In der Welt des Designers Mac Funamizu muss niemand nach dem Weg fragen.
Wörter in gedruckten Bücher können wie im World Wide Web angeklickt werden.
Fremde sprechen sich auf der Straße an, weil sich ihre Interessen
decken. Das World Wide Web macht das möglich, es ist
mobil, dynamisch, es versteht uns. Und es ist endlich im Alltag angekommen,
seine Angebote ergänzen die
Wirklichkeit. So sehr, dass die Menschen sich fragen werden, wie sie jemals ohne
ausgekommen sind.
Funamizus Visionen sind gewagt und provokant, aber ein Spinner ist der Japaner nicht.
Seine Ideen spielen nicht in ferner Zukunft, sondern könnten schon bald
– zumindest zum Teil
– Wirklichkeit werden. Microsoft, Nokia und (natürlich) Google entwickeln bereits Technologien, die die virtuelle Welt des World Wide Web mit
dem Alltag verschmelzen lassen.
Während man heute froh ist, dass Websites auf dem Mobiltelefon so
angezeigt werden können, wie man sie aus dem Webbrowser im Büro oder zu
Hause kennt, sind die Anwendungen der nahen Zukunft ausschließlich für die
mobile Nutzung gedacht.
Microsoft hat gleich mehrere Visionen unterschiedlicher Realitätsnähe im
Angebot. Durchaus realistisch erscheint dabei vor allem Microsoft
Surface. Das Programm bietet eine Benutzeroberfläche, die über einen
flachen, berührungs-empfindlichen Monitor bedient wird. Dieser ist
beispielsweise in eine Tischoberfläche eingelassen. Das Display bemerkt
nicht nur Berührungen, sondern interpretiert auch Bewegungen der Hand.
Wischen, wedeln, ziehen, drücken
– die intuitive
Benutzung ist bereits von
Apples iPhone bekannt.
Surface erkennt aber auch andere Geräte, die auf die Tischplatte gelegt
werden, zum Beispiel Digitalkameras oder Mobiltelefone. Dort gespeicherte
Bilder „fallen“ dann–
sichtbar auf dem Monitor–
aus der Kamera oder dem Telefon und können
auf dem Tisch vergrößert oder hin- und hergeschoben werden. Die endlosen Halden
digitalisierter Fotos, die sich auf den Computern vieler Nutzer angesammelt
haben, werden plastisch, als hätte man es mit physischen Objekten zu tun
(siehe Video). Die Anwendungs-möglichkeiten sind vielfältig, vom Restaurant
bis zur Chirurgie.
Microsoft Surface
Mit Microsoft Surface
erhalten Daten physische Eigenschaften, die den Umgang mit ihnen erleichtern
(Video: Microsoft).
Heute kann bei Aka-aki bestaunt werden, wie die Spezialisierung von heute
bereits ausgiebig genutzten Social Networks auf Mobilkommunikation aussehen
wird. Das
Unternehmen bietet eine Software für Handys an, die nach einer kostenlosen
Anmeldung via Bluetooth erkennt, ob andere Personen in der Nähe sind, die
bei Aka-aki angemeldet sind. Das können die eigenen Kontakte sein, oder auch
andere Mitglieder der Community. So
soll es leichter werden, zufällig anwesende Freunde nicht zu verpassen. Aber Aka-aki schneidet
auch automatisch mit, wer sich sonst in
der Umgebung aufgehalten hat. So kann man später sehen, an wem man aus
Versehen vorbeigelaufen ist–
oder wem man schon oft begegnet ist, ohne sich
zu kennen. Vielleicht lohnt sich eine Kontaktaufnahme? Das eigene Nutzerprofil wird mit Interessen und Eigenschaften
gefüllt und mit anderen Profilen abgeglichen. Wenn man also in Zukunft von
fremden Menschen auf der Straße angesprochen wird, weil sich zum Beispiel
die persönlichen Interessen zu 80 Prozent decken, wird man sich vielleicht
nicht mehr wundern.
Wem jetzt schon schwindelig ist–
es geht noch weiter: Soziale Netzwerke
können natürlich nicht nur zur Kontaktanbahnung unter Menschen genutzt
werden. Die Daten selbst sind in der Lage, sich automatisch vernetzen. Heute,
da jedes moderne Mobiltelefon mit einer Digitalkamera ausgestattet ist und die
Positionsdaten geschossener Fotos leicht erhoben werden können, böte die
Kombination der Daten die Möglichkeit, ein
realistisches Bild der Welt auf Basis der Schnappschüsse von Millionen
Nutzern zu konstruieren. Aus Milliarden Einzelaufnahmen müsste ein
Computerprogramm anhand der Geodaten dynamische Ansichten der Welt
zusammensetzen können
–
unterstützt auch von so genannten tags in Bilddatenbanken, also
Metainformationen über den Bildinhalt, die von Nutzern eingeben werden.
Später könnte dieser Schritt durch automatische Bilderkennung abgelöst
werden.
Ein Team um
Blaise
Aguera y Arcas von Microsoft hat dafür
das Programm Photosynth entwickelt, das es tatsächlich vollbringt, Bilder
aus Bilddatenbanken wie Flickr zu dreidimensional wirkenden Kompositionen
zusammenzurechnen. Photosynth bedient sich dabei beispielsweise der Meta-Informationen,
die in Form von tags in Flickr vorliegen. Das Ergebnis ermöglicht
Kamerabewegungen durch virtuelle Räume, die allein aus unterschiedlichsten
Aufnahmen konstruiert worden sind. Google Earth könnte bald wie eine müde Spielerei
wirken (siehe Video).
Photosynth
Blaise Aguera y Arcas
führt 2007 auf der TED-Konferenz in Monterey zunächst das Programm Seadragon
vor, das den Umgang mit riesigen Bilddaten erlaubt. Anschließend zeigt er,
wie Einzelbilder über Photosynth zu Gesamtwerken zusammengerechnet werden
können (Video: TED Conference)..
Doch zurück zu den Visionen des Mac Funamizu. Das Looking Glass, ein
Multifunktionsgerät mit dem Aussehen einer weiß
eingefassten Glasscheibe, stellt den Zugang zu einer grenzenlos vernetzten
Welt dar. Es erklärt den Weg, auch innerhalb von Gebäuden, zeigt historische Aufnahmen von Straßenzügen perspektivisch
korrekt an, blendet Navigationshinweise wie in Google Maps ein und
ermöglicht im Rückgriff auf digitalisierte Buchbestände die Verknüpfung
gedruckter Zeilen in Büchern mit den Wissensdatenbanken
des World Wide Web.
Funamizu kombiniert mit seiner Vision die Verschmelzung virtueller Inhalte
und der Wirklichkeit und zeigt zugleich, wie die nächste Stufe des World
Wide Web aussehen könnte.
Im Internet sind Computer miteinander verbunden, im World Wide Web sind es
Dokumente–Websites, beispielsweise.
Im semantischen Web werden es
einzelne Daten sein.
Lernen Sie auf den
folgenden sechs Seiten weitere Ideen kennen, wie die mobile Nutzung in
Zukunft aussehen könnte. Im Video am Ende der Bilderstrecke sehen sie, wie
Nokia Research und
das Cambridge Nanoscience Center
schon über die übernächste Generation der Mobilkommunikation nachdenken (Video auf Seite
7).