MEDIENRECHT
Ethik und
Journalismus:
Ein Widerspruch in sich?
TEXT:
JENS
O. BRELLE
BILD: PHOTOCASE.DE
Der scheidende Bundespräsident Johannes Rau verabschiedete sich von den
Medien mit einer Standpauke. Beim Jahrestreffen des "Netzwerk
Recherche" am 5. Juni 2004 in Hamburg hat er die
Journalisten an ihre gesellschaftspolitische Verantwortung erinnert. Seine
Thesen zu den "Medien zwischen Anspruch und Realität" (in
Auszügen):
Journalisten sind
Beobachter, nicht Handelnde.
Journalisten sollen die Wirklichkeit abbilden.
Journalisten tragen Verantwortung für das, was sie tun.
Journalisten tragen Verantwortung für unser Gemeinwesen. |
AUSGABE 38
DER BILDERSTURM
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
INTERVIEW MIT FLORIAN
ILLIES
MARKENKOMMUNIKATION DES TERRORISMUS
KEINE ANGST VOR DER
WAHRHEIT
DOPPELT UND DREIFACH
BESTRAFT
OPFER DER GEWOHNHEIT
ETHIK UND JOURNALISMUS:
WIDERSPRUCH?
DAS VISUELLE TIER
LIEBER FÜNF MINUTEN ZWEIFELN...
EIN BILD LÜGT MEHR ALS TAUSEND
WORTE
BILDER, DIE DEN KOPF VERDREHEN
BILDER, TIEFGEFROREN
ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
DAS REGISTER
ÜBER DIE GEGENWART
IMPRESSUM
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Vor dem Hintergrund gestellter Kriegsszenarien, so
genannter „embedded“ Kriegsberichterstatter und gefälschter Folterfotos aus
Großbritannien sind dies sehr entscheidende Thesen, die auch
von den Regeln des Pressekodex aufge-griffen
werden.
Diese publizistischen Grundsätze zur Berufsethik der Journalisten wurden vom
Deutschen Presserat beschlossen und vom damaligen Bundes-präsidenten Gustav
W. Heinemann am 12. Dezember 1973 in Bonn überreicht. |
ZUR PERSON |
Die ersten vier Regeln lauten:
Ziffer 1: „Achtung vor der Wahrheit und wahrhaftige Unterrichtung der
Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“
Ziffer 2: „Zur
Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild
sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt
zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder
Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Dokumente müssen
sinngetreu wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und
Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen. Bei Wiedergabe von symbolischen
Fotos muss aus der Unterschrift
hervorgehen, dass es sich nicht um dokumentarische Bilder handelt.“
Ziffer 3:
„Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, die sich nachträglich als
falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat,
unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.“
Ziffer 4:
„Bei der Beschaffung von Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern
dürfen keine unlauteren Methoden angewandt werden.“
Ziffer 7:
„Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass
redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche
Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der
Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Verleger und Redakteure
wehren derartige Versuche ab und achten auf eine klare Trennung zwischen
redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken.“
Ziffer 11: „Die
Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt
und Brutalität. Der Schutz der Jugend ist in der Berichterstattung zu
berücksichtigen.“
Gefälschte Folterfotos verstoßen gegen den Grundsatz
der Wahrhaftigkeit und Abbildung der Wirklichkeit. Bundespräsident Johannes
Rau: „Gefährlich wird es da, wo durch Zuspitzung oder Halbwahrheiten
Stimmungen absichtlich verstärkt oder sogar erst gemacht werden.“
Die Vorgehensweise ist mit den Recherchegrundsätzen nach Ziffer 4 des
Pressekodex nicht vereinbar. Bedenklich ist es, wenn ein Thema nicht
"aufgespürt", sondern von den berichtenden Journalisten aktiv mitgestaltet
wird, da der Journalist damit die Funktion des Berichterstatters aufgibt und
selbst zum Handelnden wird.
In der Tat. Die falschen Folterfotos aus England hatten lediglich ein Ziel:
Die kriegführende Alliierten im Irak zu diskreditieren. Bei aller –
berechtigten - Kritik am Irak-Krieg: Inszenierung ist ein – ethisch –
unerlaubtes Mittel, das den Berufsstand der Journalisten in Misskredit
bringt. Das gleiche gilt für die so genannten „embedded“
Kriegsberichterstatter aus dem Irak-Krieg, die sich auf inszenierte
Kriegsszenarien einließen und die Bilder als echte in die Heimat sendeten.
Speziell die Richtlinie 2.2 des Pressekodex erläutert, was bei Fotografien
und Illustrationen noch zu beachten ist:
„Kann eine Illustration, insbesondere eine Fotografie, beim flüchtigen Lesen
als dokumentarische Abbildung aufgefasst werden, obwohl es sich um ein
Symbolfoto handelt, so ist eine entsprechende Klarstellung geboten. So sind
Ersatz- oder Behelfsillustrationen (gleiches Motiv bei anderer
Gelegenheit, anderes Motiv bei gleicher Gelegenheit etc.),
symbolische Illustrationen (nachgestellte Szene, künstlich visualisierter
Vorgang zum Text etc.), Fotomontagen oder sonstige
Veränderungen deutlich wahrnehmbar in Bildlegende
bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen.“
Bedenklich ist es auch, wenn Fotos von toten deutschen Polizeibeamten im
Irak veröffentlicht werden. Auch die postmortale Würde des Menschen ist
unantastbar. Das steht nicht nur im Grundgesetz. Dennoch wird die
Menschenwürde in Medien immer öfter angetastet – nicht selten unter dem
Vorwand journalistischer Berichterstattung.
Dazu Richtlinie 11.1: „Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn
in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel,
herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen
sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über
das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser
hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.“ |
Letztlich Richtlinie 11.2: „Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, auch
angedrohte, wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet
über diese Vorgänge unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht
zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen
Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei. Interviews mit Tätern
während des Tatgeschehens darf es nicht geben.“
Die Ausstrahlung der Videos und Tondokumente von Osama bin Laden mit
Bildunterstützung durch CNN und al-Dschasira oder al-Arabia ist nach deutschen
Pressekodex bedenklich, wenn sich die Medien damit lediglich zum Handlanger von
Terroristen machen.
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