AL-QAIDA ALS GLOBALE MARKE
Markenkommunikation des Terrorismus


TEXT: BJÖRN BRÜCKERHOFF
BILD: PHOTOCASE.DE (BEARBEITET)



Medial erstaunlich umfassend vor- und nachbereitet tritt der Terrorismus unserer Tage in Erscheinung. Wo früher unhandliche Koranzitate dräuten, parlieren Attentäter und Drahtzieher heute häufig in mehrsprachig übersetzten Videobotschaften und Web-Downloads über aktuelle Gräueltaten. Sicher, die Medien sind schon lange Werkzeug von Entführern und Erpressern. Auch die Anschläge der RAF oder das Geiseldrama von Gladbeck im August 1988 haben die doppelte Rolle der Medien verdeutlicht. Einen schmaler Grat gilt es zu überwinden: entweder sind die Medien so Handlanger von Verbrechern oder unverzichtbarer Informationslieferant der Bevölkerung.

Natürlich verstehen es auch islamistische Terroristen prächtig, auf der Klaviatur der westlichen Medien zu spielen. Sie nutzen meisterhaft, was ihre Ideologie bekämpft: freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. Die Medien sind zumeist hilflos: soll man darüber berichten und dem demokratischen Recht auf Information nachkommen, oder unterstützt man damit die Interessen von Islamisten?

Informationsfreiheit oder Handlanger?

Besonders zynisch ist der Fall der Geiselnehmer der drei im Irak entführten Italiener. Die Terroristen riefen "das italienische Volk" über eine mediale Botschaft zur Demonstration für den Abzug italienischer Streitkräfte aus dem Irak auf. Retter der Geisel und zugleich Commis des Terrorismus: die gleiche Zerrissenheit. Diese Vorstellung überforderte viele Bürger. Demonstrationen fanden nicht statt.

Medienmarke auf allen Kanälen


Ein Markenbegriff in Verbindung zu setzen mit Terrorismus, erscheint bedenklich. Dabei muss der Markenbegriff, in den allermeisten Fällen positiv besetzt, keineswegs nur für Begehrenswertes stehen. Der Erfolg einer Marke wird in den Köpfen gemacht. Durch die ewige Wiederholung des Markennamens verdichtet sich die Marke, ihre Eigenschaften entstehen. Dabei legt die Marke einen weiten Weg zurück. Von der unbekannten Bezeichnung über den Weg der ewigen Wiederholung und Verfeinerung immergleicher Botschaften, Vorgehensweisen und Methoden. So verfestigt sich ein Bild in den Köpfen: bei al-Qaida sogar bei den Gegnern und Sympathisanten gleichermaßen. Der Westen fürchtet das inzwischen allgemein bekannte "Terrornetzwerk", militante Islamisten tanken Kraft aus der weltweiten Präsenz, kommuniziert auf allen Kanälen.

AUSGABE 38
DER BILDERSTURM




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EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT FLORIAN ILLIES
MARKENKOMMUNIKATION DES TERRORISMUS
KEINE ANGST VOR DER WAHRHEIT
DOPPELT UND DREIFACH BESTRAFT
OPFER DER GEWOHNHEIT
ETHIK UND JOURNALISMUS: WIDERSPRUCH?
DAS VISUELLE TIER
LIEBER FÜNF MINUTEN ZWEIFELN...
EIN BILD LÜGT MEHR ALS TAUSEND WORTE
BILDER, DIE DEN KOPF VERDREHEN
BILDER, TIEFGEFROREN

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Die globale Marke al-Qaida ist längst unhinterfragter Gegenstand der täglichen Berichterstattung. Nach den Anschlägen vom 11. September erhob George W. Bush Osama bin Laden zum "Posterboy". Der Saudiaraber wurde zum Gesicht eines konturlosen Gegners.

