MIT ANKE ENGELKE UND GEORG BASELITZ IN BONN
Bilder, die den Kopf verdrehen


TEXT: MARC LAUTERFELD
BILDER: KUNST- UND AUSSTELLUNGSHALLE DER BRD, BONN


Am frühen Nachmittag des ersten Samstag im Juni – kurz nach 15.00 Uhr – geht es los. Georg Baselitz – seine Markenzeichen, Vollbart und attitüdenhafte Zigarre, sind längst Einstecktuch und Hochglanzschuhen gewichen – betritt zusammen mit Anke Engelke, die sich sympathisch-sportlich gibt – „Rocky-Jeans“, schwarzer Rolli und Pferdeschwanzfrisur – die große Halle der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Dort warten bereits rund 100 Besucher auf die ungewöhnliche Führung. Anke Engelke ist die zur Zeit wohl präsenteste Comedian, Georg Baselitz einer der bekanntesten deutschen Künstler der Gegenwart. Auf den Kopf gestellte Motive, also „Bilder, die den Kopf verdrehen“, sind es, die das Werk von Georg Baselitz seit 1969 unverwechselbar machen und Baselitz muß seine Arbeit nicht mehr verteidigen.



Bilderstrecke: Bilder, die den Kopf verdrehen

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Er ist angekommen. Schon rein äußerlich zeigt Georg Baselitz, wie sehr er in den letzten zehn, zwölf Jahren seine früher unversöhnliche Haltung bezüglich der eigenen Arbeit und der Lage von Kunst und Malerei verändert hat. Gegen die Konvention ist bloß der blaue Popeline-Anzug – allein mit dem untersten Knopf eines Zweiknopf-Sakkos – geknüpft. Falls es für die allgemeine Anerkennung, die Baselitz erfährt und ausstrahlt, noch eines Beweises bedurfte hätte, gab es diesen ganze drei Tage später: Georg Baselitz erhält den als „Nobelpreis der Künste" bezeichneten japanischen Kunstpreis „Praemium Imperiale“.

AUSGABE 38
DER BILDERSTURM




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Anke Engelke hingegen, die mit ihrer Show Anke Late Night zur Zeit Quotentiefrekorde aufstellt und mit einer beinah schon verjährten Geschichte über ihre Trennung von Popliterat Benjamin von Stuckrad-Barre aktuell wieder die Seiten der Yellow Press füllt, gibt sich bescheiden und zurück-genommen. Sie sei „mittelmäßig kunstgebildet“, bekundet die 38-Jährige zu Beginn der Führung in dieser ironisierenden Bescheiden-heit, die sie während der gesamten Veranstaltung an den Tag legt. Hybris, Fernsehkünstlichkeit, Glamour-Faktor, all dies bleibt in Köln und wird nur für einen

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Georg Baselitz (Burda-Museum)
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Anke Engelke (offizielle Homepage)
Anke Late Night (Sat 1)
 
HINWEISE
 

Ausstellungsdauer: bis 8.8.2004

Öffnungszeiten
Di, Mi 10 - 21 Uhr
Do, So (und feiertags): 10 - 19 Uhr
Fr zusätzlich für Schulklassen und angemeldete Gruppen 9 - 10 Uhr

Geöffnet an allen Feiertagen, auch denen, die auf einen Montag fallen geöffnet. 10 - 19 Uhr
 

kurzen Augenblick durch die mitgebrachten Anke-Late-Night-Autogrammkarten sichtbar, auf denen eine völlig andere Anke Engelke zu sehen ist. In Bonn allerdings, konzentriert sie sich ganz auf das Gespräch mit dem Meister – und macht ihre Sache sehr gut.

Anke Engelke, die studierte Pädagogin, ist umfassend vorbereitet und nimmt sich Zeit. Während des rund anderthalbstündigen Rundgangs durch die Ausstellung wird an etwa sechs Podesten Halt gemacht, die in den Ausstellungsräumen postiert sind. Das Werk wird entlang des Ausstellungskonzepts teils in Dialogen, oftmals in Monologen von Baselitz, erörtert. Diese Mischung aus Führung und Talkshow ist geprägt durch Georg Baselitzs amüsanten Ausführungen und Erinnerungen sowie Anke Engelkes Geistesgegenwart.


