word-of-Mouth-Marketing
als Hebel der weiteren Kommunikation auch gewährleistet sind.
Unternehmen müssen lernen, sich mit ihrer Zuhörerschaft auseinander zu
setzen. Dafür gilt es, die wesentlichen Markenkontaktpunkte zu analysieren.
Deshalb ist die Markenführung aufgrund der enorm gestiegenen Vernetzung und
Dynamik auch so anspruchsvoll geworden. Die bisherige Medienresonanzanlayse
und der Pressespiegel werden von modernen Marken-Controlling-Tools abgelöst.
Das Wissen um die Frage, wer wo und wie über meine Marke spricht, rückt in
den Mittelpunkt.
In den verschiedenen Phasen der Markenführung, von der Produkteinführung bis
zur Markenfusion, gilt es, die neuen Schauplätze der Interaktion und ihre
Meinungsführer zu identifizieren. Dies ist die Grundlage für die Konzeption
relevanter Themen und Dialoge. Unternehmen müssen realisieren, dass der
Austausch über Produkte und Marken tagtäglich weltweit statt findet. Entweder lässt man dem
freien Lauf, mit der Gefahr dass die Markenführung aus der Hand gleitet und
auch Konkurrenten dies negativ steuern. Oder man bringt sich in einem
ehrlichen und glaubhaften Dialog ein.
Das bedeutet: Vorbei sind die Zeiten, als man mal eben schnell in einer
Print-Kampagne behauptete „Jetzt mit der X2-Technologie doppelt so leicht“
als Platzhalter für die vielen leeren Werbeversprechungen. Der mündige und
kritische Konsument möchte Transparenz. Der weltweite Austausch bringt
zwangsläufig die wahren Inhalte zu Tage. Als Konsequenz wird Markenführung
wieder mehr zum Thema von relevanten Produkten und deren Inhalte.
Möchten Marken in der enormen Datenflut überhaupt zu den Empfängern
durchdringen, müssen Inhalte zielgerichtet auf die Communities, Szenen und
Verteiler abgestimmt werden. Nicht mehr der Absender (die Marke) steht im
Mittelpunkt, sondern der Inhalt. Was relevant ist oder nicht, entscheidet
der sich selbst bereinigende Kommunikationskreislauf. Schaffen es lapidare
Werbebotschaften über die PR-Kanäle einmal gerade in die Standardplattformen
und verpuffen dann, so haben Nachrichten mit hohem Nachrichtenwert das
Potential, sich in Minutenschnelle weltweit zu verbreiten.
Durch die Zunahme der Zahl von Online-Plattformen die verschiedenste Nachrichten und
Inhalte zentral zusammenführen (Content-Aggregatoren) und personalisierten
Tools für Anwender, wird die Entwicklung von interessanten Themen für
Unternehmen strategisch zu einer zentralen Aufgabe. Für Marken gilt es Inhalte zu schaffen, die
eine Verbreitung über viele Kanäle erzielen. Optimalerweise haben sie auch
noch das Potenzial für Mundpropaganda.
Der Stellenwert der persönlichen Empfehlung gewinnt in den unendlichen
Weiten des Internet noch stärker an Bedeutung als in der Offline-Welt. Die
User sind auf der Suche nach verlässlichen Anhaltspunkten. Die Verbreitung
der Social Networks gibt Interessierten auch einen guten Einblick, wie sehr
eine Person oder Marke vernetzt ist. Der Erfolg von Plattformen wie Qype,
Holidaycheck und ähnlichen Angeboten zeigt deutlich, wie sehr die Orientierung nach
vertrauenswürdigen Marken- bzw. Produktempfehlung erfolgt.
Auch zahlreiche Studien zeigen, dass das Internet bei den Kaufentscheidungen
wichtiger
als traditionelle Medien ist.
Der Trend zur personalisierten Zuordnung von Profilen und Empfehlung auf
breiter Vernetzung im gesamten Social Media Umfeld ist ein wichtiger Schritt
in der nächsten Stufe. Das zeichnet sich auch bereits in Entwicklungen wie
Social Search (bei Google) ab.
