GESUNDHEIT
Opfer der
Gewohnheit
TEXT:
BJÖRN
BRÜCKERHOFF
BILD: PHOTOCASE.DE
Bilder blutender Gehirne und zerfressener
Lungenflügel zieren ab August alle
Zigarettenpackungen in Singapur. Der
Regierung des Stadtstaates, bekannt für ihr harsches Vorgehen gegen
Kriminalität und Drogen, sind einfache Warnhinweise auf Zigarettenschachteln
längst zu lasch. Drastische Bilder von toten Säuglingen und
sterbenden Erwachsenen sollen deutlicher über die Folgen des Rauchens aufklären.
Ein schneller Tod ist für Raucher der Glücksfall, daran lassen die Bilder
keinen Zweifel.
PDF-Download:
Die Anzeigenmotive
(PDF-Format, The Straits Times Interactive)
Ob die
millionenteure Bebilderungsmaßnahme helfen wird, ist umstritten. Die bisher sechs verschiedenen Motive der Kampagne sind
jedenfalls kaum zu übersehen. Sie werden auf Vorder- und Rückseite jeder
Schachtel abgedruckt und nehmen fast die Hälfte der Verpackungsoberfläche ein.
Bisher war, wie auch in Deutschland, bereits ein Drittel der Verpackung von
einem Warnhinweis bedeckt.
Kein Entkommen liefern die gern genutzten Zigarettenetuis, in denen
Schachteln mit unangenehmem Aufdruck bislang bequem verschwinden konnten. Auch auf
dem Deckel des Päckchens grinst ein krebszerfressener Mund. Sätze wie "Tabakrauch kann Babys töten", "Rauchen kann einen
langsamen und schmerzhaften Tod verursachen" oder "Rauchen kann
Schlaganfälle auslösen" unterstützen die Bilder auch weiterhin verbal. Hilft nur noch,
die Glimmstängel in silberne Etuis ("Humphrey Bogart") umzufüllen.
Auch in Deutschland sind die Botschaften der vergleichsweise harmlosen
Warnhinweise auf den Packungen längst der Gewohnheit zum Opfer
gefallen.
Auf die gesundheitlichen Folgen des Rauchens wird seit
Oktober 2003 mit wechselnden Aufklebern ("Rauchen kann impotent
machen", "Rauchen lässt ihre Haut altern", "Rauchen fügt Ihnen und den
Mitmenschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu") hingewiesen.
Diese Botschaften erreichen viele der 20
Millionen Raucher jedoch nicht. Im Gegenteil: die Nachfrage nach Zigarettenhüllen
ist angestiegen und eigene Websites mit Rauchergedichten in schwarzen Rahmen
erfreuten sich anfänglich großer Beliebtheit. Trotz als Selbstbetrug.
Rund 14 Prozent der Erwachsenen in Singapur rauchen, besonders die Zahl der
jungen Raucherinnen nimmt stark zu. Ähnliche Versuche in Kanada haben
gezeigt, dass der Konsum von Tabakerzeugnissen um 3,4 Prozent seit Dezember
2000 gesunken ist. Dies hänge höchstwahrscheinlich mit der abschreckenden
Bebilderung zusammen. Viele Raucher in Singapur zeigten sich in einer Umfrage jedoch
unbeeindruckt. Wer rauchen will, dem scheinen die Folgen der Sucht klar zu
sein. Oder sie werden schlicht ignoriert.
Sicher werden die Folgen der Sucht für viele Raucher durch die Bilder wohl
plastischer. Insgesamt dürften die eindringlichen
Motive aber vor allem Nichtraucher erschrecken. Zumindest könnte so die Zahl
der Anfänger reduziert werden.
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AUSGABE 38
DER BILDERSTURM
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT FLORIAN
ILLIES
MARKENKOMMUNIKATION DES TERRORISMUS
KEINE ANGST VOR DER
WAHRHEIT
DOPPELT UND DREIFACH
BESTRAFT
OPFER DER GEWOHNHEIT
ETHIK UND JOURNALISMUS:
WIDERSPRUCH?
DAS VISUELLE TIER
LIEBER FÜNF MINUTEN ZWEIFELN...
EIN BILD LÜGT MEHR ALS TAUSEND
WORTE
BILDER, DIE DEN KOPF VERDREHEN
BILDER, TIEFGEFROREN
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