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Damit entstand das Bild eines globalen Terrornetzwerkes, organisiert wie ein Konzern, unsichtbar wie ein Geheimdienst, mit Zellen in allen Ländern, Ausbildungscamps in der Dritten Welt und unzähligen Terrorgruppen, die vorher zersplittert nun einem riesigen Netzwerk angehörten. Heute wird jeder Anschlag in den Medien zunächst auf seine Verbindungen zum "Terrornetzwerk" überprüft - als wäre al-Qaida mehr als eine gemeinsame Idee, eine gemeinsame globale Marke des Terrorismus, ein zynisches Gütesiegel für Bluttaten.

Vier Markeneigenschaften

Der Wissenschaftler Dieter Herbst definiert vier Eigenschaften einer Marke: die Markenkultur (das, wofür die Marke steht), das Markenleitbild (wofür die Marke stehen soll), die Instrumente der Vermittlung der Markenpersönlichkeit (beispielsweise die mediale Umsetzung) und das entstehende bedrohliche Image als Ergebnis der "Markenführung". Alle vier Bereiche können problemlos nachgezeichnet werden.

Viele verschiedene Terrorgruppen lassen sich nun bequem als al-Qaida-Sympathisanten zusammenfassen. Das reduziert Komplexität und lässt sich medial besser verarbeiten. Eine prägnante Marke hebt sich aus der Masse heraus, Übersichtlichkeit ist auch hier Trumpf.

Der Dschihad wird längst auf allen medialen Ebenen geführt. Waren anfangs aufgezeichnete Tondokumente oft genutztes Werkzeug, gibt es inzwischen mehrere Online-Magazine, die in die Nähe der al-Qaida zu rücken sind, darunter das zweiwöchentliche Magazin "Ma'askar al-Battar". Autoren sind altgediente Kader und Ideologen des Islamismus, unter anderen Abd al-Asis al-Mukrim, der oft als "Statthalter" des "Terrornetzwerkes" in Saudi Arabien tituliert und am 18. Juni bei einem Feuergefecht getötet wurde. Auch der mutmaßliche Anführer des Anschlags in Chobar, dem 22 Menschen zum Opfer fielen, Fawaz Ibn Mohammed al-Naschmi, gibt munter Auskunft über seine Erlebnisse während des Anschlages - und vermittelt so die Botschaft, dass der "Krieg gegen die Ungläubigen" nicht nur ehrenhaft und heilsbringend, sondern auch spannend und aufregend ist und nicht immer im Selbstmord enden muss, wenn Heil und Ehre kommen sollen.

Botschaft: "Wir sind überall"

Das Muster eines schattenhaften Netzwerkes wird gezielt kultiviert. Nicht nur, dass die Berichterstattung und Begleitung von Terroranschlägen seitens der Qaida immer professioneller wird, das System des unsichtbaren Gegners kopiert sich auch in der neueste Art der Veröffentlichung von Geisel-Videos und Botschaften führender Terroristen. Aktuell ist auf der Website der Firma "Silicon Valley Landsurveying Inc." in Kalifornien ein Video veröffentlicht worden, dass die amerikanische Geisel Paul Marshal Johnson zeigt. Die Eigentümer der Seite hatten den Vorfall nicht bemerkt, denn das Unterverzeichnis, indem das Video abgelegt worden war, entstand unbemerkt, vermutlich von Qaida-Sympathisanten eingerichtet. Nach Informationen von Spiegel Online muss es sich dabei allerdings um einen Hacker gehandelt haben, der den Geiselnehmern äußerst nahe steht. Das Video erschien auf der gekaperten Website gut eine Stunde, bevor die Agenturen die Veröffentlichung des Videos in einschlägigen Magazinen meldeten. Johnsons Leiche wurde inzwischen enthauptet aufgefunden. Videos seiner Ermordung kursieren im Internet.

Selbst auf die visuelle Einheitlichkeit einer Marke wird nicht verzichtet. Bekennerschreiben tragen immer häufiger einheitliche Briefköpfe. "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod", fertig ist der Claim. Bizarr ist dabei vor allem, dass die Markenbildung von westlichen Medien selbst initiiert worden ist. Jetzt scheinen Terroristen auf den Zug aufzuspringen und das Schema konsequent auszubauen.
Für die Verbreitung ihrer Botschaften sorgen wir selbst.


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