Content is King – Entertainment
is Queen:
Branded Entertainment als Zukunft
der Marketingkommunikation im Web
Text:
Jan Sebastian Schmalz und
Kristina Tsvetkova
Bildmaterial: BMW
Seite 3/3
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Anfang
4. Zielsetzungen
und Eigenschaften von Branded Entertainment im Web
Seit dem Erfolg der BMW-Filme gibt es kaum ein internationales Unternehmen,
das nicht versucht hat, mit Hilfe von Branded Entertainment seine Marke(n)
in Szene zu setzen und emotional erlebbar zu machen. Die Fallbeispiele dafür
sind vielfältig: Animierte Kurzfilme, die die neuesten märchenhaften
Kreationen des Couture-Hauses Prada kunst- und fantasievoll präsentieren; Webisodes mit Kultkomiker Jerry Seinfeld und Superman in der Hauptrolle, die
Hilfebedürftigen mit einer American Express-Karte den Tag retten; ein
Online-Contest, bei dem Konsumenten Spots für die Chips-Marke Doritos
kreieren konnten, die beim Super Bowl einem Multimillionen-Publikum gezeigt
wurden. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Wie die Vielfalt der Erscheinungsformen schon erahnen lässt, werden mit
diesem Kommunikationsinstrument auch unterschiedliche Zielsetzungen
verfolgt. Zunächst wurde Branded Entertainment überwiegend für
Brand-Building verwendet, das heißt für die produktunabhängige Bekanntmachung und
Imagepflege von Marken. Inzwischen wird die Werbeform zunehmend auch beim Launch neuer Produkte oder Line Extensions eingesetzt, um mit Bewegtbild im
Web die Produktvorteile kreativ darzustellen, in relevanten redaktionellen
Kontexten zu präsentieren und auf diese Weise Kunden zu gewinnen. Über das
reine Brand-Building hinaus wird Branded Entertainment also auch zur
konkreten Verkaufsförderung betrieben.
Wie genau werden diese beiden Ziele verfolgt? Branded Entertainment im Web
verfügt über spezielle Eigenschaften bzw. bietet spezielle
Anwendungsmöglichkeiten, auf Grund derer diese Werbeform gleichermaßen zum
Aufbau von Marken wie zum Verkauf von Produkten geeignet ist. Im
Wesentlichen sind das die folgenden:
Erschließung neuer Zielgruppen:
Branded Entertainment tritt als attraktives Unterhaltungsangebot auf und
spricht dadurch auch solche Zielgruppen an, die zunächst keine inhärente
Motivation aufweisen, sich mit einer bestimmten Marke auseinanderzusetzen.
Das kann insbesondere bei der Eroberung von Konkurrenzkunden oder bei der
Bewerbung von überwiegend rational beurteilten Produkten helfen. Der
Autoreifenhersteller Pirelli etwa hat 2007 einen hochwertigen Kurzfilm mit
Hollywood-Star Uma Thurman produziert, der im Stil eines Action-Movies
eine
bestimmte Reifensorte in Szene setzt.
Wesentlich emotionaler und begehrenswerter als eine Anzeige, ein Banner oder
ein 30-Sekunden Spot es für das eher unemotionale Produkt „Autoreifen“
vermutlich je vermocht hätten.
Emotionales Brand-Building durch Storytelling:
Branded Entertainment im Web unterliegt kaum formalen Limitationen (etwa
hinsichtlich der Länge oder der einsetzbaren Gestaltungsmittel), wodurch die
kreativen Möglichkeiten zur emotionalen Darstellung von Marken und Produkten
schier unbegrenzt sind. Der Markenkern und das dazugehörige Lebensgefühl
können in zielgruppenrelevanten Geschichten ausführlich vermittelt werden – markenbezogenes
Storytelling als Kernaufgabe der Marketingkommunikation (vgl.
Fog/Budth/Yakaboylu 2005) findet in
Branded Entertainment das perfekte Instrument.
