1.
Einleitung
„The first thing you notice physically about this lady, is her eyes“,
eröffnet Clive Owen in der Rolle eines Chauffeurs den Film „Star” von Guy
Ritchie, der Drehbuch geschrieben und Regie geführt hat. Von niemand anderem
als Madonna ist die Rede, die sich jedoch nach den ersten, ehrfürchtig
ehrerbietigen Beschreibungen schnell als „Cunt”, als echte Zicke also,
entpuppt. Mit ihrem Chauffeur hat sie sich allerdings das falsche Opfer
ausgesucht – Clive Owen jagt in rasanten Szenen durch die Stadt und
schüttelt Madonna auf der Rückbank ordentlich durch. Coole Optik, grooviger
Sound, schnelle Schnitte, teure Autos, Weltstars vor und hinter der Kamera.
Eine Hollywood-Produktion? Nein, eine Produktion von BMW.
Der bayerische
Automobilhersteller beschritt im Jahr 2001 neue Wege in der Kommunikation
seiner Marke und gab sich nicht mehr mit einfachem Product Placement
zufrieden, wie beispielsweise noch im James Bond-Film „Goldeneye“ von 1995.
BMW dreht stattdessen die Filme zur Inszenierung seiner Produkte gleich selbst. Mit vollem
Erfolg. Die Website bmwfilms.com, über die man die insgesamt acht Filme der
„The Hire“ genannten Reihe abrufen konnte, verzeichnete mehr als 100
Millionen Abrufe und über 14 Millionen Registrierungen. Zudem stiegen in den
USA die Verkäufe im Mai des Jahres 2002 – einem der traditionell
umsatzstärksten Monate des amerikanischen Automarkts – um 17,4 Prozent gegenüber
der Vorjahresperiode (vgl.
Fog/Budth/Yakaboylu 2005: 162).
Bis heute gilt die Kampagne als
eines der ersten und zugleich besten Beispiele für die Werbeform Branded
Entertainment, bei der werbliche Botschaften in redaktionellen
Medienangeboten verpackt und der Zielgruppe als Unterhaltung angeboten
werden. Wohlgemerkt: als echte Unterhaltung, und nicht bloß als
unterhaltsame, etwa besonders witzige Werbung.
„Echte“ Unterhaltung sind all jene Medienangebote, die dem redaktionellen
Medienschema „Unterhaltung“ entsprechen, also die Charakteristika typischer
Unterhaltungsformate wie Kurzfilm, Spielfilm, Serie, Gameshow etc.
aufweisen.
Insbesondere das Internet hat sich dabei als regelrechtes Biotop für diese
Art der Zielgruppenansprache erwiesen, während ähnliche Experimente im
TV-Bereich, wo die klassische Werbung nach wie vor das Feld dominiert,
bisher nur dünn gesät sind.
2. Bedeutung des Internets als Werbemedium
Warum aber erweist sich Branded Entertainment gerade im Web als so
erfolgreich? Und wieso sollte ausgerechnet diese Werbeform in der Zukunft
des Internets eine zentrale Rolle spielen? Gehen wir dazu kurz einen Schritt zurück und widmen uns der Frage, welche besondere Bedeutung
dem Internet als Werbemedium zukommt, und aus welcher Notwendigkeit heraus
Branded Entertainment erfunden wurde.
Das Internet ist unumstritten das wachstumsstärkste Medium des 21.
Jahrhunderts, und zwar gleichermaßen hinsichtlich der Nutzerzahlen, des auf
die Nutzung verwendeten Medienzeitbudgets, der Vielfalt der Angebote und der
Werbespendings. Zurzeit sind 65 Prozent aller Deutschen ab 14 Jahren (zumindest
gelegentlich) online, und verbringen im Schnitt 120 Minuten pro Tag im Internet
(vgl. van Eimeren/Frees 2008: 338ff.).
Zum Vergleich: im Jahr 2000 waren 28 Prozent aller Deutschen über 14 Jahren online,
und das Internet wurde im Schnitt 91 Minuten pro Tag genutzt (vgl. van
Eimeren/Gerhard 2000: 330ff.)
Zur Prognose der weiteren Entwicklung kann unter anderem die Studie „OMD
media map 2010-2015“ zur Zukunft der Mediennutzung herangezogen werden,
derzufolge 44 Prozent der heutigen Onliner
das Internet zukünftig noch intensiver
nutzen wollen.
Nutzerzahlen und Nutzungszeit steigen insbesondere, weil verschiedenste
Medien durch technische Konvergenz mit dem Internet verschmelzen – allen
voran TV-Geräte und Mobiltelefone. Microsoft-CEO Steve Ballmer geht sogar so weit zu
prognostizieren: „[W]ithin 10 years, no consumption of anything that we
think about as media today – print, TV, Internet – […] will, in fact, be
delivered over IP Internet technology, and will all be digital.”
Ob es
so weit kommt, sei dahin gestellt, doch man kann feststellen: das Internet
ist (bald) überall.
Und
je mehr Nutzer sich für lange
Zeit im Internet aufhalten, desto mehr lohnt es sich, Inhalte, Waren und
Dienstleistungen online feil zu bieten und auch online für diese zu werben.
Dementsprechend ist Online-Werbung seit Jahren das Segment des Werbemarktes
mit den stärksten Wachstumsraten. Allein für 2008 wird vom
Online-Vermarkter-Kreis ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr von 25 Prozent
geschätzt, während alle anderen Bereiche der Werbung stagnieren oder
allenfalls
mit geringen, einstelligen Prozentwerten wachsen.
Die erwähnte OMD-Studie sieht gar voraus, dass 2015 jeder dritte Werbe-Euro
ins Web fließt.
|
Die Autoren
Jan Sebastian Schmalz
Jan Sebastian Schmalz, Jahrgang 1980. 2000 bis 2006 Studium der
Kommunikationswissenschaft, Soziologie und Wirtschaftspolitik an der
Universität Münster. 2006 Magisterabschluss mit einer Arbeit über Branded
Entertainment, die in überarbeiteter Fassung auch als Buch erhältlich ist
("Werbung als Unterhaltung. Wie Branded Entertainment und Advertainment
Werbung mit Unterhaltung verschmelzen"). Anschließend Beginn einer Promotion
in Kommunikationswissenschaft zum Thema "Rezeption und Nutzung
audiovisuellen Branded Contents im Web". Seit 2007 Doktorand bei der Daimler
AG in der Abteilung Branded Entertainment.
Kristina
Tsvetkova, geboren am 18. März 1980 in Sofia, Bulgarien. 2001 bis 2006
Studium der Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster. 2006:
Magisterarbeit zum Thema Branded Entertainment ("Let Us Entertain You!
Branded Entertainment als neuer Hoffnungsträger der Werbebranche in der
digitalen Zukunft", VDM Verlag Dr. Müller). 2007 bis 2008: Junior Consultant
bei der NEWCAST (ZenithMedia Deutschland). Seit Oktober 2008 zuständig für
Branded Content und Product Integrations bei der OMG 4CE Fuse (einer Unit
der OMD Germany) in Düsseldorf.
Verwandte Artikel
Rampenfest in Oberpfaffelbachen:
BMW schießt einen Einser ins Web 2.0
von Björn
Brückerhoff |