Georg Baselitz: "Foto von gestern". Ganze Bilderstrecke

Die Ausstellung schlägt den Bogen von frühen Werken über die zeitgeschichtlich aussagekräftigen "Heldenbilder" Mitte der 60er Jahre, die Fraktur-Bilder, die ersten "Kopfstand"-Bilder, die ihm bis heute malerische und kompositorische Freiheit geben, bis hin zu den Fingermalereien Mitte der 70er Jahre.


Es folgen die Orangenesser Anfang der 80er Jahre, als Reaktion auf die wieder allgemein akzeptierte expressive Gegenständlichkeit, die Motiv-Bilder, die im großen Malerbild gipfeln, die großformatigen Bildübereins- und folgende Gemälde sowie die romantischen Arbeiten der Auseinandersetzung mit Caspar David Friedrich, die seit 1999 auch im Reichstag in Berlin Beachtung finden. Neue Arbeiten aus den Jahren 2002 bis 2004, die den Blick zurück im künstlerischen OEuvre erlauben, runden den retrospektiven Charakter der Ausstellung ab. Ergänzt durch Baselitzs ungeschönte Holz-Skulpturen, deren Bearbeitungsspuren auch nicht durch Farbe verdeckt werden, präsentiert er sich als ein Künstler, der sich sowohl durch großes handwerkliches Können und Komprimierung im Ausdruck als auch durch motivische Wandlungsfähigkeit auszeichnet. Sowohl sein malerischer Gestus als auch sein biographisch geprägtes ikonographisches Repertoire werden deutlich.

Dieser Variationsreichtum und die Komplexität im Ausdruck werden auch in dem sehr einfühlsamen und ernsthaften Kunstgespräch thematisiert, mit zum Teil erstaunlichen Erkenntnissen. Die Beschreibung seiner Werke als Anti-Pathos Bilder (Künstler-Kollege als blonde Frauen; die Bilderserie „Richard Wagner malt ein Pferd“) sind noch in jedem Standardwerk nachlesbar. Gleiches gilt hinsichtlich der Interpretation seiner künstlerischen Manifeste und bezüglich seines Verhältnisses zum Expressionismus. Ein aufgeräumter Baselitz erläutert aber beispielsweise auf die Frage Engelkes, ob er sich mit den Bildern den Psychotherapeuten spare, weil er sich ja so intensiv mit den Dingen auseinandersetze, dass es ihm in erster Linie darum gehe: „wie falle ich auf und erscheine nicht als langweilig“. Auch erklärt Baselitz, wieso er sich immer mit Portraits schwer getan habe: "ich meinte immer, wenn ich eine Frau male, dann muß ich die auch haben."

Eine Diskussion entbrennt um das Thema „Geld und Wert“. In wiederum fast erdrückendem Understatement, aber einem, das man Anke Engelke auch tatsächlich abnimmt – da sie etwa unbeachtet von der Öffentlichkeit Jugendführungen in Museen durchführt – , erläutert sie auf die Frage nach ihrer Motivation, sich kunstpolitisch zu engagieren und Führungen durchzuführen: "Es ist meine Pflicht als öffentliche und überbezahlte Person, so etwas zu tun". Baselitz zeigt hier einen unprätentiösen Reflex, denn das Etikett „überbezahlt“ muß ihm verschroben schwülstig vorgekommen. Für Baselitz sind überbezahlt allenfalls die anderen. Überbezahlung sei keine Kategorie, mit der man sich selbst belege. Zu dieser bodenständigen Haltung gehört auch die Erläuterung seines „protestantischen Arbeitsethos“, welches es etwa verbiete, wie zuvor ein Besucher fragte, die Bilder richtig herum zu malen und sie bloß verkehrt herum aufzuhängen. Auch habe er feste Atellierzeiten. Schade nur, daß die Zeit im Museum so schnell verging.



Eintrittspreise
1-Tageskarte 7 Euro (ermäßigt 3,50 €),  2-Tagekarte 9,50 Euro (ermäßigt 5 €), Familienkarte (mind. zwei Erwachsene und mind. ein Kind bis 17 Jahre) 10,50 €, Gruppenkarte (ab 10 Personen pro Person) 4,50 € (ermäßigt 2,50 €).

Katalog: 320 Seiten mit 200 farbigen Abbildungen; Preis: 25 €.


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