Ausnutzung viraler Effekte im Web:
Web-Content kann auch ohne zentrale Distributionsinstanz (z. B. einem
TV-Sender) in kürzester Zeit ein Millionenpublikum erreichen, indem er sich
wie ein Virus über Weiterleitung von Nutzer zu Nutzer verbreitet. Da die
Weiterleitung per Mausklick funktioniert, ermöglicht das Internet somit die
digitale Potenzierung herkömmlicher, medienbezogener Mund-zu-Mund-Propaganda
(„Hast du den neuen Nike-Spot mit Ronaldinho schon gesehen?“). Branded
Entertainment hat durch seinen Charakter als Unterhaltungsformat dabei eine
wesentlich bessere Chance von viralen Effekten zu profitieren als klassische
Internet-Werbeformen. Hinzu kommt, dass auf diese Weise reguläre Media-Kosten für die Buchung von Werbeflächen entfallen.
Intramediale Vernetzung:
Das Internet bietet zwei unschätzbare Vorteile für Werbetreibende – das
Hyperlinkprinzip und die Rückkanalfähigkeit. Klassische Werbung in TV oder
Print hat das Problem, die Rezipienten über den Moment der Medienrezeption
hinaus zu einer medienunabhängigen Aktivität motivieren zu müssen (etwa in
den Supermarkt zu gehen). Eine unmittelbare Kontaktaufnahme zwischen Kunde
und Warenanbieter ist nicht möglich. Im Netz dagegen kann der Rezipient ohne
Medienbruch zu produktbezogenen Webseiten weitergeleitet werden, wo Kaufakte
durchgeführt oder angebahnt werden können. Branded Entertainment im Web ist
insofern ideal dafür geeignet, um die Rezipienten aus einem nicht-werblichem
Umfeld heraus zum Eintritt in eine Konsumsituation zu verführen.
Nachfolgend soll ein Best Practice Case ausführlicher vorgestellt werden, um
zu verdeutlichen, wie Branded Entertainment im Web als Instrument der
Marketingkommunikation tatsächlich eingesetzt wird.
5. Fallbeispiel: Branded Entertainment als Product Seller
Eine
der größten Erfolgsgeschichten im Bereich Online Branded Entertainment ist
die Produkteinführung der Körperpflegelinie „Dove Calming Night“ durch das
Unternehmen Unilever in den USA. Dabei handelte sich auch um einen der
ersten großen Launches eines Konsumguts, der nicht im TV, sondern
hauptsächlich im Web stattgefunden hat.
Die Kampagne bestand zum einen aus Kurzfilmen, für die Felicity Huffmann,
Emmy-Gewinnerin und Star aus „Desperate Housewives“, engagiert wurde, und
zum anderen aus einer groß angelegten Kooperation mit AOL. In insgesamt drei
Webisodes zeigte Unilever unter dovenight.com, wie sich Felicity Huffman
nach einem anstrengenden Tag im Haushalt mit Produkten aus der Pflegelinie „Dove
Calming Night“ zu regenerieren versucht. Die Dove-Duschgels, Handcremes oder
Bodylotions schenken in den Webisodes der gestressten Hausfrau inspirierende Träume, in
denen sie den Familienalltag von amerikanischen TV-Vorzeigefamilien der 60er-
und 70er-Jahre kennen lernt. Die Webisodes wurden von Hollywood-Regisseurin
Penny Marshall produziert und beinhalteten Originalfilmmaterial aus alten
US-amerikanischen Serien mit Kultcharakter.
Auf der Website konnten interessierte Kundinnen Proben von den Produkten
bestellen sowie die Webisodes weiterempfehlen. Beworben wurden sie
mittels klassischer Online-Werbemittel, Print-Anzeigen in einschlägigen
Lifestyle-Magazinen sowie TV Spots im Umfeld von frauenaffinen Formaten –
u. a. auch bei „Desperate Housewives“.
Durch die AOL-Kooperation wurde zusätzlich Aufmerksamkeit für die neue
Produktlinie und die Webisodes generiert. So trat Dove Calming Night als
Hauptsponsor von Aol.com auf und wurde zudem mittels einer
Ratgeber-Mechanik für Hausfrauen inhaltlich auf der Seite integriert. Des
Weiteren wurde in einem Online-Wettbewerb nach fünf Vorbildern unter
amerikanischen Eltern gesucht.
Laut Tina Sharkey, Senior Vice President von AOL Network Programming, setzte
die Kampagne einen Meilenstein, insbesondere durch die Verpackung der
Werbebotschaften („exposures“) innerhalb redaktionellen Contents („environment“)
mit Mehrwert für die Zielgruppe: „They have created a kind of holistic or
whole-consumption experience.
It is a series of exposures wrapped in an environment,
and it gives consumers the chance to really immerse themselves in it.”