Die Abkehr von Einzelanstrengungen der Unternehmen, eigene und oft isoliert
agierende Communities aufzubauen, wird die Effizienz der Markenführung
steigern. Ein Hauptproblem der User von Social Networking-Plattformen wie
Facebook, MySpace usw. war bisher die Verwaltung der zahlreichen
Userprofile. Nun haben Unternehmen die Möglichkeit, sich an
die Funktionen dieser Portale anzudocken. Google, Facebook und MySpace
stellen Schnittstellen zur Verfügung, mit denen sich die Profildaten in die
eigene Markencommunity einbinden lassen. Somit kann sofort auf ein Potenzial
von mehreren Millionen Usern zugegriffen werden. Auch die Hemmschwelle der
User für den Eintritt in eine Markencommunity ist weitaus geringer.
Markenführung braucht auch eine klare Orientierung. Das war in der linearen
Welt bisher weitaus einfacher. Es stehen über Jahrzehnte bekannte Kennzahlen
wie für Print- oder TV- Anzeigen zur Verfügung. Den Erfolg für eine Social
Media-Kampagne mit zwei Millionen Abrufen über Youtube, 5.000 Fans auf der
Facebook-Page usw. zu bewerten ist hingegen weitaus schwieriger. Im Laufe
des Jahres 2009 werden hier sicherlich einige
Kennzahlen und Richtwerte im Social Media-Umfeld definiert werden, um eine
bessere Vergleichbarkeit zu erzielen.
Die Markenführung findet in immer mehr Formen Ausdruck. Das Web wird dabei
als Schnittstelle zu weiteren Diensten führen. Musik und interaktives
Fernsehen über das Internet wachsen intensiv zusammen.
Mobile Marketing hat die Phase der schwierigen Bedienbarkeit und
uneinheitlicher Standards hinter sich gelassen. Das iPhone als
Paradebeispiel zeigt den Weg für die einfache Verbindung von Usability,
Interaktion und offener Plattform für Weiterentwicklung auf globaler Basis.
Egal ob als Anwendungen, Spiele oder Webtool.
Studien gehen sogar davon aus, dass 2020 der
Internetzugang
primär mobil erfolgen wird.
Der Weg von Marken führt nicht über „emotional
abgedroschene Inszenierungen“ zum Ziel, sondern über relevante Inhalte und
eine begeistertes Erlebnis der Kunden mit der Marke. Das Medium ist dabei
als Teil dieses Erlebnisses so hautnah wie möglich zu integrieren. Werbung
die in Spielen eingebettet ist (In-Game-Advertising) wird dabei durch die
rasante Entwicklung in der Vernetzung mehr Marktanteile gewinnen. Dabei sind
für Marketingentscheider Themen wie die unmittelbare Erfolgsmessung und die
jederzeitige Optimierung der Werbeplatzierung attraktive Anreize.
Egal, ob im Internet, auf dem Handy oder offline.
Marken müssen sich dort aufhalten, wo der Puls
schlägt, in der Sprache sprechen, die dort verstanden wird und mit
relevanten Inhalten die Botschaften im vernetzten Kreislauf am Leben halten.
Das Internet und das World Wide Web rücken dabei als vernetztes Universalmedium in den
Mittelpunkt.
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Der Autor
Bild:
Daniel Gebhart
Markus Hübner, Jahrgang 1977, startete seine Karriere Mitte der 90er Jahre
als Chief Creative Officer von world-direct. Als einer der Internet-Pioniere
konnte er bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen gewinnen und gilt
als Experte für digitale und integrierte Markenführung. Er betreut globale
Etats führender Unternehmen. Aufgrund seines anerkannten Fachwissens wird er
regelmäßig als Jury-Mitglied und Referent zu weltweiten Festivals
eingeladen. Er ist Gründer und Geschäftsführer von
Brandflow. |