Auch die durch die Kampagne erzielten Ergebnisse wurden als enormer Erfolg
gewertet. Die verantwortliche Agentur Mindshare gibt an, dass die Website
dovenight.com und die gesponserten Flächen auf Aol.com über 5
Millionen Pageviews verzeichneten. Darüber hinaus verschickte Unilever mehr
als eine Million online bestellte Produktproben aus der
Dove Calming Night-Serie.
Eine Response-Rate, von der Marketingverantwortliche sonst nur träumen.
6. Zusammenfassung und Ausblick
Betrachtet man dieses, aber auch andere Fallbeispiele, so entdeckt man
bestimmte Gemeinsamkeiten jeder erfolgreichen Kampagne. Zusammenfassend
nun also noch ein kurzer Blick auf wesentliche Erfolgsfaktoren von Branded
Entertainment im Web.
Besonders ausschlaggebend ist neben der intramedialen Vernetzung die
crossmediale Vermarktung von Branded Entertainment. Ob man die Branded
Webisodes mit klassischen TV-Spots bewirbt, Printanzeigen für einen
Web-TV-Sender schaltet oder rund um den Branded Music-Download-Service im
Web eine Live-Show veranstaltet – die Frage ist nicht, ob man
Branded Entertainment im Web crossmedial konzipiert und vermarktet,
sondern wie. Die mehrkanalige Ansprache erhöht die Reichweite,
ermöglicht eine kreative Variation der Werbebotschaft und erhöht so
Werbewirkung und -effizienz.
Ein weiteres Erfolgsrezept ist die aktive Unterstützung von viralen
Kommunikationseffekten. Die Kontaktqualität ist bei viraler Verbreitung
überdurchschnittlich hoch, da sich die Konsumenten entweder selbst um den
Inhalt bemühen oder sie diesen von einer bekannten Person zugeschickt und
empfohlen bekommen. Um von solchen Effekten profitieren zu können, ist aber
ein gezieltes und systematisches „Seeding“ der Inhalte nötig, also eine
Platzierung auf den richtigen Plattform zum richtigen Zeitpunkt. Einfach
Hochladen auf YouTube ist kein Erfolgsgarant – auch Branded Entertainment
kommt letztlich nicht ohne Mediaplanung und ohne Mediabudgets aus.
Der wichtigste Faktor für den Erfolg von Branded Entertainment im Web ist
jedoch wie bei jeder Werbeform die zugrunde liegende kreative Idee. Nur wenn
diese glaubwürdig aus dem Markenkern abgeleitet ist, und nur wenn der
Content einen realen Mehrwert für die Zielgruppe bietet, kann eine Branded
Entertainment-Kampagne ihre Ziele erreichen: Aus emanzipierten und
werberesistenten Rezipienten treue Kunden und begeisterte Fürsprecher einer
Marke zu machen.
Branded Entertainment ist demnach kein Allheilmittel und auch keine
Wunderwaffe, sondern ein anspruchsvolles und komplexes Instrument, das von
Werbetreibenden viel Erfahrung, außergewöhnliche Kreativität und die
Umsetzung aufeinander abgestimmter, integrierter Kommunikations-maßnahmen
verlangt. Das Internetmarketing von morgen wird also keinesfalls nur aus
Branded Entertainment bestehen, doch von Marken gemachte Unterhaltung wird
im Web der Zukunft zunehmend mit redaktionell unabhängiger Unterhaltung um
die Gunst der Nutzer konkurrieren.
Am Ende des Tages wird dann auch der letzte klassische Werber erkennen
müssen: There is no business without show business.
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Ausgabe
57
Upgrade der Wirklichkeit:
Zur Zukunft des World Wide Web
Startseite
Editorial
Bestellt und nicht abgeholt.
Interview mit Esther Dyson.
Digitalisierter
Alltag:
Wirklichkeit und virtuelle Welt verschmelzen
Das Internet der Zukunft:
Wohin geht die Reise?
Die totale Vernetzung
Googelst du noch
oder findest du schon?
Filmgenres 2.0: Zurück in die Zukunft
Du bist die Weltkarte
Fast backward: Die Rückkehr der Geschichte im Internet
Erfolgreiche Obama-Show im
Internet
Content is King – Entertainment is Queen:
Branded Entertainment
Quo vadis Markenführung im Web
Geistiges Eigentum muss
geschützt werden
Zukunftsmusik
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